Epoche fast bis auf wenige Repräsentanten verschwunden sind, bleiben die Blattkiemer etwa in demselben durchgreifenden Verhältnisse von Anfang bis zu Ende, und man kann nicht sagen, daß die Vertheilung ihrer Familien in den älteren Zeiten wesentlich verschieden wäre von derjenigen, welche wir jetzt sehen. Während also die Armfüßler einen Typus darstellen, der im Laufe der Zeit seinem allmähligen Unter- gange entgegen ging und von dem unsere jetzige Schöpfung nur einige wenige, gleichsam zerstreute Nachzügler aufzuweisen hat, zeigen die Blattkiemer eine ganz entgegengesetzte geschichtliche Entwickelung, in- dem ihr Typus ohne merkliche Veränderung seines Verhältnisses zu der übrigen Schöpfung, sich wesentlich in derselben Art und Zahl, wie er von Anfang an auftrat, erhalten hat.
Unterklasse der Armfüßler. (Brachiopoda.)
Die Thiere, welche dieser Klasse angehören, sind verhältnißmäßig nur sehr selten in unsern jetzigen Meeren, spielen aber eine desto grö- ßere Rolle in den Schöpfungen der ältern Periode der Erde, wo sie um so häufiger und zahlreicher an Gattungen und Arten werden, je älter die Schichten scheinen. Der Körper dieser Thiere ist stets von einer
[Abbildung]
Fig. 297.
Eine Terebratel, deren eine Schale weggenommen ist, um die beiden Fangarme zu zeigen, von welchen der eine zurückgezogen und gänz- lich aufgerollt, der andere (a) ausgedehnt und vorge- streckt ist.
zweiklappigen Schale umschlossen und entweder durch eine Schale oder durch einen bald sehnigen, bald fleischigen Stiel an dem Boden angeheftet. Es sind also die Armfüßler wahre Muscheln, die aber durch mehrere höchst merkwürdige Ei- genthümlichkeiten ihres Körper- und Schalen- baues wesentlich von den übrigen Muscheln ab- weichen. Die beiden Schalenhälften sind nie- mals einander vollkommen gleich und selbst in denjenigen Fällen, wo ihr äußerer Umriß fast identisch erscheint, zeigen sie im Innern ver- schiedenartige Eindrücke und Leisten, durch die ungleiche Anheftung der Schließmuskeln und das Armgerüste hervorgebracht. In bei weitem den meisten Fällen sind aber die Schalen so vollkommen durch ihre Form von einander unterschieden, daß man sie leicht auf den ersten Blick erkennt. Hieraus ist namentlich für die Beschreibung der Scha- len eine große Verwirrung erwachsen, indem man rein willkürlich,
Epoche faſt bis auf wenige Repräſentanten verſchwunden ſind, bleiben die Blattkiemer etwa in demſelben durchgreifenden Verhältniſſe von Anfang bis zu Ende, und man kann nicht ſagen, daß die Vertheilung ihrer Familien in den älteren Zeiten weſentlich verſchieden wäre von derjenigen, welche wir jetzt ſehen. Während alſo die Armfüßler einen Typus darſtellen, der im Laufe der Zeit ſeinem allmähligen Unter- gange entgegen ging und von dem unſere jetzige Schöpfung nur einige wenige, gleichſam zerſtreute Nachzügler aufzuweiſen hat, zeigen die Blattkiemer eine ganz entgegengeſetzte geſchichtliche Entwickelung, in- dem ihr Typus ohne merkliche Veränderung ſeines Verhältniſſes zu der übrigen Schöpfung, ſich weſentlich in derſelben Art und Zahl, wie er von Anfang an auftrat, erhalten hat.
Unterklaſſe der Armfüſzler. (Brachiopoda.)
Die Thiere, welche dieſer Klaſſe angehören, ſind verhältnißmäßig nur ſehr ſelten in unſern jetzigen Meeren, ſpielen aber eine deſto grö- ßere Rolle in den Schöpfungen der ältern Periode der Erde, wo ſie um ſo häufiger und zahlreicher an Gattungen und Arten werden, je älter die Schichten ſcheinen. Der Körper dieſer Thiere iſt ſtets von einer
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Fig. 297.
Eine Terebratel, deren eine Schale weggenommen iſt, um die beiden Fangarme zu zeigen, von welchen der eine zurückgezogen und gänz- lich aufgerollt, der andere (a) ausgedehnt und vorge- ſtreckt iſt.
zweiklappigen Schale umſchloſſen und entweder durch eine Schale oder durch einen bald ſehnigen, bald fleiſchigen Stiel an dem Boden angeheftet. Es ſind alſo die Armfüßler wahre Muſcheln, die aber durch mehrere höchſt merkwürdige Ei- genthümlichkeiten ihres Körper- und Schalen- baues weſentlich von den übrigen Muſcheln ab- weichen. Die beiden Schalenhälften ſind nie- mals einander vollkommen gleich und ſelbſt in denjenigen Fällen, wo ihr äußerer Umriß faſt identiſch erſcheint, zeigen ſie im Innern ver- ſchiedenartige Eindrücke und Leiſten, durch die ungleiche Anheftung der Schließmuskeln und das Armgerüſte hervorgebracht. In bei weitem den meiſten Fällen ſind aber die Schalen ſo vollkommen durch ihre Form von einander unterſchieden, daß man ſie leicht auf den erſten Blick erkennt. Hieraus iſt namentlich für die Beſchreibung der Scha- len eine große Verwirrung erwachſen, indem man rein willkürlich,
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Epoche faſt bis auf wenige Repräſentanten verſchwunden ſind, bleiben
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Anfang bis zu Ende, und man kann nicht ſagen, daß die Vertheilung
ihrer Familien in den älteren Zeiten weſentlich verſchieden wäre von
derjenigen, welche wir jetzt ſehen. Während alſo die Armfüßler einen
Typus darſtellen, der im Laufe der Zeit ſeinem allmähligen Unter-
gange entgegen ging und von dem unſere jetzige Schöpfung nur einige
wenige, gleichſam zerſtreute Nachzügler aufzuweiſen hat, zeigen die
Blattkiemer eine ganz entgegengeſetzte geſchichtliche Entwickelung, in-
dem ihr Typus ohne merkliche Veränderung ſeines Verhältniſſes zu
der übrigen Schöpfung, ſich weſentlich in derſelben Art und Zahl, wie
er von Anfang an auftrat, erhalten hat.
Unterklaſſe der Armfüſzler. (Brachiopoda.)
Die Thiere, welche dieſer Klaſſe angehören, ſind verhältnißmäßig
nur ſehr ſelten in unſern jetzigen Meeren, ſpielen aber eine deſto grö-
ßere Rolle in den Schöpfungen der ältern Periode der Erde, wo ſie
um ſo häufiger und zahlreicher an Gattungen und Arten werden, je
älter die Schichten ſcheinen. Der Körper dieſer Thiere iſt ſtets von einer
[Abbildung Fig. 297.
Eine Terebratel, deren
eine Schale weggenommen
iſt, um die beiden Fangarme
zu zeigen, von welchen der
eine zurückgezogen und gänz-
lich aufgerollt, der andere
(a) ausgedehnt und vorge-
ſtreckt iſt.]
zweiklappigen Schale umſchloſſen und entweder
durch eine Schale oder durch einen bald ſehnigen,
bald fleiſchigen Stiel an dem Boden angeheftet.
Es ſind alſo die Armfüßler wahre Muſcheln,
die aber durch mehrere höchſt merkwürdige Ei-
genthümlichkeiten ihres Körper- und Schalen-
baues weſentlich von den übrigen Muſcheln ab-
weichen. Die beiden Schalenhälften ſind nie-
mals einander vollkommen gleich und ſelbſt in
denjenigen Fällen, wo ihr äußerer Umriß faſt
identiſch erſcheint, zeigen ſie im Innern ver-
ſchiedenartige Eindrücke und Leiſten, durch die
ungleiche Anheftung der Schließmuskeln und
das Armgerüſte hervorgebracht. In bei weitem
den meiſten Fällen ſind aber die Schalen ſo vollkommen durch ihre
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/289>, abgerufen am 03.03.2025.
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