Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.[Spaltenumbruch]
Vergaffen. * Er hat sich in sie vergafft. Auf eine Weise verliebt, die seinem Verstande wenig Mitwirkung zugelassen. Frz.: Le coiffer d'une personne. (Lendroy, 461.) Vergangen. 1 Vergangen soll man bedächtlich achten, zukünfftig soll man betrachten; das gegenwertig soll man ordinieren, so kann man alsdann ein gut Leben führen. - Gruter, III, 87; Lehmann, II, 796, 17; Chaos, 141. Dän.: En forstandig husker det forgangne, beskikker det naervaerende, og forseer det tilkommende. (Prov. dan., 186.) Lat.: Corrige praeteritum, praesens rege, cerne futurum. (Egeria, 40.) 2 Was vergangen ist, soll man vergangen sein lassen. 3 Was vergangen, soll man vergessen und das Künftige richtig messen. Lat.: Quod fuit tege, quod ante rege. (Binder II, 2878.) *4 Es ist jm lengest vergangen. - Franck, II, 35b. Vergangenes. 1 Das vergangene bedächtlich erachten, das zukünfftig wol vnd reiff betrachten. - Zinkgref, IV, 375. 2 Drey Vergangene soll der Mensch betrachten: das Gut, so unterlassen, das Böse, so er gethan, die Zeit, so er versäumt; drey Gegenwärtige: wie das Leben so flüchtig, die Zeit so nichtig, wie wenig des Himmels tüchtig; drey Zukünftige: den bittern Tod, das erschreckliche Gericht und die unbeschreibliche Höllenpein. - Chaos, 1010. 3 Wer Vergang'nes betracht't, Gegenwärtiges hält in Acht und Zukünftiges ermessen kann, der ist gewiss ein kluger Mann. Vergangenheit. * Er hat eine Vergangenheit. Wol nur im bessern Sinne von jemand, der sich auf sein früher pflichttreues, erfolgreiches Wirken berufen kann. Vergänglich. * Es ist alles vergänglich. Lat.: Gutta cavat lapidem, consumitur annulus usu et teritur pressa vomer aduncus humo. (Ovid.) (Philippi, I, 172.) - Nil non mortale tenemus. (Ovid.) (Philippi, II, 27.) Vergatten. Twe vergat1 sick, dre de slat sick. (Holst.) - Schütze, II, 2. 1) Nach dem Bremer Wb. unter vergatten gestellt; bei Schütze a. a. O. steht es unter (ver-)gehen. Der Spruch wird von Liebeshändeln, wobei der dritte im Wege ist, auch von Theilungen gebraucht. Vergeben. 1 Andern vergib viel, dir selbst nichts. Dän.: Forlad andre, men ei dig selv. (Prov. dan., 179.) It.: Condona i falli d'altrui ma non i tuoi propri. 2 Bald ist's vergeben, aber langsam vergessen. - Pistor., IV, 20. 3 Einmal stehet zu vergeben. - Henisch, 1381, 5. Lat.: Non licet in bello bis peccare. - Peccare idem bis, haud viri sapientis est. (Henisch, 1381, 6.) 4 Einmal vergibt's der Pfarrer. Ein einmaliges Versehen, Vergehen wird entschuldigt, verziehen; auch wol von gefallenen Mädchen. 5 Es sei vergeben und vergessen. - Braun, I, 4728. Engl.: Forgive and forget. (Bohn II, 357.) 6 Ich vergef di 't, Jann, man denk du daran, seggt de en Schipper tegen de ander. - Kern, 383. 7 Ich will dir's vergeben, sprach der Schwabe; aber, Jokele, denk' du dran. - Eiselein, 914; Simrock, 10848. 8 Ich will es dir vergeben, sagte der Abt zum Marstaller, aber, Küchenmeister, denkt ihr daran. - Klosterspiegel, 28, 4. 9 Man mutt ni blot (blos) vergänn, sondern ak vergäten. (Rendsburg.) 10 Mancher vergibt, vergisst aber nicht. 11 Vergeben ist billiger dann tödten. - Henisch, 1381, 7. [Spaltenumbruch] 12 Vergeben ist die beste (rechte) Rache. - Lohrengel, I, 666. Engl.: Come let's be friends, and put out the Devil's eye. - Forgiveness and smile is the best revenge. (Gaal, 1268.) It.: V'ha piu onore nel perdonare, che piacere nella vendetta. (Gaal, 1268.) 13 Vergeben ist leichter als Vergessen. - Körte, 6266; Braun, I, 4729. 14 Vergeben ist nicht vergessen. - Simrock, 10846. Lat.: Cum inimico nemo in gratiam tuto redit. (Philippi, I, 102.) 15 Vergeben will ich es wol, aber vergessen kann ich es nicht. - Eiselein, 617. Dän.: Mangen forlader, men ei forgietter. (Prov. dan., 179.) 16 Vergebu ist unebu. - Sutermeister, 128. 17 Was man vergibt, das hat man nit. - Henisch, 1613, 50; Petri, III, 12. 18 Wer vergeben kann, hat sich genug gerochen. Schwed.: Förlata är högsta hämd. (Grubb, 238.) *19 Er hat es vergeben, wie der Krämer den Safran. *20 Es ist ihm wol vergeben, aber nit vergessen. *21 Es ist vergeben und vergessen. - Körte, 6225. *22 Hei möcht em möt e Löpel Water vergewe (vergiften). - Frischbier2, 3898. *23 Ich wil dirs wol vergeben, ich wil dirs aber gleichwol gedencken. - Agricola I, 340; Gruter, I, 50; Egenolff, 134b; Eiselein, 214; Simrock, 10847; Sailer, 384; Ramann, Samml., I, 485. Lat.: Ignoscendum ex animo. - Manet alta mente repostum. (Virgil.) (Binder II, 1787.) - Offensa ex animo sic condonanda precanti est, illius ut nunquam post meminisse velis. (Glandorp, 89, 187.) Schwed.: Mangen förlater, men intet förgjäter. (Grubb, 552.) Vergebens. 1 Es ist nicht vergebens, dass die Leuthe wilde Thiere im Schilde führen, es ist jhr art. - Henisch, 1284, 4. 2 Es ist vergebens, den Stall zumachen, wenn die Kuh heraus ist. 3 Es ist vergebens, wenn man sich mit einem paar Hosen deckt. - Lehmann, 779, 15. 4 Vergebens ist all' Müh' und Kunst, wo Gott nicht gibt sein Huld und Gunst. Vergebisfresser. * Er ist en Vergäbisfrässer. - Sutermeister, 85. Steht in der Quellenschrift mit einer Redensart zusammen, die einen Schmarotzer bezeichnet. (S. Maul 483.) Vergeblich. 1 Es ist vergeblich, das Netz auswerfen vor den Augen der Vögel. 2 Es ist vergeblich, einen Mohren wollen weiss waschen. - Körte, 4278. Vergebung. 1 Wenn du Vergebung hoffst von dem, der über dir steht, so verzeihe auch dem, der unter dir ist. 2 Wer nach der Vergebung sündigt, ist doppelter Strafe werth. 3 Wer Vergebung bedarff, der sol auch desto williger andern vergeben. - Henisch, 230, 67. 4 Wer will Vergebung han, muss das Unrecht lan. It.: Dio perdona a chi l'offende mu non all' huom che toglie, e poi non rende. ( Pazzaglia, 90, 11.) 5 Wiltu Vergebung der Sünden han, so muss der Beutel offen stahn. - Zeiller, 58. Lat.: Ut tibi sit poenae venia, sit aperta crumena. (Zeiller, 58.) *6 Er soll Vergebung seiner Sünden erlangen, wenn der Teufel sie erhält. - Simrock, 10218. Vergehen (Subst.). 1 Ein bekanntes (eingestandenes) Vergehen ist halb nicht geschehen. It.: Chi non conosce d'hauer errato, non merita che gli sia perdonato. (Pazzaglia, 282, 1.) 2 Kein Vergehen, es hat seinen Stachel. Die Chinesen sagen: Kein Verbrechen ohne Gewissensbisse, und keine Gewissensbisse ohne Verbrechen. (Cibot, 174.) [Spaltenumbruch]
Vergaffen. * Er hat sich in sie vergafft. Auf eine Weise verliebt, die seinem Verstande wenig Mitwirkung zugelassen. Frz.: Le coiffer d'une personne. (Lendroy, 461.) Vergangen. 1 Vergangen soll man bedächtlich achten, zukünfftig soll man betrachten; das gegenwertig soll man ordinieren, so kann man alsdann ein gut Leben führen. – Gruter, III, 87; Lehmann, II, 796, 17; Chaos, 141. Dän.: En forstandig husker det forgangne, beskikker det nærværende, og forseer det tilkommende. (Prov. dan., 186.) Lat.: Corrige praeteritum, praesens rege, cerne futurum. (Egeria, 40.) 2 Was vergangen ist, soll man vergangen sein lassen. 3 Was vergangen, soll man vergessen und das Künftige richtig messen. Lat.: Quod fuit tege, quod ante rege. (Binder II, 2878.) *4 Es ist jm lengest vergangen. – Franck, II, 35b. 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Vergaffen.
* Er hat sich in sie vergafft.
Auf eine Weise verliebt, die seinem Verstande wenig Mitwirkung zugelassen.
Frz.: Le coiffer d'une personne. (Lendroy, 461.)
Vergangen.
1 Vergangen soll man bedächtlich achten, zukünfftig soll man betrachten; das gegenwertig soll man ordinieren, so kann man alsdann ein gut Leben führen. – Gruter, III, 87; Lehmann, II, 796, 17; Chaos, 141.
Dän.: En forstandig husker det forgangne, beskikker det nærværende, og forseer det tilkommende. (Prov. dan., 186.)
Lat.: Corrige praeteritum, praesens rege, cerne futurum. (Egeria, 40.)
2 Was vergangen ist, soll man vergangen sein lassen.
3 Was vergangen, soll man vergessen und das Künftige richtig messen.
Lat.: Quod fuit tege, quod ante rege. (Binder II, 2878.)
*4 Es ist jm lengest vergangen. – Franck, II, 35b.
Vergangenes.
1 Das vergangene bedächtlich erachten, das zukünfftig wol vnd reiff betrachten. – Zinkgref, IV, 375.
2 Drey Vergangene soll der Mensch betrachten: das Gut, so unterlassen, das Böse, so er gethan, die Zeit, so er versäumt; drey Gegenwärtige: wie das Leben so flüchtig, die Zeit so nichtig, wie wenig des Himmels tüchtig; drey Zukünftige: den bittern Tod, das erschreckliche Gericht und die unbeschreibliche Höllenpein. – Chaos, 1010.
3 Wer Vergang'nes betracht't, Gegenwärtiges hält in Acht und Zukünftiges ermessen kann, der ist gewiss ein kluger Mann.
Vergangenheit.
* Er hat eine Vergangenheit.
Wol nur im bessern Sinne von jemand, der sich auf sein früher pflichttreues, erfolgreiches Wirken berufen kann.
Vergänglich.
* Es ist alles vergänglich.
Lat.: Gutta cavat lapidem, consumitur annulus usu et teritur pressa vomer aduncus humo. (Ovid.) (Philippi, I, 172.) – Nil non mortale tenemus. (Ovid.) (Philippi, II, 27.)
Vergatten.
Twê vergât1 sick, drê de slât sick. (Holst.) – Schütze, II, 2.
1) Nach dem Bremer Wb. unter vergatten gestellt; bei Schütze a. a. O. steht es unter (ver-)gehen. Der Spruch wird von Liebeshändeln, wobei der dritte im Wege ist, auch von Theilungen gebraucht.
Vergeben.
1 Andern vergib viel, dir selbst nichts.
Dän.: Forlad andre, men ei dig selv. (Prov. dan., 179.)
It.: Condona i falli d'altrui ma non i tuoi propri.
2 Bald ist's vergeben, aber langsam vergessen. – Pistor., IV, 20.
3 Einmal stehet zu vergeben. – Henisch, 1381, 5.
Lat.: Non licet in bello bis peccare. – Peccare idem bis, haud viri sapientis est. (Henisch, 1381, 6.)
4 Einmal vergibt's der Pfarrer.
Ein einmaliges Versehen, Vergehen wird entschuldigt, verziehen; auch wol von gefallenen Mädchen.
5 Es sei vergeben und vergessen. – Braun, I, 4728.
Engl.: Forgive and forget. (Bohn II, 357.)
6 Ich vergêf di 't, Jann, man denk du daran, seggt de ên Schipper tegen de ander. – Kern, 383.
7 Ich will dir's vergeben, sprach der Schwabe; aber, Jokele, denk' du dran. – Eiselein, 914; Simrock, 10848.
8 Ich will es dir vergeben, sagte der Abt zum Marstaller, aber, Küchenmeister, denkt ihr daran. – Klosterspiegel, 28, 4.
9 Man mutt ni blot (blos) vergänn, sondern ak vergäten. (Rendsburg.)
10 Mancher vergibt, vergisst aber nicht.
11 Vergeben ist billiger dann tödten. – Henisch, 1381, 7.
12 Vergeben ist die beste (rechte) Rache. – Lohrengel, I, 666.
Engl.: Come let's be friends, and put out the Devil's eye. – Forgiveness and smile is the best revenge. (Gaal, 1268.)
It.: V'ha più onore nel perdonare, che piacere nella vendetta. (Gaal, 1268.)
13 Vergeben ist leichter als Vergessen. – Körte, 6266; Braun, I, 4729.
14 Vergeben ist nicht vergessen. – Simrock, 10846.
Lat.: Cum inimico nemo in gratiam tuto redit. (Philippi, I, 102.)
15 Vergeben will ich es wol, aber vergessen kann ich es nicht. – Eiselein, 617.
Dän.: Mangen forlader, men ei forgietter. (Prov. dan., 179.)
16 Vergebu ist unebu. – Sutermeister, 128.
17 Was man vergibt, das hat man nit. – Henisch, 1613, 50; Petri, III, 12.
18 Wer vergeben kann, hat sich genug gerochen.
Schwed.: Förlåta är högsta hämd. (Grubb, 238.)
*19 Er hat es vergeben, wie der Krämer den Safran.
*20 Es ist ihm wol vergeben, aber nit vergessen.
*21 Es ist vergeben und vergessen. – Körte, 6225.
*22 Hei möcht em möt e Löpel Water vergewe (vergiften). – Frischbier2, 3898.
*23 Ich wil dirs wol vergeben, ich wil dirs aber gleichwol gedencken. – Agricola I, 340; Gruter, I, 50; Egenolff, 134b; Eiselein, 214; Simrock, 10847; Sailer, 384; Ramann, Samml., I, 485.
Lat.: Ignoscendum ex animo. – Manet alta mente repostum. (Virgil.) (Binder II, 1787.) – Offensa ex animo sic condonanda precanti est, illius ut nunquam post meminisse velis. (Glandorp, 89, 187.)
Schwed.: Mången förlåter, men intet förgjäter. (Grubb, 552.)
Vergebens.
1 Es ist nicht vergebens, dass die Leuthe wilde Thiere im Schilde führen, es ist jhr art. – Henisch, 1284, 4.
2 Es ist vergebens, den Stall zumachen, wenn die Kuh heraus ist.
3 Es ist vergebens, wenn man sich mit einem paar Hosen deckt. – Lehmann, 779, 15.
4 Vergebens ist all' Müh' und Kunst, wo Gott nicht gibt sein Huld und Gunst.
Vergebisfresser.
* Er ist en Vergäbisfrässer. – Sutermeister, 85.
Steht in der Quellenschrift mit einer Redensart zusammen, die einen Schmarotzer bezeichnet. (S. Maul 483.)
Vergeblich.
1 Es ist vergeblich, das Netz auswerfen vor den Augen der Vögel.
2 Es ist vergeblich, einen Mohren wollen weiss waschen. – Körte, 4278.
Vergebung.
1 Wenn du Vergebung hoffst von dem, der über dir steht, so verzeihe auch dem, der unter dir ist.
2 Wer nach der Vergebung sündigt, ist doppelter Strafe werth.
3 Wer Vergebung bedarff, der sol auch desto williger andern vergeben. – Henisch, 230, 67.
4 Wer will Vergebung han, muss das Unrecht lan.
It.: Dio perdona a chi l'offende mu non all' huom che toglie, e poi non rende. ( Pazzaglia, 90, 11.)
5 Wiltu Vergebung der Sünden han, so muss der Beutel offen stahn. – Zeiller, 58.
Lat.: Ut tibi sit poenae venia, sit aperta crumena. (Zeiller, 58.)
*6 Er soll Vergebung seiner Sünden erlangen, wenn der Teufel sie erhält. – Simrock, 10218.
Vergehen (Subst.).
1 Ein bekanntes (eingestandenes) Vergehen ist halb nicht geschehen.
It.: Chi non conosce d'hauer errato, non merita che gli sia perdonato. (Pazzaglia, 282, 1.)
2 Kein Vergehen, es hat seinen Stachel.
Die Chinesen sagen: Kein Verbrechen ohne Gewissensbisse, und keine Gewissensbisse ohne Verbrechen. (Cibot, 174.)
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Zitationshilfe: | Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [772]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/778>, abgerufen am 23.07.2024. |