Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.Theilung der Kräfte ist es, die das für sich bearbeitete Glied des ganzen §. 534. Hiemit ist der Theilungsgrund bereits in den Geist verlegt; derselbe muß Theilung der Kräfte iſt es, die das für ſich bearbeitete Glied des ganzen §. 534. Hiemit iſt der Theilungsgrund bereits in den Geiſt verlegt; derſelbe muß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <pb facs="#f0158" n="146"/> <hi rendition="#et">Theilung der Kräfte iſt es, die das für ſich bearbeitete Glied des ganzen<lb/> Umfangs der Thätigkeiten zur Vollkommenheit bringt; ſo iſt es auch in<lb/> der Kunſt: die höhere und umfaſſendere Stufe nimmt wohl in ſich auf, was<lb/> durch dieſe Kraft der Einſeitigkeit in der engeren gewonnen iſt, allein da<lb/> das Gewonnene nun zum Moment in einem reicheren Umfange herab-<lb/> geſetzt iſt, hat es nicht mehr die Fülle, wie da, wo das ganze Weſen<lb/> einer einzelnen Kunſt ſich in dieſe Seite legte. So kann die Poeſie nur<lb/> in einem gewiſſen beſchränkten Sinne Geſtalten bilden und malen, genau<lb/> wie der Menſch zwar der feinſte Auszug der Kräfte des Thierreichs iſt,<lb/> aber die Schärfe der einzelnen Kräfte, wie ſie in den Thieren ausein-<lb/> andergelegt ſind, in dieſem höchſten Sammelpuncte, der zugleich eine<lb/> ſpezifiſch neue Welt eröffnet, zu Gunſten der geiſtigen Einheit weſentlich<lb/> abgeſchwächt erſcheint. Dieß iſt nun auch der Entſcheidungsgrund für<lb/> die aufſteigende Darſtellung. Geht man umgekehrt, ſo iſt das Engere<lb/> und Einſeitigere ſchon als bloßes Moment erkannt und kann nicht mehr<lb/> zu ſeinem Rechte kommen; was nachher Glied eines reicheren Ganzen<lb/> wird, muß zuerſt als Einziges, Ganzes erſcheinen, um Alles entwickeln<lb/> zu können, was in ihm liegt; die reichere und geiſtigere Form muß er-<lb/> kannt werden als ſtehend auf der Schulter deſſen, was vorher als Ganzes<lb/> erſchien und nun in ihm depotenzirt iſt. Die genetiſche Wiſſenſchaft<lb/> löst nicht auf, verdünnt nicht das Dichte, ſondern baut auf und ſammelt<lb/> an. Die bildenden Künſte ſind nicht eine verkommene, die Muſik iſt<lb/> nicht eine zerfloſſene Dichtkunſt, ſondern die Dichtkunſt iſt die um ein<lb/> geiſtiges Centrum ſich bewegende Einheit aller dieſer Künſte.</hi> </p> </div><lb/> <div n="6"> <head>§. 534.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Hiemit iſt der Theilungsgrund bereits in den Geiſt verlegt; derſelbe muß<lb/> aber, da der Ausgang von dem Charakter des Ausſchließlichen, den alles<lb/> Sinnliche trägt (§. 533), hiedurch nicht aufgehoben ſein kann, näher in der<lb/> innern Sinnlichkeit der Phantaſie liegen; nur als ergriffen von dieſer könnte<lb/> das Material und das phyſiſche Geſetz, unter dem es ſteht, den Grund der<lb/> Theilung der Kunſt in Künſte enthalten. Allein die innere Sinnlichkeit der<lb/> Phantaſie iſt eine doppelte: ſie bindet ſich theils an die wirkliche Erſcheinung,<lb/> theils wirſt ſie dieſes Band ab, um ſich nur innerhalb ihrer ſelbſt zu bewegen.<lb/> An dem Puncte, wo dieſe Befreiung eintritt, erliſcht alſo die Bedeutung des<lb/> Material-Unterſchieds für die Eintheilung völlig und weicht dem neuen Thei-<lb/> lungs-Prinzip dieſer zweifachen Art der Phantaſie. So treten zunächſt <hi rendition="#g">zwei</hi><lb/> Kunſtformen auf.</hi> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0158]
Theilung der Kräfte iſt es, die das für ſich bearbeitete Glied des ganzen
Umfangs der Thätigkeiten zur Vollkommenheit bringt; ſo iſt es auch in
der Kunſt: die höhere und umfaſſendere Stufe nimmt wohl in ſich auf, was
durch dieſe Kraft der Einſeitigkeit in der engeren gewonnen iſt, allein da
das Gewonnene nun zum Moment in einem reicheren Umfange herab-
geſetzt iſt, hat es nicht mehr die Fülle, wie da, wo das ganze Weſen
einer einzelnen Kunſt ſich in dieſe Seite legte. So kann die Poeſie nur
in einem gewiſſen beſchränkten Sinne Geſtalten bilden und malen, genau
wie der Menſch zwar der feinſte Auszug der Kräfte des Thierreichs iſt,
aber die Schärfe der einzelnen Kräfte, wie ſie in den Thieren ausein-
andergelegt ſind, in dieſem höchſten Sammelpuncte, der zugleich eine
ſpezifiſch neue Welt eröffnet, zu Gunſten der geiſtigen Einheit weſentlich
abgeſchwächt erſcheint. Dieß iſt nun auch der Entſcheidungsgrund für
die aufſteigende Darſtellung. Geht man umgekehrt, ſo iſt das Engere
und Einſeitigere ſchon als bloßes Moment erkannt und kann nicht mehr
zu ſeinem Rechte kommen; was nachher Glied eines reicheren Ganzen
wird, muß zuerſt als Einziges, Ganzes erſcheinen, um Alles entwickeln
zu können, was in ihm liegt; die reichere und geiſtigere Form muß er-
kannt werden als ſtehend auf der Schulter deſſen, was vorher als Ganzes
erſchien und nun in ihm depotenzirt iſt. Die genetiſche Wiſſenſchaft
löst nicht auf, verdünnt nicht das Dichte, ſondern baut auf und ſammelt
an. Die bildenden Künſte ſind nicht eine verkommene, die Muſik iſt
nicht eine zerfloſſene Dichtkunſt, ſondern die Dichtkunſt iſt die um ein
geiſtiges Centrum ſich bewegende Einheit aller dieſer Künſte.
§. 534.
Hiemit iſt der Theilungsgrund bereits in den Geiſt verlegt; derſelbe muß
aber, da der Ausgang von dem Charakter des Ausſchließlichen, den alles
Sinnliche trägt (§. 533), hiedurch nicht aufgehoben ſein kann, näher in der
innern Sinnlichkeit der Phantaſie liegen; nur als ergriffen von dieſer könnte
das Material und das phyſiſche Geſetz, unter dem es ſteht, den Grund der
Theilung der Kunſt in Künſte enthalten. Allein die innere Sinnlichkeit der
Phantaſie iſt eine doppelte: ſie bindet ſich theils an die wirkliche Erſcheinung,
theils wirſt ſie dieſes Band ab, um ſich nur innerhalb ihrer ſelbſt zu bewegen.
An dem Puncte, wo dieſe Befreiung eintritt, erliſcht alſo die Bedeutung des
Material-Unterſchieds für die Eintheilung völlig und weicht dem neuen Thei-
lungs-Prinzip dieſer zweifachen Art der Phantaſie. So treten zunächſt zwei
Kunſtformen auf.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |