Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.Die Muse. Dieser Jüngling hier war Raphael. Der Jüngling. Dieser Jüngling? -- Unerforschlich, Gott!
Sind Deine Wege, Unerforschlich die tiefen Wunder der Kunst! Dieses heitre, unbefangne Auge Sah auf selbsterschaffne Christusbilder, Madonnen, Heilige und Apostel, Und alte Weisen, und wilde Schlachten! -- Ach! er scheint nicht älter als ich selber. Über kleine frohe Spiele scheint er sinnend, Und das Sinnen wieder scheint ihm Spiel. Wie ich mich ihm so nah, ach! so vertraulich fühle! Wie kein Ernst, kein hoher Greisesstolz Mich Armen rückwärts hält, -- wie ich ihm an die Brust Mit Weinen sinken möchte, und in Freude vergehn! Ach! er würde mich gern in seine Arme nehmen, Und freundlich mich über meine Bewunderung, Über mein Glück zu trösten suchen. -- Die Muſe. Dieſer Jüngling hier war Raphael. Der Jüngling. Dieſer Jüngling? — Unerforſchlich, Gott!
Sind Deine Wege, Unerforſchlich die tiefen Wunder der Kunſt! Dieſes heitre, unbefangne Auge Sah auf ſelbſterſchaffne Chriſtusbilder, Madonnen, Heilige und Apoſtel, Und alte Weiſen, und wilde Schlachten! — Ach! er ſcheint nicht älter als ich ſelber. Über kleine frohe Spiele ſcheint er ſinnend, Und das Sinnen wieder ſcheint ihm Spiel. Wie ich mich ihm ſo nah, ach! ſo vertraulich fühle! Wie kein Ernſt, kein hoher Greiſesſtolz Mich Armen rückwärts hält, — wie ich ihm an die Bruſt Mit Weinen ſinken möchte, und in Freude vergehn! Ach! er würde mich gern in ſeine Arme nehmen, Und freundlich mich über meine Bewunderung, Über mein Glück zu tröſten ſuchen. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0206" n="198"/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Die Muſe</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Dieſer Jüngling hier war <hi rendition="#g">Raphael</hi>.</l><lb/> </lg> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Der Jüngling</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dieſer Jüngling? — Unerforſchlich, Gott!</l><lb/> <l>Sind Deine Wege,</l><lb/> <l>Unerforſchlich die tiefen Wunder der Kunſt!</l><lb/> <l>Dieſes heitre, unbefangne Auge</l><lb/> <l>Sah auf ſelbſterſchaffne Chriſtusbilder,</l><lb/> <l>Madonnen, Heilige und Apoſtel,</l><lb/> <l>Und alte Weiſen, und wilde Schlachten! —</l><lb/> <l>Ach! er ſcheint nicht älter als ich ſelber.</l><lb/> <l>Über kleine frohe Spiele ſcheint er ſinnend,</l><lb/> <l>Und das Sinnen wieder ſcheint ihm Spiel.</l><lb/> <l>Wie ich mich ihm ſo nah, ach! ſo vertraulich fühle!</l><lb/> <l>Wie kein Ernſt, kein hoher Greiſesſtolz</l><lb/> <l>Mich Armen rückwärts hält, — wie ich ihm an die</l><lb/> <l>Bruſt</l><lb/> <l>Mit Weinen ſinken möchte, und in Freude vergehn!</l><lb/> <l>Ach! er würde mich gern in ſeine Arme nehmen,</l><lb/> <l>Und freundlich mich über meine Bewunderung,</l><lb/> <l>Über mein Glück zu tröſten ſuchen. —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0206]
Die Muſe.
Dieſer Jüngling hier war Raphael.
Der Jüngling.
Dieſer Jüngling? — Unerforſchlich, Gott!
Sind Deine Wege,
Unerforſchlich die tiefen Wunder der Kunſt!
Dieſes heitre, unbefangne Auge
Sah auf ſelbſterſchaffne Chriſtusbilder,
Madonnen, Heilige und Apoſtel,
Und alte Weiſen, und wilde Schlachten! —
Ach! er ſcheint nicht älter als ich ſelber.
Über kleine frohe Spiele ſcheint er ſinnend,
Und das Sinnen wieder ſcheint ihm Spiel.
Wie ich mich ihm ſo nah, ach! ſo vertraulich fühle!
Wie kein Ernſt, kein hoher Greiſesſtolz
Mich Armen rückwärts hält, — wie ich ihm an die
Bruſt
Mit Weinen ſinken möchte, und in Freude vergehn!
Ach! er würde mich gern in ſeine Arme nehmen,
Und freundlich mich über meine Bewunderung,
Über mein Glück zu tröſten ſuchen. —
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