Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
9.
DIE GELTUNG DES BUCHES IN DER SPÄTEREN ZEIT.

Der Londoner papyrus ist eine abschrift zu privatem gebrauche,Die
erhaltenen
exemplare.

die ein student sich auf der rückseite ausrangirter acten teils selbst
geschrieben hat, teils hat schreiben lassen und dann selbst revidirt. dass
es ein student war, folgt daraus, dass er auf einem der blätter schon
ein colleg über die Midiana nachzuschreiben oder abzuschreiben ange-
fangen hatte. das exemplar, das er abschreiben liess, hatte einen guten
text, aber der anfang war abgerissen.1) er hat wert auf seinen besitz
gelegt, denn er hat es mit ins grab genommen.

Die beiden Berliner blätter sind der irgendwie in den kehricht
geratene rest eines buches, eines für den handel hergestellten exemplares.
es war in buchform und konnte sich um die regeln für papyrusrollen
gar nicht kümmern; die blätter gehörten einem quinio an.2) ich kann

1) Der riss gieng quer durch mehrere zeilen, daher kommt es, dass sich der
erste satz, trotzdem der sinn durch Plutarch bekannt ist, nicht herstellen lässt,
ohne dass man mehrere lücken annimmt. es hiess etwa edikazon de kategoroun-
tos] Muronos [triakosioi] kath' ieron omosantes [teleion airethentes] aristinden;.
darum, weil der arme mensch kein vollständiges exemplar bekommen konnte,
zu wähnen, es hätte damals gar keine mehr gegeben, ist eine starke naivetät.
dass der auszug des Herakleides und die darstellung der attischen altertümer, aus
der unser fgm. 3 ist, älter wären als die erhaltene handschrift, ist weder beweisbar,
noch auch nur wahrscheinlicher als das gegenteil. fgm. 4 steht nur von junger
hand in einer Euripideshandschrift, gehört also keinesweges dem alten stock der
scholien an, sondern ist ein nachtrag ganz so unbekannter herkunft wie die unten
besprochenen Plutosscholien.
2) Wir haben ein auf beiden seiten beschriebenes blatt eines buches, also die
reste von vier seiten. die erste enthält noch s. 11, 10--12, 9 unserer ausgabe; ihre
rückseite 11, 27--12, 20. die dritte 23, 17--24, 6, ihre rückseite 24, 16--25, 10.
da die länge der zeilen, der ausfall zwischen dem schluss der vorder- und dem
anfange der rückseite, endlich auch das gegeben ist, was zwischen 2 und 3 fehlt,
ist es lediglich eine sache des zählens, festzustellen, dass 8 solcher seiten zwischen
19*
9.
DIE GELTUNG DES BUCHES IN DER SPÄTEREN ZEIT.

Der Londoner papyrus ist eine abschrift zu privatem gebrauche,Die
erhaltenen
exemplare.

die ein student sich auf der rückseite ausrangirter acten teils selbst
geschrieben hat, teils hat schreiben lassen und dann selbst revidirt. daſs
es ein student war, folgt daraus, daſs er auf einem der blätter schon
ein colleg über die Midiana nachzuschreiben oder abzuschreiben ange-
fangen hatte. das exemplar, das er abschreiben lieſs, hatte einen guten
text, aber der anfang war abgerissen.1) er hat wert auf seinen besitz
gelegt, denn er hat es mit ins grab genommen.

Die beiden Berliner blätter sind der irgendwie in den kehricht
geratene rest eines buches, eines für den handel hergestellten exemplares.
es war in buchform und konnte sich um die regeln für papyrusrollen
gar nicht kümmern; die blätter gehörten einem quinio an.2) ich kann

1) Der riſs gieng quer durch mehrere zeilen, daher kommt es, daſs sich der
erste satz, trotzdem der sinn durch Plutarch bekannt ist, nicht herstellen läſst,
ohne daſs man mehrere lücken annimmt. es hieſs etwa ἐδίκαζον δὲ κατηγοϱοῦν-
τος] Μύϱωνος ∥ [τϱιακόσιοι] καϑ᾽ ἱεϱῶν ὀμόσαντες ∥ [τελείων αἱϱεϑέντες] ἀϱιστίνδην·∥.
darum, weil der arme mensch kein vollständiges exemplar bekommen konnte,
zu wähnen, es hätte damals gar keine mehr gegeben, ist eine starke naivetät.
daſs der auszug des Herakleides und die darstellung der attischen altertümer, aus
der unser fgm. 3 ist, älter wären als die erhaltene handschrift, ist weder beweisbar,
noch auch nur wahrscheinlicher als das gegenteil. fgm. 4 steht nur von junger
hand in einer Euripideshandschrift, gehört also keinesweges dem alten stock der
scholien an, sondern ist ein nachtrag ganz so unbekannter herkunft wie die unten
besprochenen Plutosscholien.
2) Wir haben ein auf beiden seiten beschriebenes blatt eines buches, also die
reste von vier seiten. die erste enthält noch s. 11, 10—12, 9 unserer ausgabe; ihre
rückseite 11, 27—12, 20. die dritte 23, 17—24, 6, ihre rückseite 24, 16—25, 10.
da die länge der zeilen, der ausfall zwischen dem schluſs der vorder- und dem
anfange der rückseite, endlich auch das gegeben ist, was zwischen 2 und 3 fehlt,
ist es lediglich eine sache des zählens, festzustellen, daſs 8 solcher seiten zwischen
19*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0305" n="[291]"/>
        <div n="2">
          <head>9.<lb/><hi rendition="#b">DIE GELTUNG DES BUCHES IN DER SPÄTEREN ZEIT.</hi></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Der Londoner papyrus ist eine abschrift zu privatem gebrauche,<note place="right">Die<lb/>
erhaltenen<lb/>
exemplare.</note><lb/>
die ein student sich auf der rückseite ausrangirter acten teils selbst<lb/>
geschrieben hat, teils hat schreiben lassen und dann selbst revidirt. da&#x017F;s<lb/>
es ein student war, folgt daraus, da&#x017F;s er auf einem der blätter schon<lb/>
ein colleg über die Midiana nachzuschreiben oder abzuschreiben ange-<lb/>
fangen hatte. das exemplar, das er abschreiben lie&#x017F;s, hatte einen guten<lb/>
text, aber der anfang war abgerissen.<note place="foot" n="1)">Der ri&#x017F;s gieng quer durch mehrere zeilen, daher kommt es, da&#x017F;s sich der<lb/>
erste satz, trotzdem der sinn durch Plutarch bekannt ist, nicht herstellen lä&#x017F;st,<lb/>
ohne da&#x017F;s man mehrere lücken annimmt. es hie&#x017F;s etwa &#x1F10;&#x03B4;&#x03AF;&#x03BA;&#x03B1;&#x03B6;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B4;&#x1F72; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03B3;&#x03BF;&#x03F1;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03BD;-<lb/>
&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2;] &#x039C;&#x03CD;&#x03F1;&#x03C9;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; &#x2225; [&#x03C4;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B9;] &#x03BA;&#x03B1;&#x03D1;&#x1FBD; &#x1F31;&#x03B5;&#x03F1;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F40;&#x03BC;&#x03CC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2; &#x2225; [&#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD; &#x03B1;&#x1F31;&#x03F1;&#x03B5;&#x03D1;&#x03AD;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2;] &#x1F00;&#x03F1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B4;&#x03B7;&#x03BD;&#x0387;&#x2225;.<lb/>
darum, weil der arme mensch kein vollständiges exemplar bekommen konnte,<lb/>
zu wähnen, es hätte damals gar keine mehr gegeben, ist eine starke naivetät.<lb/>
da&#x017F;s der auszug des Herakleides und die darstellung der attischen altertümer, aus<lb/>
der unser fgm. 3 ist, älter wären als die erhaltene handschrift, ist weder beweisbar,<lb/>
noch auch nur wahrscheinlicher als das gegenteil. fgm. 4 steht nur von junger<lb/>
hand in einer Euripideshandschrift, gehört also keinesweges dem alten stock der<lb/>
scholien an, sondern ist ein nachtrag ganz so unbekannter herkunft wie die unten<lb/>
besprochenen Plutosscholien.</note> er hat wert auf seinen besitz<lb/>
gelegt, denn er hat es mit ins grab genommen.</p><lb/>
          <p>Die beiden Berliner blätter sind der irgendwie in den kehricht<lb/>
geratene rest eines buches, eines für den handel hergestellten exemplares.<lb/>
es war in buchform und konnte sich um die regeln für papyrusrollen<lb/>
gar nicht kümmern; die blätter gehörten einem <hi rendition="#i">quinio</hi> an.<note xml:id="note-0305" next="#note-0306" place="foot" n="2)">Wir haben ein auf beiden seiten beschriebenes blatt eines buches, also die<lb/>
reste von vier seiten. die erste enthält noch s. 11, 10&#x2014;12, 9 unserer ausgabe; ihre<lb/>
rückseite 11, 27&#x2014;12, 20. die dritte 23, 17&#x2014;24, 6, ihre rückseite 24, 16&#x2014;25, 10.<lb/>
da die länge der zeilen, der ausfall zwischen dem schlu&#x017F;s der vorder- und dem<lb/>
anfange der rückseite, endlich auch das gegeben ist, was zwischen 2 und 3 fehlt,<lb/>
ist es lediglich eine sache des zählens, festzustellen, da&#x017F;s 8 solcher seiten zwischen</note> ich kann<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">19*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[291]/0305] 9. DIE GELTUNG DES BUCHES IN DER SPÄTEREN ZEIT. Der Londoner papyrus ist eine abschrift zu privatem gebrauche, die ein student sich auf der rückseite ausrangirter acten teils selbst geschrieben hat, teils hat schreiben lassen und dann selbst revidirt. daſs es ein student war, folgt daraus, daſs er auf einem der blätter schon ein colleg über die Midiana nachzuschreiben oder abzuschreiben ange- fangen hatte. das exemplar, das er abschreiben lieſs, hatte einen guten text, aber der anfang war abgerissen. 1) er hat wert auf seinen besitz gelegt, denn er hat es mit ins grab genommen. Die erhaltenen exemplare. Die beiden Berliner blätter sind der irgendwie in den kehricht geratene rest eines buches, eines für den handel hergestellten exemplares. es war in buchform und konnte sich um die regeln für papyrusrollen gar nicht kümmern; die blätter gehörten einem quinio an. 2) ich kann 1) Der riſs gieng quer durch mehrere zeilen, daher kommt es, daſs sich der erste satz, trotzdem der sinn durch Plutarch bekannt ist, nicht herstellen läſst, ohne daſs man mehrere lücken annimmt. es hieſs etwa ἐδίκαζον δὲ κατηγοϱοῦν- τος] Μύϱωνος ∥ [τϱιακόσιοι] καϑ᾽ ἱεϱῶν ὀμόσαντες ∥ [τελείων αἱϱεϑέντες] ἀϱιστίνδην·∥. darum, weil der arme mensch kein vollständiges exemplar bekommen konnte, zu wähnen, es hätte damals gar keine mehr gegeben, ist eine starke naivetät. daſs der auszug des Herakleides und die darstellung der attischen altertümer, aus der unser fgm. 3 ist, älter wären als die erhaltene handschrift, ist weder beweisbar, noch auch nur wahrscheinlicher als das gegenteil. fgm. 4 steht nur von junger hand in einer Euripideshandschrift, gehört also keinesweges dem alten stock der scholien an, sondern ist ein nachtrag ganz so unbekannter herkunft wie die unten besprochenen Plutosscholien. 2) Wir haben ein auf beiden seiten beschriebenes blatt eines buches, also die reste von vier seiten. die erste enthält noch s. 11, 10—12, 9 unserer ausgabe; ihre rückseite 11, 27—12, 20. die dritte 23, 17—24, 6, ihre rückseite 24, 16—25, 10. da die länge der zeilen, der ausfall zwischen dem schluſs der vorder- und dem anfange der rückseite, endlich auch das gegeben ist, was zwischen 2 und 3 fehlt, ist es lediglich eine sache des zählens, festzustellen, daſs 8 solcher seiten zwischen 19*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/305
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. [291]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/305>, abgerufen am 21.12.2024.