Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Odüßee.
Zweiundzwanzigster Gesang
.


Jezo entblößte sich von den Lumpen der weise Odüßeus,
Sprang auf die hohe Schwell', und hielt in den Händen den Bogen
Samt dem gefüllten Köcher; er goß die gefiederten Pfeile
Hin vor sich auf die Erd', und sprach zu der Freier Versammlung:

Diesen furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab' ich vollendet!5
Jezo wähl' ich ein Ziel, das noch kein Schüze getroffen,
Ob ichs treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet.

Sprachs, und Autinoos traf er mit bitterm Todesgeschoße.
Dieser wollte vom Tisch das zweigehenkelte schöne
Goldne Geschirr aufheben, und faßt' es schon mit den Händen,10
Daß er tränke des Weins; allein von seiner Ermordung
Ahndet' ihm nichts: und wer in der schmausenden Männer Gesellschaft
Hätte geglaubt, daß Einer, und wenn er der Tapferste wäre,
Unter so vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten!
Aber Odüßeus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel,15
Daß im zarten Genick die Spize wieder hervordrang.
Und er sank zur Seite hinab; der Becher voll Weines
Stürzte dahin aus der Hand des Erschoßenen; und aus der Nase
Sprang ihm ein Stral dickströmendes Bluts. Er wälzte sich zuckend,
Stieß mit dem Fuß an den Tisch, und die Speisen fielen zur Erde; V. 20.20

V. 20. Jeder hatte einen besondern Tisch.
Oduͤßee.
Zweiundzwanzigſter Geſang
.


Jezo entbloͤßte ſich von den Lumpen der weiſe Oduͤßeus,
Sprang auf die hohe Schwell', und hielt in den Haͤnden den Bogen
Samt dem gefuͤllten Koͤcher; er goß die gefiederten Pfeile
Hin vor ſich auf die Erd', und ſprach zu der Freier Verſammlung:

Dieſen furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab' ich vollendet!5
Jezo waͤhl' ich ein Ziel, das noch kein Schuͤze getroffen,
Ob ichs treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet.

Sprachs, und Autinoos traf er mit bitterm Todesgeſchoße.
Dieſer wollte vom Tiſch das zweigehenkelte ſchoͤne
Goldne Geſchirr aufheben, und faßt' es ſchon mit den Haͤnden,10
Daß er traͤnke des Weins; allein von ſeiner Ermordung
Ahndet' ihm nichts: und wer in der ſchmauſenden Maͤnner Geſellſchaft
Haͤtte geglaubt, daß Einer, und wenn er der Tapferſte waͤre,
Unter ſo vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten!
Aber Oduͤßeus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel,15
Daß im zarten Genick die Spize wieder hervordrang.
Und er ſank zur Seite hinab; der Becher voll Weines
Stuͤrzte dahin aus der Hand des Erſchoßenen; und aus der Naſe
Sprang ihm ein Stral dickſtroͤmendes Bluts. Er waͤlzte ſich zuckend,
Stieß mit dem Fuß an den Tiſch, und die Speiſen fielen zur Erde; V. 20.20

V. 20. Jeder hatte einen beſondern Tiſch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0422" n="416"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.<lb/>
Zweiundzwanzig&#x017F;ter Ge&#x017F;ang</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>ezo entblo&#x0364;ßte &#x017F;ich von den Lumpen der wei&#x017F;e Odu&#x0364;ßeus,<lb/>
Sprang auf die hohe Schwell', und hielt in den Ha&#x0364;nden den Bogen<lb/>
Samt dem gefu&#x0364;llten Ko&#x0364;cher; er goß die gefiederten Pfeile<lb/>
Hin vor &#x017F;ich auf die Erd', und &#x017F;prach zu der Freier Ver&#x017F;ammlung:</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;en furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab' ich vollendet!<note place="right">5</note><lb/>
Jezo wa&#x0364;hl' ich ein Ziel, das noch kein Schu&#x0364;ze getroffen,<lb/>
Ob ichs treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet.</p><lb/>
        <p>Sprachs, und Autinoos traf er mit bitterm Todesge&#x017F;choße.<lb/>
Die&#x017F;er wollte vom Ti&#x017F;ch das zweigehenkelte &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Goldne Ge&#x017F;chirr aufheben, und faßt' es &#x017F;chon mit den Ha&#x0364;nden,<note place="right">10</note><lb/>
Daß er tra&#x0364;nke des Weins; allein von &#x017F;einer Ermordung<lb/>
Ahndet' ihm nichts: und wer in der &#x017F;chmau&#x017F;enden Ma&#x0364;nner Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
Ha&#x0364;tte geglaubt, daß Einer, und wenn er der Tapfer&#x017F;te wa&#x0364;re,<lb/>
Unter &#x017F;o vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten!<lb/>
Aber Odu&#x0364;ßeus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel,<note place="right">15</note><lb/>
Daß im zarten Genick die Spize wieder hervordrang.<lb/>
Und er &#x017F;ank zur Seite hinab; der Becher voll Weines<lb/>
Stu&#x0364;rzte dahin aus der Hand des Er&#x017F;choßenen; und aus der Na&#x017F;e<lb/>
Sprang ihm ein Stral dick&#x017F;tro&#x0364;mendes Bluts. Er wa&#x0364;lzte &#x017F;ich zuckend,<lb/>
Stieß mit dem Fuß an den Ti&#x017F;ch, und die Spei&#x017F;en fielen zur Erde; <note place="foot" n="V. 20.">Jeder hatte einen be&#x017F;ondern Ti&#x017F;ch.</note><note place="right">20</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0422] Oduͤßee. Zweiundzwanzigſter Geſang. Jezo entbloͤßte ſich von den Lumpen der weiſe Oduͤßeus, Sprang auf die hohe Schwell', und hielt in den Haͤnden den Bogen Samt dem gefuͤllten Koͤcher; er goß die gefiederten Pfeile Hin vor ſich auf die Erd', und ſprach zu der Freier Verſammlung: Dieſen furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab' ich vollendet! Jezo waͤhl' ich ein Ziel, das noch kein Schuͤze getroffen, Ob ichs treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet. 5 Sprachs, und Autinoos traf er mit bitterm Todesgeſchoße. Dieſer wollte vom Tiſch das zweigehenkelte ſchoͤne Goldne Geſchirr aufheben, und faßt' es ſchon mit den Haͤnden, Daß er traͤnke des Weins; allein von ſeiner Ermordung Ahndet' ihm nichts: und wer in der ſchmauſenden Maͤnner Geſellſchaft Haͤtte geglaubt, daß Einer, und wenn er der Tapferſte waͤre, Unter ſo vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten! Aber Oduͤßeus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel, Daß im zarten Genick die Spize wieder hervordrang. Und er ſank zur Seite hinab; der Becher voll Weines Stuͤrzte dahin aus der Hand des Erſchoßenen; und aus der Naſe Sprang ihm ein Stral dickſtroͤmendes Bluts. Er waͤlzte ſich zuckend, Stieß mit dem Fuß an den Tiſch, und die Speiſen fielen zur Erde; V. 20. 10 15 20 V. 20. Jeder hatte einen beſondern Tiſch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/422
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/422>, abgerufen am 21.12.2024.