Drittes Capitel. Unvermuthete Unterbrechung des Bacchus- Festes.
Eine Schaar Cilicischer Seeräuber, welche frisches Wasser einzunehmen bey nächtlicher Weile an dieser Kü- ste geländet, hatten von fern das Getümmel der Bac- chantinnen gehört, und sogleich für einen Aufruf zu einer ansehnlichen Beute aufgenommen. Sie erinnerten sich, daß die vornehmsten Frauen dieser Gegend die geheim- nißvollen Orgya um diese Zeit zu begehen pflegten; und daß sie, wenn sie sich zu solchem Ende versammel- ten, in ihrem schönsten Puz aufzuziehen pflegten, ob sie gleich vor Besteigung des Berges sich dessen wieder entledigten, und alles biß zu ihrer Wiederkunft von ei- ner Anzahl Sclavinnen bewachen liessen. Die Hof- nung, außer diesen Weibern, von denen sie die schönsten für die Astatischen Harems bestimmten, eine Menge von kostbaren Kleidern und Juwelen zu erbeuten, schien ihnen wohl werth, sich etwas länger aufzuhalten. Sie theilten sich also in zween Haufen, davon der eine sich derer bemächtigte, welche die Kleider hüteten, indessen daß die übrigen den Berg bestiegen, und mit großem Geschrey unter die Thracierinnen einstürmend, sich von ihnen Meister machten, ehe sie Zeit oder Muth hatten, sich zur Wehr zu sezen. Die Umstände waren aller- dings so beschaffen, daß sie sich allein mit den gewöhn-
lichen
Erſtes Buch, drittes Capitel.
Drittes Capitel. Unvermuthete Unterbrechung des Bacchus- Feſtes.
Eine Schaar Ciliciſcher Seeraͤuber, welche friſches Waſſer einzunehmen bey naͤchtlicher Weile an dieſer Kuͤ- ſte gelaͤndet, hatten von fern das Getuͤmmel der Bac- chantinnen gehoͤrt, und ſogleich fuͤr einen Aufruf zu einer anſehnlichen Beute aufgenommen. Sie erinnerten ſich, daß die vornehmſten Frauen dieſer Gegend die geheim- nißvollen Orgya um dieſe Zeit zu begehen pflegten; und daß ſie, wenn ſie ſich zu ſolchem Ende verſammel- ten, in ihrem ſchoͤnſten Puz aufzuziehen pflegten, ob ſie gleich vor Beſteigung des Berges ſich deſſen wieder entledigten, und alles biß zu ihrer Wiederkunft von ei- ner Anzahl Sclavinnen bewachen lieſſen. Die Hof- nung, außer dieſen Weibern, von denen ſie die ſchoͤnſten fuͤr die Aſtatiſchen Harems beſtimmten, eine Menge von koſtbaren Kleidern und Juwelen zu erbeuten, ſchien ihnen wohl werth, ſich etwas laͤnger aufzuhalten. Sie theilten ſich alſo in zween Haufen, davon der eine ſich derer bemaͤchtigte, welche die Kleider huͤteten, indeſſen daß die uͤbrigen den Berg beſtiegen, und mit großem Geſchrey unter die Thracierinnen einſtuͤrmend, ſich von ihnen Meiſter machten, ehe ſie Zeit oder Muth hatten, ſich zur Wehr zu ſezen. Die Umſtaͤnde waren aller- dings ſo beſchaffen, daß ſie ſich allein mit den gewoͤhn-
lichen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0033"n="11"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſtes Buch, drittes Capitel.</hi></fw><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Drittes Capitel.</hi><lb/>
Unvermuthete Unterbrechung des Bacchus-<lb/>
Feſtes.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>ine Schaar Ciliciſcher Seeraͤuber, welche friſches<lb/>
Waſſer einzunehmen bey naͤchtlicher Weile an dieſer Kuͤ-<lb/>ſte gelaͤndet, hatten von fern das Getuͤmmel der Bac-<lb/>
chantinnen gehoͤrt, und ſogleich fuͤr einen Aufruf zu einer<lb/>
anſehnlichen Beute aufgenommen. Sie erinnerten ſich,<lb/>
daß die vornehmſten Frauen dieſer Gegend die geheim-<lb/>
nißvollen Orgya um dieſe Zeit zu begehen pflegten;<lb/>
und daß ſie, wenn ſie ſich zu ſolchem Ende verſammel-<lb/>
ten, in ihrem ſchoͤnſten Puz aufzuziehen pflegten, ob<lb/>ſie gleich vor Beſteigung des Berges ſich deſſen wieder<lb/>
entledigten, und alles biß zu ihrer Wiederkunft von ei-<lb/>
ner Anzahl Sclavinnen bewachen lieſſen. Die Hof-<lb/>
nung, außer dieſen Weibern, von denen ſie die ſchoͤnſten<lb/>
fuͤr die Aſtatiſchen Harems beſtimmten, eine Menge<lb/>
von koſtbaren Kleidern und Juwelen zu erbeuten, ſchien<lb/>
ihnen wohl werth, ſich etwas laͤnger aufzuhalten. Sie<lb/>
theilten ſich alſo in zween Haufen, davon der eine ſich<lb/>
derer bemaͤchtigte, welche die Kleider huͤteten, indeſſen<lb/>
daß die uͤbrigen den Berg beſtiegen, und mit großem<lb/>
Geſchrey unter die Thracierinnen einſtuͤrmend, ſich von<lb/>
ihnen Meiſter machten, ehe ſie Zeit oder Muth hatten,<lb/>ſich zur Wehr zu ſezen. Die Umſtaͤnde waren aller-<lb/>
dings ſo beſchaffen, daß ſie ſich allein mit den gewoͤhn-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lichen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[11/0033]
Erſtes Buch, drittes Capitel.
Drittes Capitel.
Unvermuthete Unterbrechung des Bacchus-
Feſtes.
Eine Schaar Ciliciſcher Seeraͤuber, welche friſches
Waſſer einzunehmen bey naͤchtlicher Weile an dieſer Kuͤ-
ſte gelaͤndet, hatten von fern das Getuͤmmel der Bac-
chantinnen gehoͤrt, und ſogleich fuͤr einen Aufruf zu einer
anſehnlichen Beute aufgenommen. Sie erinnerten ſich,
daß die vornehmſten Frauen dieſer Gegend die geheim-
nißvollen Orgya um dieſe Zeit zu begehen pflegten;
und daß ſie, wenn ſie ſich zu ſolchem Ende verſammel-
ten, in ihrem ſchoͤnſten Puz aufzuziehen pflegten, ob
ſie gleich vor Beſteigung des Berges ſich deſſen wieder
entledigten, und alles biß zu ihrer Wiederkunft von ei-
ner Anzahl Sclavinnen bewachen lieſſen. Die Hof-
nung, außer dieſen Weibern, von denen ſie die ſchoͤnſten
fuͤr die Aſtatiſchen Harems beſtimmten, eine Menge
von koſtbaren Kleidern und Juwelen zu erbeuten, ſchien
ihnen wohl werth, ſich etwas laͤnger aufzuhalten. Sie
theilten ſich alſo in zween Haufen, davon der eine ſich
derer bemaͤchtigte, welche die Kleider huͤteten, indeſſen
daß die uͤbrigen den Berg beſtiegen, und mit großem
Geſchrey unter die Thracierinnen einſtuͤrmend, ſich von
ihnen Meiſter machten, ehe ſie Zeit oder Muth hatten,
ſich zur Wehr zu ſezen. Die Umſtaͤnde waren aller-
dings ſo beſchaffen, daß ſie ſich allein mit den gewoͤhn-
lichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/33>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.