Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.
dieser in seinen Styl nur um so tiefer eingefühlt und eingelebt, als er 4. Der Styl in seinen allgemeinen Entwicklungsstufen. §. 531. Die Anerkennung des unreifen Styls (und der Manier) in §. 529, 2. Dieser neue Stylbegriff ist durch den Satz in dem angeführten §. und
dieſer in ſeinen Styl nur um ſo tiefer eingefühlt und eingelebt, als er 4. Der Styl in ſeinen allgemeinen Entwicklungsſtufen. §. 531. Die Anerkennung des unreifen Styls (und der Manier) in §. 529, 2. Dieſer neue Stylbegriff iſt durch den Satz in dem angeführten §. und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0146" n="134"/> dieſer in ſeinen Styl nur um ſo tiefer eingefühlt und eingelebt, als er<lb/> endlich berufen wurde, das moderne Ideal in der Dichtkunſt hinzuſtellen;<lb/> von anderer Seite aber ruht dieſes Ideal weſentlich auf dem Aufklärungs-<lb/> prinzip, das von England nach Frankreich, dann nach Deutſchland ge-<lb/> drungen iſt, von wo es als Revolutionsſtyl der Poeſie (und Philoſophie)<lb/> wieder in alle Lande gieng. Dieſes Ueberwachſen eines Styls über die<lb/> Kluft der Völker iſt jedoch nicht mit dem Univerſalismus zu verwech-<lb/> ſeln, der ohne eigenen Styl die verſchiedenſten ausländiſchen Kunſtfor-<lb/> men ſich aneignet; dieſer tritt nur in einer Zeit ein, wo der große Styl<lb/> ſchon verfallen iſt. — Uebrigens ſagt der §. neben dem Styl auch<lb/> von der Manier aus, daß ſie zu der allgemeinen Bedeutung, ganze<lb/> Zeitalter zu charakteriſiren, ſich erweitere. Dieß geſchieht in den Zeit-<lb/> räumen, wo ein Idealſtyl verblüht und ein neuer noch nicht geſtaltet iſt.<lb/> Von Berninis Manier iſt ſchon erwähnt, daß und worum ſie ſich dieſe<lb/> Bedeutung erworben hat; die Malerei der Manieriſten iſt von Italien<lb/> in alle gebildeten Länder Europas gedrungen, ebenſo ſpäter die ſinnen-<lb/> reizende italieniſche Muſikmanier u. ſ. w.</hi> </p> </div> </div><lb/> <div n="6"> <head>4.<lb/><hi rendition="#g">Der Styl in ſeinen allgemeinen Entwicklungsſtufen</hi>.</head><lb/> <div n="7"> <head>§. 531.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die Anerkennung des unreifen Styls (und der Manier) in §. 529, <hi rendition="#sub">2.</hi><lb/> führt zu einer weiteren Bedeutung dieſes Begriffs. Wie nämlich der individuelle<lb/> Styl ſeine Entwicklungsſtufen hat, ſo iſt auch der Styl der Weltalter der<lb/> Phantaſie von einem Bildungs-Geſetze beherrſcht, gemäß welchem er in jeder<lb/> Hauptperiode zuerſt als <hi rendition="#g">ſtrenger</hi> und <hi rendition="#g">harter</hi> (theilweiſe typiſcher, vergl. §. 430, <hi rendition="#sub">3.</hi><lb/> und hieratiſch gebundener), dann als <hi rendition="#g">hoher</hi> oder <hi rendition="#g">erhabenſchöner</hi>, endlich als<lb/><hi rendition="#g">einfach ſchöner, reizender und rührender</hi>, zugleich an die Grenze der<lb/> äſthetiſchen Naturtreue fortgehender Styl auftritt; die letzte Form geht unauf-<lb/> haltſam in falſchen Reiz und Effect, prachliebenden Dienſt des Luxus, Naturalismus<lb/> und Manier über.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Dieſer neue Stylbegriff iſt durch den Satz in dem angeführten §. und<lb/> die ihn erläuternden Bemerkungen vorbereitet, welche neben dem reifen<lb/> Styl auch dem unreifen und der Manier eine objective hiſtoriſche Bedeutung<lb/> zu egen. Es entſt<supplied>e</supplied>ht ſo eine Reihe, die ſich von ſelbſt zu einem beſtimm-<lb/> teren Bilde geſtaltet, als deſſen Hintergrund jenes Entwicklungsgeſetz ſich<lb/> erkennen läßt, das zuerſt <hi rendition="#g">Winkelmann</hi> (Geſch. d. Kunſt d. Alterth. B. <hi rendition="#aq">III</hi><lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0146]
dieſer in ſeinen Styl nur um ſo tiefer eingefühlt und eingelebt, als er
endlich berufen wurde, das moderne Ideal in der Dichtkunſt hinzuſtellen;
von anderer Seite aber ruht dieſes Ideal weſentlich auf dem Aufklärungs-
prinzip, das von England nach Frankreich, dann nach Deutſchland ge-
drungen iſt, von wo es als Revolutionsſtyl der Poeſie (und Philoſophie)
wieder in alle Lande gieng. Dieſes Ueberwachſen eines Styls über die
Kluft der Völker iſt jedoch nicht mit dem Univerſalismus zu verwech-
ſeln, der ohne eigenen Styl die verſchiedenſten ausländiſchen Kunſtfor-
men ſich aneignet; dieſer tritt nur in einer Zeit ein, wo der große Styl
ſchon verfallen iſt. — Uebrigens ſagt der §. neben dem Styl auch
von der Manier aus, daß ſie zu der allgemeinen Bedeutung, ganze
Zeitalter zu charakteriſiren, ſich erweitere. Dieß geſchieht in den Zeit-
räumen, wo ein Idealſtyl verblüht und ein neuer noch nicht geſtaltet iſt.
Von Berninis Manier iſt ſchon erwähnt, daß und worum ſie ſich dieſe
Bedeutung erworben hat; die Malerei der Manieriſten iſt von Italien
in alle gebildeten Länder Europas gedrungen, ebenſo ſpäter die ſinnen-
reizende italieniſche Muſikmanier u. ſ. w.
4.
Der Styl in ſeinen allgemeinen Entwicklungsſtufen.
§. 531.
Die Anerkennung des unreifen Styls (und der Manier) in §. 529, 2.
führt zu einer weiteren Bedeutung dieſes Begriffs. Wie nämlich der individuelle
Styl ſeine Entwicklungsſtufen hat, ſo iſt auch der Styl der Weltalter der
Phantaſie von einem Bildungs-Geſetze beherrſcht, gemäß welchem er in jeder
Hauptperiode zuerſt als ſtrenger und harter (theilweiſe typiſcher, vergl. §. 430, 3.
und hieratiſch gebundener), dann als hoher oder erhabenſchöner, endlich als
einfach ſchöner, reizender und rührender, zugleich an die Grenze der
äſthetiſchen Naturtreue fortgehender Styl auftritt; die letzte Form geht unauf-
haltſam in falſchen Reiz und Effect, prachliebenden Dienſt des Luxus, Naturalismus
und Manier über.
Dieſer neue Stylbegriff iſt durch den Satz in dem angeführten §. und
die ihn erläuternden Bemerkungen vorbereitet, welche neben dem reifen
Styl auch dem unreifen und der Manier eine objective hiſtoriſche Bedeutung
zu egen. Es entſteht ſo eine Reihe, die ſich von ſelbſt zu einem beſtimm-
teren Bilde geſtaltet, als deſſen Hintergrund jenes Entwicklungsgeſetz ſich
erkennen läßt, das zuerſt Winkelmann (Geſch. d. Kunſt d. Alterth. B. III
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