Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.liche Gestalt in ihrer organischen Bestimmtheit darstellt, wobei von der §. 667. Es entsteht nun die Aufgabe, die Bahn des Lichts in klarer Einheit Man sieht, wie sich hier die Lehre von der Composition vorbereitet; liche Geſtalt in ihrer organiſchen Beſtimmtheit darſtellt, wobei von der §. 667. Es entſteht nun die Aufgabe, die Bahn des Lichts in klarer Einheit Man ſieht, wie ſich hier die Lehre von der Compoſition vorbereitet; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0064" n="556"/> <hi rendition="#et">liche Geſtalt in ihrer organiſchen Beſtimmtheit darſtellt, wobei von der<lb/> Perſpective nur die einzelne Verkürzung mitzuwirken hat. Die Licht- und<lb/> Schattengebung nun in Beſchränkung auf dieſen Stoff iſt nur Vollendung<lb/> der Zeichnung in dieſem ihrem plaſtiſchen Charakter, indem ſie die Stelle<lb/> deſſen übernimmt, was an der Statue das natürliche Licht thut; nament-<lb/> lich bei der Verkürzung iſt dieß nöthig, da die optiſche Veränderung der<lb/> Form ohne Licht und Schatten ſchwer verſtanden wird. Da nun die Auf-<lb/> zeigung der Form dem natürlichen Lichte durch Kunſtmittel abgewonnen<lb/> wird, ſo bewirkt in der Anſchauung das meiſterhaft Geleiſtete zwar dieſelbe<lb/> Art äſthetiſcher Freude, wie die plaſtiſche Schönheit, aber in einer reflec-<lb/> tirten Weiſe, indem zugleich der Kampf mit den Schwierigkeiten zum Be-<lb/> wußtſein kommt; denn es iſt kein Kleines, die Geſtalt als Ganzes in<lb/> vollem Scheine von der Fläche zu löſen und ebenſo die Figuration der<lb/> einzelnen Glieder als ein wirklich Rundes, ſich Abhebendes, Zurück- und<lb/> Vortretendes auszuwickeln. Die Modellirung hat ihren eigenen Reiz und<lb/> ihr Mangel, wenn die Geſtalt nicht „losgeht“, ihr Ganzes zu flach, ihr<lb/> Einzelnes nicht ausgerundet, kräftig abgeſtoßen und doch wieder weich ver-<lb/> bunden erſcheint, ſein eigenes tiefes Mißbehagen. Zur Ablöſung von der<lb/> Fläche gehört namentlich der Schlagſchatten; damit iſt zugleich der umge-<lb/> bende Raum geſetzt und dieſer führt in das Weite, in die Vielheit unbe-<lb/> ſtimmt gebildeter organiſcher und continuirlich ergoſſener unorganiſcher Er-<lb/> ſcheinungen. Wenn nun die Malerei aus ihrer weſentlichen Aufgabe,<lb/> dieß Weite und Viele in ihren Bereich zu ziehen, Ernſt macht, ſo beginnt<lb/> hiemit der entſchiedene maleriſche Theil der Licht- und Schattengebung.</hi> </p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 667.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Es entſteht nun die Aufgabe, die Bahn des Lichts in klarer Einheit<lb/> durchzuführen, die Licht- und Schattenmaſſen entſchieden auseinanderzuhalten,<lb/> ebenſoſehr jedoch dieſe Gegenſätze zunächſt durch Schattenſtellen im Licht, durch<lb/> Lichtſtellen im Schatten, ſodann durch zarte Abſtufungen, Widerſcheine, Durch-<lb/> ſichtigkeit, Helldunkel zu verſöhnen, endlich aber, durch das feinſte aller<lb/> Mittel, den Ton, jedes Grelle abzudämpfen und ſowohl über einzelne Theile,<lb/> als auch über das Ganze eine entſchiedene Stimmung zu verbreiten.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Man ſieht, wie ſich hier die Lehre von der Compoſition vorbereitet;<lb/> es iſt Einheit im ſtarken und ſchwachen Contraſt, Entſchiedenheit der Ge-<lb/> genſätze und gleichzeitige Ueberleitung und Verſöhnung derſelben, wovon<lb/> es ſich handelt. In der Natur wird, wie ſchon zu §. 666 angedeutet iſt,<lb/> die Harmonie der Beleuchtung hier durch Unentſchiedenheit, dort durch<lb/> zu grelle Entſchiedenheit geſtört, der Künſtler hat gleichzeitig auf beiden<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [556/0064]
liche Geſtalt in ihrer organiſchen Beſtimmtheit darſtellt, wobei von der
Perſpective nur die einzelne Verkürzung mitzuwirken hat. Die Licht- und
Schattengebung nun in Beſchränkung auf dieſen Stoff iſt nur Vollendung
der Zeichnung in dieſem ihrem plaſtiſchen Charakter, indem ſie die Stelle
deſſen übernimmt, was an der Statue das natürliche Licht thut; nament-
lich bei der Verkürzung iſt dieß nöthig, da die optiſche Veränderung der
Form ohne Licht und Schatten ſchwer verſtanden wird. Da nun die Auf-
zeigung der Form dem natürlichen Lichte durch Kunſtmittel abgewonnen
wird, ſo bewirkt in der Anſchauung das meiſterhaft Geleiſtete zwar dieſelbe
Art äſthetiſcher Freude, wie die plaſtiſche Schönheit, aber in einer reflec-
tirten Weiſe, indem zugleich der Kampf mit den Schwierigkeiten zum Be-
wußtſein kommt; denn es iſt kein Kleines, die Geſtalt als Ganzes in
vollem Scheine von der Fläche zu löſen und ebenſo die Figuration der
einzelnen Glieder als ein wirklich Rundes, ſich Abhebendes, Zurück- und
Vortretendes auszuwickeln. Die Modellirung hat ihren eigenen Reiz und
ihr Mangel, wenn die Geſtalt nicht „losgeht“, ihr Ganzes zu flach, ihr
Einzelnes nicht ausgerundet, kräftig abgeſtoßen und doch wieder weich ver-
bunden erſcheint, ſein eigenes tiefes Mißbehagen. Zur Ablöſung von der
Fläche gehört namentlich der Schlagſchatten; damit iſt zugleich der umge-
bende Raum geſetzt und dieſer führt in das Weite, in die Vielheit unbe-
ſtimmt gebildeter organiſcher und continuirlich ergoſſener unorganiſcher Er-
ſcheinungen. Wenn nun die Malerei aus ihrer weſentlichen Aufgabe,
dieß Weite und Viele in ihren Bereich zu ziehen, Ernſt macht, ſo beginnt
hiemit der entſchiedene maleriſche Theil der Licht- und Schattengebung.
§. 667.
Es entſteht nun die Aufgabe, die Bahn des Lichts in klarer Einheit
durchzuführen, die Licht- und Schattenmaſſen entſchieden auseinanderzuhalten,
ebenſoſehr jedoch dieſe Gegenſätze zunächſt durch Schattenſtellen im Licht, durch
Lichtſtellen im Schatten, ſodann durch zarte Abſtufungen, Widerſcheine, Durch-
ſichtigkeit, Helldunkel zu verſöhnen, endlich aber, durch das feinſte aller
Mittel, den Ton, jedes Grelle abzudämpfen und ſowohl über einzelne Theile,
als auch über das Ganze eine entſchiedene Stimmung zu verbreiten.
Man ſieht, wie ſich hier die Lehre von der Compoſition vorbereitet;
es iſt Einheit im ſtarken und ſchwachen Contraſt, Entſchiedenheit der Ge-
genſätze und gleichzeitige Ueberleitung und Verſöhnung derſelben, wovon
es ſich handelt. In der Natur wird, wie ſchon zu §. 666 angedeutet iſt,
die Harmonie der Beleuchtung hier durch Unentſchiedenheit, dort durch
zu grelle Entſchiedenheit geſtört, der Künſtler hat gleichzeitig auf beiden
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