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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Von der Ehrenachtbarkeit Das XV.
solte dahero das Vest und Ehrenvest aller Personen ihr Essential-
Titul seyn.

Denn so bald sie nicht vest sind/ so sind sie durchbrüchig/ wie
hernach folgen wird/ das ist Treubrüchig/ welches das gröste
politische Laster ist. Das übrige als die Hoch-Wohl oder Vor-
achtbarkeit/ läst sich nach proportion zumessen/ nur daß ein jeder
zum wenigsten etwas achtbar verbleibe/ denn sonst fällt er in die
Affter-Welt hinein.

§. 9. Nach solcher unter schiedenen Quantität der Achtbar-
keit werden auch die Personen zumal in gemeinen Geniesungen
unterschiedlich tractiret. Denn ob gleich die natürlichen Perso-
nen einander gleich sind/ so kan doch das gemeine Wesen bey sol-
cher Gleichheit so wenig/ als die Arithmetic bey gleicher Geltung
derer Ziffern/ bestehen/ sondern muß nothwendig zum förmlichen
Unterscheid auch unterschiedene Quantitäten der Geltung und
Achtbarkeit/ bey denen Personen setzen/ damit die zum gewünsch-
ten Leben nach solcher Quantität nothwendig unterschiedene Ver-
richtungen (als regieren/ pariren) ihren gebührenden Nach-
druck haben mögen. Wie denn auch sonst die Qualität/ das ist/
die genaue Ermessung (nicht die blosse Benennung) eines Din-
ges das vornehmste Stück so wohl aller anderer/ als insonder-
heit derer Moralischen Wissenschafften ist/ welche durch gewisse
Zahlen der proportion zwischen den Qualitäten und ihren Maß/
ausgesprochen werden muß/ dergleichen sich stracks bey der er-
sten Qualität mit so grosser Varietät und Unterschied ereignet.

§. 10. Derowegen wiewohl die Achtbarkeit und Existima-
tion,
so ferne sie gantz unermessen ist/ und nur eine blosse Benen-
nung giebet/ von allen gültigen Personen auff einerley Weiß (ex
aequo
sprechen die Schul-Lehrer) gesaget werden kan; so findet
man sie doch in der That/ wenn man das Sagewerck appliciren
will/ bey den Personen nicht ex aequo, sondern ungleich außgethei-
let bey einer mehr bey der andern weniger davon/ nach dem diesel-
be in einem engen oder weiten Bezirck der Ansehligkeit sich befin-
det. Eben als wie die Extension und Grösse gleichsam der Cör-
per ihre Achtbarkeit und Existimation, (als eine blosse Qualität
und Gegenstand eines jeden Theils im gantzen ausser dem an-

dern)

Von der Ehrenachtbarkeit Das XV.
ſolte dahero das Veſt und Ehrenveſt aller Perſonen ihr Eſſential-
Titul ſeyn.

Denn ſo bald ſie nicht veſt ſind/ ſo ſind ſie durchbruͤchig/ wie
hernach folgen wird/ das iſt Treubruͤchig/ welches das groͤſte
politiſche Laſter iſt. Das uͤbrige als die Hoch-Wohl oder Vor-
achtbarkeit/ laͤſt ſich nach proportion zumeſſen/ nur daß ein jeder
zum wenigſten etwas achtbar verbleibe/ denn ſonſt faͤllt er in die
Affter-Welt hinein.

§. 9. Nach ſolcher unter ſchiedenen Quantitaͤt der Achtbar-
keit werden auch die Perſonen zumal in gemeinen Genieſungen
unterſchiedlich tractiret. Denn ob gleich die natuͤrlichen Perſo-
nen einander gleich ſind/ ſo kan doch das gemeine Weſen bey ſol-
cher Gleichheit ſo wenig/ als die Arithmetic bey gleicher Geltung
derer Ziffern/ beſtehen/ ſondern muß nothwendig zum foͤrmlichen
Unterſcheid auch unterſchiedene Quantitaͤten der Geltung und
Achtbarkeit/ bey denen Perſonen ſetzen/ damit die zum gewuͤnſch-
ten Leben nach ſolcher Quantitaͤt nothwendig unterſchiedene Ver-
richtungen (als regieren/ pariren) ihren gebuͤhrenden Nach-
druck haben moͤgen. Wie denn auch ſonſt die Qualitaͤt/ das iſt/
die genaue Ermeſſung (nicht die bloſſe Benennung) eines Din-
ges das vornehmſte Stuͤck ſo wohl aller anderer/ als inſonder-
heit derer Moraliſchen Wiſſenſchafften iſt/ welche durch gewiſſe
Zahlen der proportion zwiſchen den Qualitaͤten und ihren Maß/
ausgeſprochen werden muß/ dergleichen ſich ſtracks bey der er-
ſten Qualitaͤt mit ſo groſſer Varietaͤt und Unterſchied ereignet.

§. 10. Derowegen wiewohl die Achtbarkeit und Exiſtima-
tion,
ſo ferne ſie gantz unermeſſen iſt/ und nur eine bloſſe Benen-
nung giebet/ von allen guͤltigen Perſonen auff einerley Weiß (ex
æquo
ſprechen die Schul-Lehrer) geſaget werden kan; ſo findet
man ſie doch in der That/ wenn man das Sagewerck appliciren
will/ bey den Perſonen nicht ex æquo, ſondern ungleich außgethei-
let bey einer mehr bey der andern weniger davon/ nach dem dieſel-
be in einem engen oder weiten Bezirck der Anſehligkeit ſich befin-
det. Eben als wie die Extenſion und Groͤſſe gleichſam der Coͤr-
per ihre Achtbarkeit und Exiſtimation, (als eine bloſſe Qualitaͤt
und Gegenſtand eines jeden Theils im gantzen auſſer dem an-

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[104/0114] Von der Ehrenachtbarkeit Das XV. ſolte dahero das Veſt und Ehrenveſt aller Perſonen ihr Eſſential- Titul ſeyn. Denn ſo bald ſie nicht veſt ſind/ ſo ſind ſie durchbruͤchig/ wie hernach folgen wird/ das iſt Treubruͤchig/ welches das groͤſte politiſche Laſter iſt. Das uͤbrige als die Hoch-Wohl oder Vor- achtbarkeit/ laͤſt ſich nach proportion zumeſſen/ nur daß ein jeder zum wenigſten etwas achtbar verbleibe/ denn ſonſt faͤllt er in die Affter-Welt hinein. §. 9. Nach ſolcher unter ſchiedenen Quantitaͤt der Achtbar- keit werden auch die Perſonen zumal in gemeinen Genieſungen unterſchiedlich tractiret. Denn ob gleich die natuͤrlichen Perſo- nen einander gleich ſind/ ſo kan doch das gemeine Weſen bey ſol- cher Gleichheit ſo wenig/ als die Arithmetic bey gleicher Geltung derer Ziffern/ beſtehen/ ſondern muß nothwendig zum foͤrmlichen Unterſcheid auch unterſchiedene Quantitaͤten der Geltung und Achtbarkeit/ bey denen Perſonen ſetzen/ damit die zum gewuͤnſch- ten Leben nach ſolcher Quantitaͤt nothwendig unterſchiedene Ver- richtungen (als regieren/ pariren) ihren gebuͤhrenden Nach- druck haben moͤgen. Wie denn auch ſonſt die Qualitaͤt/ das iſt/ die genaue Ermeſſung (nicht die bloſſe Benennung) eines Din- ges das vornehmſte Stuͤck ſo wohl aller anderer/ als inſonder- heit derer Moraliſchen Wiſſenſchafften iſt/ welche durch gewiſſe Zahlen der proportion zwiſchen den Qualitaͤten und ihren Maß/ ausgeſprochen werden muß/ dergleichen ſich ſtracks bey der er- ſten Qualitaͤt mit ſo groſſer Varietaͤt und Unterſchied ereignet. §. 10. Derowegen wiewohl die Achtbarkeit und Exiſtima- tion, ſo ferne ſie gantz unermeſſen iſt/ und nur eine bloſſe Benen- nung giebet/ von allen guͤltigen Perſonen auff einerley Weiß (ex æquo ſprechen die Schul-Lehrer) geſaget werden kan; ſo findet man ſie doch in der That/ wenn man das Sagewerck appliciren will/ bey den Perſonen nicht ex æquo, ſondern ungleich außgethei- let bey einer mehr bey der andern weniger davon/ nach dem dieſel- be in einem engen oder weiten Bezirck der Anſehligkeit ſich befin- det. Eben als wie die Extenſion und Groͤſſe gleichſam der Coͤr- per ihre Achtbarkeit und Exiſtimation, (als eine bloſſe Qualitaͤt und Gegenſtand eines jeden Theils im gantzen auſſer dem an- dern)

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/114>, abgerufen am 26.04.2024.