Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

fläche mit einer großen Anzahl von Kiemenlamellen besetzt sind, die
eine quere Stellung haben. Unmittelbar hinter diesen Kiemenfüßen
liegt an der Basis des stachelförmigen Schwanzes, der durchaus keine
Eingeweide birgt, der After.

Die Anatomie dieser Thiere bietet manches Bemerkenswerthe dar.
Der Schlund steigt aus der Mundöffnung zuerst gerade nach vorn
und öffnet sich dann in einen vorn im Kopfschilde gelegenen Magen,
der mit vorspringenden Hornfalten ausgerüstet ist, und nach hinten in
einen geraden, überall gleich weiten Darm übergeht. Das Nerven-
system besteht aus einem massiven Schlundringe, von dessen unterer
Hälfte ein dicker Nervenstrang abgeht, der erst an seinem hinteren Ende
einige Anschwellungen zeigt. Das Herz ist lang, schlauchförmig, mit
sieben Paar Seitenspalten versehen, durch welche das zurückkehrende
Blut eindringt. Die verästelten Eierstöcke vereinigen sich zu zwei Ei-
leitern, die an der Basis des deckelförmigen ersten Kiemenfußes nahe
an der Mittellinie auf der oberen Fläche ausmünden, und denen die
Hoden und Samenleiter an Gestalt wie an Ausmündung vollkommen
entsprechen. Ueber die Entwickelung sind noch keine Untersuchungen
gemacht; man weiß nur, daß die aus dem Eie schlüpfenden Jungen
schon Brust und Hinterleib, Fühler und Kaufüße vollständig erkennen
lassen, daß ihnen aber der Schwanzstachel gänzlich fehlt und nur die
beiden vorderen Kiemenfußpaare vorhanden, das dritte aber vollkom-
men rudimentär ist. Die einzige Gattung dieser Unterklasse, welche
jetzt noch lebt, bewohnt hauptsächlich die heiße Zone der nördlichen
Erdhälfte und geht nur an den Küsten Amerika's über dieselbe hinaus,
bis etwa zum 40sten Grade nördlicher Breite. Verwandte Arten und
Gattungen hat man vereinzelt im Uebergangsgebirge, in der Kohle,
im Muschelkalke, namentlich aber in den lithographischen Schiefern von
Sohlenhofen gefunden.



Unterklasse der Stielaugen. (Podophthalma.)


Die Krustenthiere, welche wir dieser Unterklasse zurechnen, unter-
scheiden sich in vielen wesentlichen Punkten von den vorhergehenden,
wie von den nachfolgenden Unterklassen, und bieten gewissermaßen den

fläche mit einer großen Anzahl von Kiemenlamellen beſetzt ſind, die
eine quere Stellung haben. Unmittelbar hinter dieſen Kiemenfüßen
liegt an der Baſis des ſtachelförmigen Schwanzes, der durchaus keine
Eingeweide birgt, der After.

Die Anatomie dieſer Thiere bietet manches Bemerkenswerthe dar.
Der Schlund ſteigt aus der Mundöffnung zuerſt gerade nach vorn
und öffnet ſich dann in einen vorn im Kopfſchilde gelegenen Magen,
der mit vorſpringenden Hornfalten ausgerüſtet iſt, und nach hinten in
einen geraden, überall gleich weiten Darm übergeht. Das Nerven-
ſyſtem beſteht aus einem maſſiven Schlundringe, von deſſen unterer
Hälfte ein dicker Nervenſtrang abgeht, der erſt an ſeinem hinteren Ende
einige Anſchwellungen zeigt. Das Herz iſt lang, ſchlauchförmig, mit
ſieben Paar Seitenſpalten verſehen, durch welche das zurückkehrende
Blut eindringt. Die veräſtelten Eierſtöcke vereinigen ſich zu zwei Ei-
leitern, die an der Baſis des deckelförmigen erſten Kiemenfußes nahe
an der Mittellinie auf der oberen Fläche ausmünden, und denen die
Hoden und Samenleiter an Geſtalt wie an Ausmündung vollkommen
entſprechen. Ueber die Entwickelung ſind noch keine Unterſuchungen
gemacht; man weiß nur, daß die aus dem Eie ſchlüpfenden Jungen
ſchon Bruſt und Hinterleib, Fühler und Kaufüße vollſtändig erkennen
laſſen, daß ihnen aber der Schwanzſtachel gänzlich fehlt und nur die
beiden vorderen Kiemenfußpaare vorhanden, das dritte aber vollkom-
men rudimentär iſt. Die einzige Gattung dieſer Unterklaſſe, welche
jetzt noch lebt, bewohnt hauptſächlich die heiße Zone der nördlichen
Erdhälfte und geht nur an den Küſten Amerika’s über dieſelbe hinaus,
bis etwa zum 40ſten Grade nördlicher Breite. Verwandte Arten und
Gattungen hat man vereinzelt im Uebergangsgebirge, in der Kohle,
im Muſchelkalke, namentlich aber in den lithographiſchen Schiefern von
Sohlenhofen gefunden.



Unterklaſſe der Stielaugen. (Podophthalma.)


Die Kruſtenthiere, welche wir dieſer Unterklaſſe zurechnen, unter-
ſcheiden ſich in vielen weſentlichen Punkten von den vorhergehenden,
wie von den nachfolgenden Unterklaſſen, und bieten gewiſſermaßen den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0456" n="450"/>
fläche mit einer großen Anzahl von Kiemenlamellen be&#x017F;etzt &#x017F;ind, die<lb/>
eine quere Stellung haben. Unmittelbar hinter die&#x017F;en Kiemenfüßen<lb/>
liegt an der Ba&#x017F;is des &#x017F;tachelförmigen Schwanzes, der durchaus keine<lb/>
Eingeweide birgt, der After.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">Anatomie</hi> die&#x017F;er Thiere bietet manches Bemerkenswerthe dar.<lb/>
Der Schlund &#x017F;teigt aus der Mundöffnung zuer&#x017F;t gerade nach vorn<lb/>
und öffnet &#x017F;ich dann in einen vorn im Kopf&#x017F;childe gelegenen Magen,<lb/>
der mit vor&#x017F;pringenden Hornfalten ausgerü&#x017F;tet i&#x017F;t, und nach hinten in<lb/>
einen geraden, überall gleich weiten Darm übergeht. Das Nerven-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tem be&#x017F;teht aus einem ma&#x017F;&#x017F;iven Schlundringe, von de&#x017F;&#x017F;en unterer<lb/>
Hälfte ein dicker Nerven&#x017F;trang abgeht, der er&#x017F;t an &#x017F;einem hinteren Ende<lb/>
einige An&#x017F;chwellungen zeigt. Das Herz i&#x017F;t lang, &#x017F;chlauchförmig, mit<lb/>
&#x017F;ieben Paar Seiten&#x017F;palten ver&#x017F;ehen, durch welche das zurückkehrende<lb/>
Blut eindringt. Die verä&#x017F;telten Eier&#x017F;töcke vereinigen &#x017F;ich zu zwei Ei-<lb/>
leitern, die an der Ba&#x017F;is des deckelförmigen er&#x017F;ten Kiemenfußes nahe<lb/>
an der Mittellinie auf der oberen Fläche ausmünden, und denen die<lb/>
Hoden und Samenleiter an Ge&#x017F;talt wie an Ausmündung vollkommen<lb/>
ent&#x017F;prechen. Ueber die Entwickelung &#x017F;ind noch keine Unter&#x017F;uchungen<lb/>
gemacht; man weiß nur, daß die aus dem Eie &#x017F;chlüpfenden Jungen<lb/>
&#x017F;chon Bru&#x017F;t und Hinterleib, Fühler und Kaufüße voll&#x017F;tändig erkennen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, daß ihnen aber der Schwanz&#x017F;tachel gänzlich fehlt und nur die<lb/>
beiden vorderen Kiemenfußpaare vorhanden, das dritte aber vollkom-<lb/>
men rudimentär i&#x017F;t. Die einzige Gattung die&#x017F;er Unterkla&#x017F;&#x017F;e, welche<lb/>
jetzt noch lebt, bewohnt haupt&#x017F;ächlich die heiße Zone der nördlichen<lb/>
Erdhälfte und geht nur an den Kü&#x017F;ten Amerika&#x2019;s über die&#x017F;elbe hinaus,<lb/>
bis etwa zum 40&#x017F;ten Grade nördlicher Breite. Verwandte Arten und<lb/>
Gattungen hat man vereinzelt im Uebergangsgebirge, in der Kohle,<lb/>
im Mu&#x017F;chelkalke, namentlich aber in den lithographi&#x017F;chen Schiefern von<lb/>
Sohlenhofen gefunden.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b">Unterkla&#x017F;&#x017F;e der Stielaugen.</hi> (<hi rendition="#aq">Podophthalma</hi>.)</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Die Kru&#x017F;tenthiere, welche wir die&#x017F;er Unterkla&#x017F;&#x017F;e zurechnen, unter-<lb/>
&#x017F;cheiden &#x017F;ich in vielen we&#x017F;entlichen Punkten von den vorhergehenden,<lb/>
wie von den nachfolgenden Unterkla&#x017F;&#x017F;en, und bieten gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen den<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0456] fläche mit einer großen Anzahl von Kiemenlamellen beſetzt ſind, die eine quere Stellung haben. Unmittelbar hinter dieſen Kiemenfüßen liegt an der Baſis des ſtachelförmigen Schwanzes, der durchaus keine Eingeweide birgt, der After. Die Anatomie dieſer Thiere bietet manches Bemerkenswerthe dar. Der Schlund ſteigt aus der Mundöffnung zuerſt gerade nach vorn und öffnet ſich dann in einen vorn im Kopfſchilde gelegenen Magen, der mit vorſpringenden Hornfalten ausgerüſtet iſt, und nach hinten in einen geraden, überall gleich weiten Darm übergeht. Das Nerven- ſyſtem beſteht aus einem maſſiven Schlundringe, von deſſen unterer Hälfte ein dicker Nervenſtrang abgeht, der erſt an ſeinem hinteren Ende einige Anſchwellungen zeigt. Das Herz iſt lang, ſchlauchförmig, mit ſieben Paar Seitenſpalten verſehen, durch welche das zurückkehrende Blut eindringt. Die veräſtelten Eierſtöcke vereinigen ſich zu zwei Ei- leitern, die an der Baſis des deckelförmigen erſten Kiemenfußes nahe an der Mittellinie auf der oberen Fläche ausmünden, und denen die Hoden und Samenleiter an Geſtalt wie an Ausmündung vollkommen entſprechen. Ueber die Entwickelung ſind noch keine Unterſuchungen gemacht; man weiß nur, daß die aus dem Eie ſchlüpfenden Jungen ſchon Bruſt und Hinterleib, Fühler und Kaufüße vollſtändig erkennen laſſen, daß ihnen aber der Schwanzſtachel gänzlich fehlt und nur die beiden vorderen Kiemenfußpaare vorhanden, das dritte aber vollkom- men rudimentär iſt. Die einzige Gattung dieſer Unterklaſſe, welche jetzt noch lebt, bewohnt hauptſächlich die heiße Zone der nördlichen Erdhälfte und geht nur an den Küſten Amerika’s über dieſelbe hinaus, bis etwa zum 40ſten Grade nördlicher Breite. Verwandte Arten und Gattungen hat man vereinzelt im Uebergangsgebirge, in der Kohle, im Muſchelkalke, namentlich aber in den lithographiſchen Schiefern von Sohlenhofen gefunden. Unterklaſſe der Stielaugen. (Podophthalma.) Die Kruſtenthiere, welche wir dieſer Unterklaſſe zurechnen, unter- ſcheiden ſich in vielen weſentlichen Punkten von den vorhergehenden, wie von den nachfolgenden Unterklaſſen, und bieten gewiſſermaßen den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/456
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/456>, abgerufen am 22.12.2024.