und den Schlaginstrumenten oder dem "verstärkten Orchester" zu; die Streich- instrumente sind zwar so universeller Natur, daß sie sich auch für den Marsch weit eher als die Blasorgane für den Tanz eignen und jedenfalls an der Marschmusik mit Erfolg theilnehmen können, aber die volle Wirkung er- reichen sie nicht; die Klangfülle, das Schwere und Tiefdröhnende, wie das Helle, Runde, frisch Dreinblasende, das kräftige Dehnen und Aushalten, wie das so wirksame Absetzen und Abstoßen vollklingender Töne, das hier erforderlich ist, bieten nur die Blasinstrumente dar, und die in gedämpfterer Musik gesetzten Priestermärsche in Idomeneo und Zauberflöte machen daher, wenn sie außerhalb ihres Zusammenhangs, durch den ihre Instrumentation bedingt ist, gehört werden, lange nicht den Eindruck, den sie rein in Har- moniemusik umgesetzt hervorbringen. -- Die normale Kunstform ist für Tanz und Marsch die gleiche, Dreitheiligkeit mit Trio, wie sich dieß aus der Zu- sammenhaltung von §. 787 mit dem in §. 809, 2. über Gliederung der Harmoniemusik Bemerkten und mit dem im gegenwärtigen §. Erörterten von selbst ergibt; an die Stelle der Dreitheiligkeit kann eher, namentlich in lang- samer bewegten Tänzen und Märschen, die Zweitheiligkeit treten (welche auch wirklich die ursprüngliche Form war), als die Vier- und Mehrtheiligkeit, damit das Geschlossene, Sprechende des Tonbildes nicht verloren gehe. -- Ein Miniaturbild des eigentlichen Marsches ist der Claviermarsch, eine wegen der kräftigen Vollstimmigkeit und Compactheit dieses Instruments im Kleinen sehr wirksame Form, die ebendarum eine Hauptspecies der Claviermusik bildet.
§. 814.
Dem Tanz und Marsch reiht sich als nächstverwandt an die Eröffnungs- musik, wie jene nicht für sich Selbstzweck, aber deßungeachtet eine Haupt- gattung der Justrumentalmusik, weil sie den Zweck hat, das Stimmungsgebiet, welches die zu eröffnende Handlung umschreibt, in der Form eines charakteri- stischen Tonbildes von lebendiger Wirkung unmittelbar zu veranschaulichen. Allgemeinerer Art ist die Einleitungsmusik, sofern sie nur die Stimmung überhaupt in Tönen zu malen hat, welcher die folgende Handlung angehört.
1. Der Marsch führt in längerem Zuge zu einer Handlung hin; die Ouvertüre stellt uns unmittelbar vor den Vorhang, der sie den Blicken noch verhüllt, und läßt die Töne einer Musik hören, welche der Handlung eine ihrer Bedeutung entsprechende und ihren ganzen Charakter veran- schaulichende Eröffnung voranschicken will. Die Handlung ist entweder eine wirkliche, z. B. eine Festfeier, oder eine blos angeschaute, ein poetisches Schauspiel oder ein selbst musikalisches Drama oder Epos; beide Arten von Handlungen eignen sich zu musikalischer Eröffnung, sie schlägt die Brücke
und den Schlaginſtrumenten oder dem „verſtärkten Orcheſter“ zu; die Streich- inſtrumente ſind zwar ſo univerſeller Natur, daß ſie ſich auch für den Marſch weit eher als die Blasorgane für den Tanz eignen und jedenfalls an der Marſchmuſik mit Erfolg theilnehmen können, aber die volle Wirkung er- reichen ſie nicht; die Klangfülle, das Schwere und Tiefdröhnende, wie das Helle, Runde, friſch Dreinblaſende, das kräftige Dehnen und Aushalten, wie das ſo wirkſame Abſetzen und Abſtoßen vollklingender Töne, das hier erforderlich iſt, bieten nur die Blasinſtrumente dar, und die in gedämpfterer Muſik geſetzten Prieſtermärſche in Idomeneo und Zauberflöte machen daher, wenn ſie außerhalb ihres Zuſammenhangs, durch den ihre Inſtrumentation bedingt iſt, gehört werden, lange nicht den Eindruck, den ſie rein in Har- moniemuſik umgeſetzt hervorbringen. — Die normale Kunſtform iſt für Tanz und Marſch die gleiche, Dreitheiligkeit mit Trio, wie ſich dieß aus der Zu- ſammenhaltung von §. 787 mit dem in §. 809, 2. über Gliederung der Harmoniemuſik Bemerkten und mit dem im gegenwärtigen §. Erörterten von ſelbſt ergibt; an die Stelle der Dreitheiligkeit kann eher, namentlich in lang- ſamer bewegten Tänzen und Märſchen, die Zweitheiligkeit treten (welche auch wirklich die urſprüngliche Form war), als die Vier- und Mehrtheiligkeit, damit das Geſchloſſene, Sprechende des Tonbildes nicht verloren gehe. — Ein Miniaturbild des eigentlichen Marſches iſt der Claviermarſch, eine wegen der kräftigen Vollſtimmigkeit und Compactheit dieſes Inſtruments im Kleinen ſehr wirkſame Form, die ebendarum eine Hauptſpecies der Claviermuſik bildet.
§. 814.
Dem Tanz und Marſch reiht ſich als nächſtverwandt an die Eröffnungs- muſik, wie jene nicht für ſich Selbſtzweck, aber deßungeachtet eine Haupt- gattung der Juſtrumentalmuſik, weil ſie den Zweck hat, das Stimmungsgebiet, welches die zu eröffnende Handlung umſchreibt, in der Form eines charakteri- ſtiſchen Tonbildes von lebendiger Wirkung unmittelbar zu veranſchaulichen. Allgemeinerer Art iſt die Einleitungsmuſik, ſofern ſie nur die Stimmung überhaupt in Tönen zu malen hat, welcher die folgende Handlung angehört.
1. Der Marſch führt in längerem Zuge zu einer Handlung hin; die Ouvertüre ſtellt uns unmittelbar vor den Vorhang, der ſie den Blicken noch verhüllt, und läßt die Töne einer Muſik hören, welche der Handlung eine ihrer Bedeutung entſprechende und ihren ganzen Charakter veran- ſchaulichende Eröffnung voranſchicken will. Die Handlung iſt entweder eine wirkliche, z. B. eine Feſtfeier, oder eine blos angeſchaute, ein poetiſches Schauſpiel oder ein ſelbſt muſikaliſches Drama oder Epos; beide Arten von Handlungen eignen ſich zu muſikaliſcher Eröffnung, ſie ſchlägt die Brücke
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und den Schlaginſtrumenten oder dem „verſtärkten Orcheſter“ zu; die Streich-
inſtrumente ſind zwar ſo univerſeller Natur, daß ſie ſich auch für den Marſch
weit eher als die Blasorgane für den Tanz eignen und jedenfalls an der
Marſchmuſik mit Erfolg theilnehmen können, aber die volle Wirkung er-
reichen ſie nicht; die Klangfülle, das Schwere und Tiefdröhnende, wie das
Helle, Runde, friſch Dreinblaſende, das kräftige Dehnen und Aushalten,
wie das ſo wirkſame Abſetzen und Abſtoßen vollklingender Töne, das hier
erforderlich iſt, bieten nur die Blasinſtrumente dar, und die in gedämpfterer
Muſik geſetzten Prieſtermärſche in Idomeneo und Zauberflöte machen daher,
wenn ſie außerhalb ihres Zuſammenhangs, durch den ihre Inſtrumentation
bedingt iſt, gehört werden, lange nicht den Eindruck, den ſie rein in Har-
moniemuſik umgeſetzt hervorbringen. — Die normale Kunſtform iſt für Tanz
und Marſch die gleiche, Dreitheiligkeit mit Trio, wie ſich dieß aus der Zu-
ſammenhaltung von §. 787 mit dem in §. 809, 2. über Gliederung der
Harmoniemuſik Bemerkten und mit dem im gegenwärtigen §. Erörterten von
ſelbſt ergibt; an die Stelle der Dreitheiligkeit kann eher, namentlich in lang-
ſamer bewegten Tänzen und Märſchen, die Zweitheiligkeit treten (welche auch
wirklich die urſprüngliche Form war), als die Vier- und Mehrtheiligkeit,
damit das Geſchloſſene, Sprechende des Tonbildes nicht verloren gehe. —
Ein Miniaturbild des eigentlichen Marſches iſt der Claviermarſch, eine wegen
der kräftigen Vollſtimmigkeit und Compactheit dieſes Inſtruments im Kleinen
ſehr wirkſame Form, die ebendarum eine Hauptſpecies der Claviermuſik bildet.
§. 814.
Dem Tanz und Marſch reiht ſich als nächſtverwandt an die Eröffnungs-
muſik, wie jene nicht für ſich Selbſtzweck, aber deßungeachtet eine Haupt-
gattung der Juſtrumentalmuſik, weil ſie den Zweck hat, das Stimmungsgebiet,
welches die zu eröffnende Handlung umſchreibt, in der Form eines charakteri-
ſtiſchen Tonbildes von lebendiger Wirkung unmittelbar zu veranſchaulichen.
Allgemeinerer Art iſt die Einleitungsmuſik, ſofern ſie nur die Stimmung
überhaupt in Tönen zu malen hat, welcher die folgende Handlung angehört.
1. Der Marſch führt in längerem Zuge zu einer Handlung hin; die
Ouvertüre ſtellt uns unmittelbar vor den Vorhang, der ſie den Blicken
noch verhüllt, und läßt die Töne einer Muſik hören, welche der Handlung
eine ihrer Bedeutung entſprechende und ihren ganzen Charakter veran-
ſchaulichende Eröffnung voranſchicken will. Die Handlung iſt entweder eine
wirkliche, z. B. eine Feſtfeier, oder eine blos angeſchaute, ein poetiſches
Schauſpiel oder ein ſelbſt muſikaliſches Drama oder Epos; beide Arten von
Handlungen eignen ſich zu muſikaliſcher Eröffnung, ſie ſchlägt die Brücke
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 1074. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/312>, abgerufen am 30.12.2024.
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