Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Agathon.
ben, der seinen Herrn zu Athen suchte, und überließ
mich zum zweytenmal den Wellen, aber mit ganz an-
dern Empfindungen als das erstemal, da sie nun anstatt
mich von dir zu entfernen, uns wieder zusammen
bringen sollten.

Achtes Capitel.
Psyche beschließt ihre Erzälung.

Unsre Fahrt war einige Tage glüklich, ausser daß ein
Wind der uns westwärts trieb, unsre Reise ungewöhn-
lich verlängerte. Allein am Abend des sechsten Tages
erhob sich ein heftiger Sturm, der uns in wenigen
Stunden wieder einen großen Weg zurük machen ließ;
unsre Schiffer waren endlich so glüklich, eine von den
unbewohnten Cycladen zu erreichen, wo wir uns vor
dem Sturm in Sicherheit sezten. Wir fanden in eben
der Bucht wohin wir uns geflüchtet hatten, ein anders
Schiff liegen, worinn sich eben diese Cilicier befanden,
denen wir izt zugehören. Sie hatten eine griechische
Flagge aufgestekt, sie grüßten uns, sie kamen zu uns
herüber, und weil sie unsre Sprache redeten, so hat-
ten sie keine Mühe uns so viele Mährchen vorzuschwa-
zen, als sie nöthig fanden, uns sicher zu machen. Nach
und nach wurde unser Volk vertraulich mit ihnen; sie
brachten etliche große Krüge mit Cyprischem Weine,
wodurch sie in wenig Stunden alle unsre Leute wehr-

los

Agathon.
ben, der ſeinen Herrn zu Athen ſuchte, und uͤberließ
mich zum zweytenmal den Wellen, aber mit ganz an-
dern Empfindungen als das erſtemal, da ſie nun anſtatt
mich von dir zu entfernen, uns wieder zuſammen
bringen ſollten.

Achtes Capitel.
Pſyche beſchließt ihre Erzaͤlung.

Unſre Fahrt war einige Tage gluͤklich, auſſer daß ein
Wind der uns weſtwaͤrts trieb, unſre Reiſe ungewoͤhn-
lich verlaͤngerte. Allein am Abend des ſechſten Tages
erhob ſich ein heftiger Sturm, der uns in wenigen
Stunden wieder einen großen Weg zuruͤk machen ließ;
unſre Schiffer waren endlich ſo gluͤklich, eine von den
unbewohnten Cycladen zu erreichen, wo wir uns vor
dem Sturm in Sicherheit ſezten. Wir fanden in eben
der Bucht wohin wir uns gefluͤchtet hatten, ein anders
Schiff liegen, worinn ſich eben dieſe Cilicier befanden,
denen wir izt zugehoͤren. Sie hatten eine griechiſche
Flagge aufgeſtekt, ſie gruͤßten uns, ſie kamen zu uns
heruͤber, und weil ſie unſre Sprache redeten, ſo hat-
ten ſie keine Muͤhe uns ſo viele Maͤhrchen vorzuſchwa-
zen, als ſie noͤthig fanden, uns ſicher zu machen. Nach
und nach wurde unſer Volk vertraulich mit ihnen; ſie
brachten etliche große Kruͤge mit Cypriſchem Weine,
wodurch ſie in wenig Stunden alle unſre Leute wehr-

los
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0044" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
ben, der &#x017F;einen Herrn zu Athen &#x017F;uchte, und u&#x0364;berließ<lb/>
mich zum zweytenmal den Wellen, aber mit ganz an-<lb/>
dern Empfindungen als das er&#x017F;temal, da &#x017F;ie nun an&#x017F;tatt<lb/>
mich von dir zu entfernen, uns wieder zu&#x017F;ammen<lb/>
bringen &#x017F;ollten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Achtes Capitel.<lb/>
P&#x017F;yche be&#x017F;chließt ihre Erza&#x0364;lung.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">U</hi>n&#x017F;re Fahrt war einige Tage glu&#x0364;klich, au&#x017F;&#x017F;er daß ein<lb/>
Wind der uns we&#x017F;twa&#x0364;rts trieb, un&#x017F;re Rei&#x017F;e ungewo&#x0364;hn-<lb/>
lich verla&#x0364;ngerte. Allein am Abend des &#x017F;ech&#x017F;ten Tages<lb/>
erhob &#x017F;ich ein heftiger Sturm, der uns in wenigen<lb/>
Stunden wieder einen großen Weg zuru&#x0364;k machen ließ;<lb/>
un&#x017F;re Schiffer waren endlich &#x017F;o glu&#x0364;klich, eine von den<lb/>
unbewohnten Cycladen zu erreichen, wo wir uns vor<lb/>
dem Sturm in Sicherheit &#x017F;ezten. Wir fanden in eben<lb/>
der Bucht wohin wir uns geflu&#x0364;chtet hatten, ein anders<lb/>
Schiff liegen, worinn &#x017F;ich eben die&#x017F;e Cilicier befanden,<lb/>
denen wir izt zugeho&#x0364;ren. Sie hatten eine griechi&#x017F;che<lb/>
Flagge aufge&#x017F;tekt, &#x017F;ie gru&#x0364;ßten uns, &#x017F;ie kamen zu uns<lb/>
heru&#x0364;ber, und weil &#x017F;ie un&#x017F;re Sprache redeten, &#x017F;o hat-<lb/>
ten &#x017F;ie keine Mu&#x0364;he uns &#x017F;o viele Ma&#x0364;hrchen vorzu&#x017F;chwa-<lb/>
zen, als &#x017F;ie no&#x0364;thig fanden, uns &#x017F;icher zu machen. Nach<lb/>
und nach wurde un&#x017F;er Volk vertraulich mit ihnen; &#x017F;ie<lb/>
brachten etliche große Kru&#x0364;ge mit Cypri&#x017F;chem Weine,<lb/>
wodurch &#x017F;ie in wenig Stunden alle un&#x017F;re Leute wehr-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">los</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0044] Agathon. ben, der ſeinen Herrn zu Athen ſuchte, und uͤberließ mich zum zweytenmal den Wellen, aber mit ganz an- dern Empfindungen als das erſtemal, da ſie nun anſtatt mich von dir zu entfernen, uns wieder zuſammen bringen ſollten. Achtes Capitel. Pſyche beſchließt ihre Erzaͤlung. Unſre Fahrt war einige Tage gluͤklich, auſſer daß ein Wind der uns weſtwaͤrts trieb, unſre Reiſe ungewoͤhn- lich verlaͤngerte. Allein am Abend des ſechſten Tages erhob ſich ein heftiger Sturm, der uns in wenigen Stunden wieder einen großen Weg zuruͤk machen ließ; unſre Schiffer waren endlich ſo gluͤklich, eine von den unbewohnten Cycladen zu erreichen, wo wir uns vor dem Sturm in Sicherheit ſezten. Wir fanden in eben der Bucht wohin wir uns gefluͤchtet hatten, ein anders Schiff liegen, worinn ſich eben dieſe Cilicier befanden, denen wir izt zugehoͤren. Sie hatten eine griechiſche Flagge aufgeſtekt, ſie gruͤßten uns, ſie kamen zu uns heruͤber, und weil ſie unſre Sprache redeten, ſo hat- ten ſie keine Muͤhe uns ſo viele Maͤhrchen vorzuſchwa- zen, als ſie noͤthig fanden, uns ſicher zu machen. Nach und nach wurde unſer Volk vertraulich mit ihnen; ſie brachten etliche große Kruͤge mit Cypriſchem Weine, wodurch ſie in wenig Stunden alle unſre Leute wehr- los

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/44
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/44>, abgerufen am 21.12.2024.