Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

gepriesenen Mannes zu arbeiten. Als er
aber mit seinen Kopieen gar nicht zu Stande
kommen konnte, und nicht wußte, woran es
lag, legte er ungeduldig den Pinsel aus der
Hand, besann sich was er thun wollte, und
setzte endlich folgendes Schreiben auf:

"An den allervortrefflichsten Mahler,
Raphael von Urbino."

"Vergebt mir, daß ich nicht weiß, wie
ich Euch anreden soll, denn Ihr seyd ein un¬
begreiflicher und außerordentlicher Mann;
und ich bin überdies gar nicht geübt, die
Feder zu führen. Ich habe auch lange bey
mir überlegt, ob es wohl schicklich sey, daß
ich Euch schriebe, ohne Euch von Person je¬
mals gesehn zu haben. Aber da man ja
überall von Eurer leutseligen und freund¬
lichen Gemüthsart reden hört, so habe ich
mich es endlich unterstanden."

geprieſenen Mannes zu arbeiten. Als er
aber mit ſeinen Kopieen gar nicht zu Stande
kommen konnte, und nicht wußte, woran es
lag, legte er ungeduldig den Pinſel aus der
Hand, beſann ſich was er thun wollte, und
ſetzte endlich folgendes Schreiben auf:

»An den allervortrefflichſten Mahler,
Raphael von Urbino.«

»Vergebt mir, daß ich nicht weiß, wie
ich Euch anreden ſoll, denn Ihr ſeyd ein un¬
begreiflicher und außerordentlicher Mann;
und ich bin überdies gar nicht geübt, die
Feder zu führen. Ich habe auch lange bey
mir überlegt, ob es wohl ſchicklich ſey, daß
ich Euch ſchriebe, ohne Euch von Perſon je¬
mals geſehn zu haben. Aber da man ja
überall von Eurer leutſeligen und freund¬
lichen Gemüthsart reden hört, ſo habe ich
mich es endlich unterſtanden.«

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="43"/>
geprie&#x017F;enen Mannes zu arbeiten. Als er<lb/>
aber mit &#x017F;einen Kopieen gar nicht zu Stande<lb/>
kommen konnte, und nicht wußte, woran es<lb/>
lag, legte er ungeduldig den Pin&#x017F;el aus der<lb/>
Hand, be&#x017F;ann &#x017F;ich was er thun wollte, und<lb/>
&#x017F;etzte endlich folgendes Schreiben auf:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p rendition="#et">»An den allervortrefflich&#x017F;ten Mahler,<lb/>
Raphael von Urbino.«</p><lb/>
              <p>»Vergebt mir, daß ich nicht weiß, wie<lb/>
ich Euch anreden &#x017F;oll, denn Ihr &#x017F;eyd ein un¬<lb/>
begreiflicher und außerordentlicher Mann;<lb/>
und ich bin überdies gar nicht geübt, die<lb/>
Feder zu führen. Ich habe auch lange bey<lb/>
mir überlegt, ob es wohl &#x017F;chicklich &#x017F;ey, daß<lb/>
ich Euch &#x017F;chriebe, ohne Euch von Per&#x017F;on je¬<lb/>
mals ge&#x017F;ehn zu haben. Aber da man ja<lb/>
überall von Eurer leut&#x017F;eligen und freund¬<lb/>
lichen Gemüthsart reden hört, &#x017F;o habe ich<lb/>
mich es endlich unter&#x017F;tanden.«<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0051] geprieſenen Mannes zu arbeiten. Als er aber mit ſeinen Kopieen gar nicht zu Stande kommen konnte, und nicht wußte, woran es lag, legte er ungeduldig den Pinſel aus der Hand, beſann ſich was er thun wollte, und ſetzte endlich folgendes Schreiben auf: »An den allervortrefflichſten Mahler, Raphael von Urbino.« »Vergebt mir, daß ich nicht weiß, wie ich Euch anreden ſoll, denn Ihr ſeyd ein un¬ begreiflicher und außerordentlicher Mann; und ich bin überdies gar nicht geübt, die Feder zu führen. Ich habe auch lange bey mir überlegt, ob es wohl ſchicklich ſey, daß ich Euch ſchriebe, ohne Euch von Perſon je¬ mals geſehn zu haben. Aber da man ja überall von Eurer leutſeligen und freund¬ lichen Gemüthsart reden hört, ſo habe ich mich es endlich unterſtanden.«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/51
Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/51>, abgerufen am 21.12.2024.