benadelten Aste das Nadelwerk schön zusammenhäufen und wieder theilen, mehr jedoch findet sich schöne Modellirung bei den gewölbten Kronen von Föhren, Pinien.
§. 275.
1
Durch ihre Mitwirkung zum Gesammt-Eindruck wird nun allerdings die Stellung, Größe, Textur, Zeichnung, Beweglichkeit oder Unbeweglichkeit des Blattes wichtig, während die verschienenen Typen der Zeichnung, wenn sie ver- einzelt dem näheren Anblicke sich darbietet, zwar einen Reichthum zierlicher, kräftig geschwungener, durch einfachere oder zusammengesetztere Symmetrie anzie- hender Umrisse zeigen, jedoch ohne in dieser Vereinzelung ein selbständig Schönes 2begründen zu können. Die Haltung nun, der bestimmte Hauch und Wurf, welchen die Blättermasse einem bedeutenderen vegetabilischen Gebilde gibt, ist weiter bedingt durch die Zusammenwirkung der genannten Eigenschaften mit der Form und Oberfläche, also der Schlankheit oder Dicke, der geraden, starren oder geschwungenen, gekrümmten Bildung, der Härte oder Biegsamkeit, der glatten oder rauhen Rinde des Stamms und der Aeste. Bei vielen Bäumen zertheilen sich die Aeste so zierlich in ihre Zweige, daß das bloße Gerippe einen höchst wohlgefälligen Anblick darbietet.
1. Die Blattform für sich bietet bekanntlich die zierlichsten Formen, für welche die Botanik eine ausführliche Terminologie aufgestellt hat. Ein zierliches Skelett von Rippen oder sogenannten Nerven hält die Fläche des Blatts zusammen und bedingt die Zeichnung seines Umrisses mit. Dieser umfaßt in den einfacheren Bildungen zunächst alle Verschieden- heiten, welche zwischen der kreisrunden und der linienförmigen Gestalt liegen: die lanzettförmige, spießförmige, pfeilförmige, eiförmige, eiförmig zugespitzte, herzförmige, nierenförmige u. s. w. Größere Mannigfaltigkeit tritt sofort durch die verschiedene Bildung des Randes ein; schärfer und eckiger erscheint sie, wenn er gekerbt, gezähnt, gesägt oder auch doppelt gezähnt, doppelt gesägt ist, weicher, wenn er die sog. buchtige Form hat, d. h. mit zugerundeten Hervorragungen und ebensolchen Einschnitten ver- sehen ist (wie das Eichenblatt). Greifen die Hervorragungen und Ein- schnitte tiefer, so entsteht die bereits reichere Form des gelappten, gespaltenen, getheilten, zerschnittenen Blatts; das letztere nähert sich bereits der Gestalt eines aus einer Blättchengruppe gebildeten, zusammengesetzten Blatts, eigentlich aber tritt diese erst ein, wo mehrere vollkommen gesonderte Blättchen mit eigenen Blattstielchen in den gemeinsamen Blattstiel ein- gelenkt ein Gesammtblatt bilden. Hier tritt erst eine entwickeltere, einfachere oder selbst wieder zusammengesetztere Symmetrie ein. So entsteht die gefiederte, gefingerte, schildförmige Bildung. Einfach gefiedert ist z. B.
benadelten Aſte das Nadelwerk ſchön zuſammenhäufen und wieder theilen, mehr jedoch findet ſich ſchöne Modellirung bei den gewölbten Kronen von Föhren, Pinien.
§. 275.
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Durch ihre Mitwirkung zum Geſammt-Eindruck wird nun allerdings die Stellung, Größe, Textur, Zeichnung, Beweglichkeit oder Unbeweglichkeit des Blattes wichtig, während die verſchienenen Typen der Zeichnung, wenn ſie ver- einzelt dem näheren Anblicke ſich darbietet, zwar einen Reichthum zierlicher, kräftig geſchwungener, durch einfachere oder zuſammengeſetztere Symmetrie anzie- hender Umriſſe zeigen, jedoch ohne in dieſer Vereinzelung ein ſelbſtändig Schönes 2begründen zu können. Die Haltung nun, der beſtimmte Hauch und Wurf, welchen die Blättermaſſe einem bedeutenderen vegetabiliſchen Gebilde gibt, iſt weiter bedingt durch die Zuſammenwirkung der genannten Eigenſchaften mit der Form und Oberfläche, alſo der Schlankheit oder Dicke, der geraden, ſtarren oder geſchwungenen, gekrümmten Bildung, der Härte oder Biegſamkeit, der glatten oder rauhen Rinde des Stamms und der Aeſte. Bei vielen Bäumen zertheilen ſich die Aeſte ſo zierlich in ihre Zweige, daß das bloße Gerippe einen höchſt wohlgefälligen Anblick darbietet.
1. Die Blattform für ſich bietet bekanntlich die zierlichſten Formen, für welche die Botanik eine ausführliche Terminologie aufgeſtellt hat. Ein zierliches Skelett von Rippen oder ſogenannten Nerven hält die Fläche des Blatts zuſammen und bedingt die Zeichnung ſeines Umriſſes mit. Dieſer umfaßt in den einfacheren Bildungen zunächſt alle Verſchieden- heiten, welche zwiſchen der kreisrunden und der linienförmigen Geſtalt liegen: die lanzettförmige, ſpießförmige, pfeilförmige, eiförmige, eiförmig zugeſpitzte, herzförmige, nierenförmige u. ſ. w. Größere Mannigfaltigkeit tritt ſofort durch die verſchiedene Bildung des Randes ein; ſchärfer und eckiger erſcheint ſie, wenn er gekerbt, gezähnt, geſägt oder auch doppelt gezähnt, doppelt geſägt iſt, weicher, wenn er die ſog. buchtige Form hat, d. h. mit zugerundeten Hervorragungen und ebenſolchen Einſchnitten ver- ſehen iſt (wie das Eichenblatt). Greifen die Hervorragungen und Ein- ſchnitte tiefer, ſo entſteht die bereits reichere Form des gelappten, geſpaltenen, getheilten, zerſchnittenen Blatts; das letztere nähert ſich bereits der Geſtalt eines aus einer Blättchengruppe gebildeten, zuſammengeſetzten Blatts, eigentlich aber tritt dieſe erſt ein, wo mehrere vollkommen geſonderte Blättchen mit eigenen Blattſtielchen in den gemeinſamen Blattſtiel ein- gelenkt ein Geſammtblatt bilden. Hier tritt erſt eine entwickeltere, einfachere oder ſelbſt wieder zuſammengeſetztere Symmetrie ein. So entſteht die gefiederte, gefingerte, ſchildförmige Bildung. Einfach gefiedert iſt z. B.
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benadelten Aſte das Nadelwerk ſchön zuſammenhäufen und wieder theilen,
mehr jedoch findet ſich ſchöne Modellirung bei den gewölbten Kronen von
Föhren, Pinien.
§. 275.
Durch ihre Mitwirkung zum Geſammt-Eindruck wird nun allerdings die
Stellung, Größe, Textur, Zeichnung, Beweglichkeit oder Unbeweglichkeit des
Blattes wichtig, während die verſchienenen Typen der Zeichnung, wenn ſie ver-
einzelt dem näheren Anblicke ſich darbietet, zwar einen Reichthum zierlicher,
kräftig geſchwungener, durch einfachere oder zuſammengeſetztere Symmetrie anzie-
hender Umriſſe zeigen, jedoch ohne in dieſer Vereinzelung ein ſelbſtändig Schönes
begründen zu können. Die Haltung nun, der beſtimmte Hauch und Wurf, welchen
die Blättermaſſe einem bedeutenderen vegetabiliſchen Gebilde gibt, iſt weiter
bedingt durch die Zuſammenwirkung der genannten Eigenſchaften mit der Form
und Oberfläche, alſo der Schlankheit oder Dicke, der geraden, ſtarren oder
geſchwungenen, gekrümmten Bildung, der Härte oder Biegſamkeit, der glatten
oder rauhen Rinde des Stamms und der Aeſte. Bei vielen Bäumen zertheilen
ſich die Aeſte ſo zierlich in ihre Zweige, daß das bloße Gerippe einen höchſt
wohlgefälligen Anblick darbietet.
1. Die Blattform für ſich bietet bekanntlich die zierlichſten Formen,
für welche die Botanik eine ausführliche Terminologie aufgeſtellt hat.
Ein zierliches Skelett von Rippen oder ſogenannten Nerven hält die Fläche
des Blatts zuſammen und bedingt die Zeichnung ſeines Umriſſes mit.
Dieſer umfaßt in den einfacheren Bildungen zunächſt alle Verſchieden-
heiten, welche zwiſchen der kreisrunden und der linienförmigen Geſtalt
liegen: die lanzettförmige, ſpießförmige, pfeilförmige, eiförmige, eiförmig
zugeſpitzte, herzförmige, nierenförmige u. ſ. w. Größere Mannigfaltigkeit
tritt ſofort durch die verſchiedene Bildung des Randes ein; ſchärfer und
eckiger erſcheint ſie, wenn er gekerbt, gezähnt, geſägt oder auch doppelt
gezähnt, doppelt geſägt iſt, weicher, wenn er die ſog. buchtige Form hat,
d. h. mit zugerundeten Hervorragungen und ebenſolchen Einſchnitten ver-
ſehen iſt (wie das Eichenblatt). Greifen die Hervorragungen und Ein-
ſchnitte tiefer, ſo entſteht die bereits reichere Form des gelappten, geſpaltenen,
getheilten, zerſchnittenen Blatts; das letztere nähert ſich bereits der Geſtalt
eines aus einer Blättchengruppe gebildeten, zuſammengeſetzten Blatts,
eigentlich aber tritt dieſe erſt ein, wo mehrere vollkommen geſonderte
Blättchen mit eigenen Blattſtielchen in den gemeinſamen Blattſtiel ein-
gelenkt ein Geſammtblatt bilden. Hier tritt erſt eine entwickeltere, einfachere
oder ſelbſt wieder zuſammengeſetztere Symmetrie ein. So entſteht die
gefiederte, gefingerte, ſchildförmige Bildung. Einfach gefiedert iſt z. B.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/98>, abgerufen am 22.02.2025.
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