Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.§. 468. 1 Da übrigens das moderne Ideal ein Fortschritt auf denselben Grund- 1. Die Einschränkung läßt sich schon aus dem schließen, was in §. 366 2. Zuerst das Verhältniß zum einfach Schönen, Erhabenen und Komi- §. 468. 1 Da übrigens das moderne Ideal ein Fortſchritt auf denſelben Grund- 1. Die Einſchränkung läßt ſich ſchon aus dem ſchließen, was in §. 366 2. Zuerſt das Verhältniß zum einfach Schönen, Erhabenen und Komi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0218" n="504"/> <div n="5"> <head>§. 468.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#fr">1</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Da übrigens das moderne Ideal ein Fortſchritt auf denſelben Grund-<lb/> lagen und, mit Einſchränkung zwar, in denſelben Volksgeiſtern iſt, wie das<lb/> romantiſche, ſo ſcheint die Darſtellung deſſelben keinen weitern Zuſatz zu fordern,<lb/><note place="left">2</note>als daß es die Grundformen des Schönen (§. 403) in alle Weite und Tiefe<lb/> verfolgen, daß es über alle Arten der nach Sphären ihres Stoffs unterſchiedenen<lb/> Phantaſie (§. 403) ſich gleich frei ausdehnen, daß es im meſſenden Sehen vor-<lb/> erſt unfruchtbar, im taſtenden ein für allemal nachahmend, im eigentlichen Sehen<lb/> dagegen und in der empfindenden Art productiv ſein, ſchließlich aber beſonders<lb/> nach der dichtenden und in ihr nach der Einheit der bildenden und empfindenden<lb/> Phantaſie (§. 404) hindrängen wird.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Die Einſchränkung läßt ſich ſchon aus dem ſchließen, was in §. 366<lb/> über das Zurückbleiben der romaniſchen Völker, die Franzoſen ausgenom-<lb/> men, geſagt iſt. Das Verhältniß iſt aber nicht ganz daſſelbe, wie in der<lb/> Geſchichte. Sie bleiben in jener noch über ihr politiſches Sinken hinaus<lb/> thätig. Darum nun, weil kein weiterer Volksgeiſt productiv in die Welt<lb/> der Phantaſie einrückt, der dem Ideal eine beſondere neue Wendung ge-<lb/> ben könnte, ſcheint es nach dem §., daß über daſſelbe außer dem, was<lb/> der weitere Inhalt des §. ſagt, nichts weiter auszuſprechen ſei. Wir<lb/> werden darauf zurückkommen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Zuerſt das Verhältniß zum einfach Schönen, Erhabenen und Komi-<lb/> ſchen. Erſt wenn das befreite Selbſtbewußtſein ſich als Angel der Welt weiß,<lb/> kann das Erhabene und Komiſche erſchöpft werden; dagegen müſſen je<lb/> die ſinnlicheren Formen, die Naturfriſche der Leidenſchaft, die derbe Kraft<lb/> der Poſſe zurückſinken, doch, wie ſich zeigen wird, nicht ſogleich. Wie<lb/> nun der Humor ſeine Tiefen erreicht, ſo iſt auch das Tragiſche wieder<lb/> da als gegenwärtige Bewegung der unendlichen Gerechtigkeit im Men-<lb/> ſchenleben. Zweitens, die nach Stoff-Sphären beſtimmten Arten der Phan-<lb/> taſie können ſich jetzt alle in freier Ausdehnung entwickeln; insbeſondere<lb/> kann ſich die Phantaſie eines Individuums jetzt erſt ganz in die land-<lb/> ſchaftliche oder thieriſche Schönheit und in die unbefangenen rein menſch-<lb/> lichen Zuſtände als <hi rendition="#g">ſelbſtändige</hi> Arten legen. Die weite Welt iſt offen;<lb/> die Wolke des Mythus, die ſo herrlich glänzte, aber doch ganze Reiche<lb/> des Wirklichen in Schatten ſetzte, iſt verweht, die Sonne ſcheint frei, ein<lb/> lichter Tag liegt über der ganzen Welt. Drittens, die durch die Momente<lb/> der Phantaſie ſelbſt beſtimmten Arten: das meſſende Sehen kann nicht<lb/> blühen, wo das Ahnungsleben im unfreien Scheine, das in abſtracten<lb/> Raumverhältniſſen Welträthſel dunkel niederlegt, das elementariſch Naive<lb/> zu Ende iſt; dieß Ideal kann keinen Bauſtyl ſchaffen; das taſtende Sehen<lb/> wird in der Schule der Alten wieder erwachen, aber nur reproductiv,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [504/0218]
§. 468.
Da übrigens das moderne Ideal ein Fortſchritt auf denſelben Grund-
lagen und, mit Einſchränkung zwar, in denſelben Volksgeiſtern iſt, wie das
romantiſche, ſo ſcheint die Darſtellung deſſelben keinen weitern Zuſatz zu fordern,
als daß es die Grundformen des Schönen (§. 403) in alle Weite und Tiefe
verfolgen, daß es über alle Arten der nach Sphären ihres Stoffs unterſchiedenen
Phantaſie (§. 403) ſich gleich frei ausdehnen, daß es im meſſenden Sehen vor-
erſt unfruchtbar, im taſtenden ein für allemal nachahmend, im eigentlichen Sehen
dagegen und in der empfindenden Art productiv ſein, ſchließlich aber beſonders
nach der dichtenden und in ihr nach der Einheit der bildenden und empfindenden
Phantaſie (§. 404) hindrängen wird.
1. Die Einſchränkung läßt ſich ſchon aus dem ſchließen, was in §. 366
über das Zurückbleiben der romaniſchen Völker, die Franzoſen ausgenom-
men, geſagt iſt. Das Verhältniß iſt aber nicht ganz daſſelbe, wie in der
Geſchichte. Sie bleiben in jener noch über ihr politiſches Sinken hinaus
thätig. Darum nun, weil kein weiterer Volksgeiſt productiv in die Welt
der Phantaſie einrückt, der dem Ideal eine beſondere neue Wendung ge-
ben könnte, ſcheint es nach dem §., daß über daſſelbe außer dem, was
der weitere Inhalt des §. ſagt, nichts weiter auszuſprechen ſei. Wir
werden darauf zurückkommen.
2. Zuerſt das Verhältniß zum einfach Schönen, Erhabenen und Komi-
ſchen. Erſt wenn das befreite Selbſtbewußtſein ſich als Angel der Welt weiß,
kann das Erhabene und Komiſche erſchöpft werden; dagegen müſſen je
die ſinnlicheren Formen, die Naturfriſche der Leidenſchaft, die derbe Kraft
der Poſſe zurückſinken, doch, wie ſich zeigen wird, nicht ſogleich. Wie
nun der Humor ſeine Tiefen erreicht, ſo iſt auch das Tragiſche wieder
da als gegenwärtige Bewegung der unendlichen Gerechtigkeit im Men-
ſchenleben. Zweitens, die nach Stoff-Sphären beſtimmten Arten der Phan-
taſie können ſich jetzt alle in freier Ausdehnung entwickeln; insbeſondere
kann ſich die Phantaſie eines Individuums jetzt erſt ganz in die land-
ſchaftliche oder thieriſche Schönheit und in die unbefangenen rein menſch-
lichen Zuſtände als ſelbſtändige Arten legen. Die weite Welt iſt offen;
die Wolke des Mythus, die ſo herrlich glänzte, aber doch ganze Reiche
des Wirklichen in Schatten ſetzte, iſt verweht, die Sonne ſcheint frei, ein
lichter Tag liegt über der ganzen Welt. Drittens, die durch die Momente
der Phantaſie ſelbſt beſtimmten Arten: das meſſende Sehen kann nicht
blühen, wo das Ahnungsleben im unfreien Scheine, das in abſtracten
Raumverhältniſſen Welträthſel dunkel niederlegt, das elementariſch Naive
zu Ende iſt; dieß Ideal kann keinen Bauſtyl ſchaffen; das taſtende Sehen
wird in der Schule der Alten wieder erwachen, aber nur reproductiv,
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