Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.§. 296. Im Rumpfe ist mit dem Systeme der Ernährung durch Verdauung und Der §. hält sich so allgemein als möglich, kann es aber so wenig, §. 296. Im Rumpfe iſt mit dem Syſteme der Ernährung durch Verdauung und Der §. hält ſich ſo allgemein als möglich, kann es aber ſo wenig, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0138" n="126"/> <div n="5"> <head>§. 296.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Im Rumpfe iſt mit dem Syſteme der Ernährung durch Verdauung und<lb/> der Zeugung, welches dem Unterleib angehört, das in der Bruſt eingeſchloßene<lb/> Syſtem der Athmung vereinigt. Hier ſchlägt das vollkommenere <hi rendition="#g">Herz</hi>, deſſen rothes<lb/> Blut, ein Strom höherer und affectvollerer Belebung, weſentlich auch das Muskel-<lb/> fleiſch ernährt, das faſt alle Ecken des Knochengerüſtes mit rundlichen Schwellungen<lb/> umhüllt, ſo die geſchwungene und gewundene Schönheit des höheren Thierleibs<lb/> bedingt und zugleich die höhere Kraft vermittelt. Die <hi rendition="#g">Haut</hi> iſt weder nackt<lb/> noch hornig, ſondern eine wohl abſchließende weiche und ſchmiegſame, das<lb/> mineralähnlich Harte an die Extreme verweiſende Bedeckung. Die Bewegungs-<lb/> Organe ſind auf zwei Paare zurückgeführt und durch ihre Stellung, ſo wie durch<lb/> die übrigen genannten Momente tritt nun überhaupt die Bildung auf, welche<lb/> in §. 285 ff. dargeſtellt iſt, und mit ihr das reichere, auch in vielſeitigerer<lb/> Beweglichkeit der Glieder ſich kund gebende Seelenleben (§. 288. 289). Dieſe<lb/> Geſtalt erreicht eine Größe, die bei keinem wirbelloſen Thiere vorkommt und<lb/> auch dadurch iſt dem Schönen nun erſt die nöthige Greiflichkeit gegeben.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Der §. hält ſich ſo allgemein als möglich, kann es aber ſo wenig,<lb/> als die früheren, vermeiden, theilweiſe ſchon Beſtimmungen auszuſprechen,<lb/> welche keineswegs von allen Thieren dieſer Sphäre gelten; es wird aber<lb/> mit Nächſtem darauf eingegangen werden, daß der abſolute Thiertypus<lb/> nicht mit Einem Sprunge da iſt. Doch hinderte die nöthige Allgemeinheit,<lb/> die Blu<hi rendition="#g">twärme</hi> bei doppelter Herzkammer als weſentlichen Quell und<lb/> Ausdruck des erhöhten Lebens ausdrücklich aufzunehmen, ſonſt wären die<lb/> Amphibien und Fiſche mit einfachem Herzen und kaltem Blut ausgeſchloßen<lb/> worden. Was die Muskel betrifft, ſo mußte noch einmal und beſtimmter<lb/> ausgeſprochen werden, was ſchon §. 285 geſagt iſt, daß es die Ecken durch<lb/> rundliche Linien vermittelt. Nur wo die Füße vom Leib abſtehen, zeigt die<lb/> Geſtalt eigentliche Ecken; auch der Ferſenknochen ſpringt, ausgenommen die<lb/> Sohlenläufer, allerdings ziemlich ſpitz in der Mitte des Beins hinaus, wie<lb/> bei dem Menſchen der Ellenbogen, wenn er ihn biegt. Die Haut erſcheint<lb/> freilich bei Amphibien theils nackt, theils mineral-artig hornig; auf dieſe<lb/> Zwiſchenthiere brauchte aber wenigſtens in dieſem Punct keine Rückſicht genom-<lb/> men zu werden. Die beſtimmteren thieriſchen Bedeckungen, die nun hier als<lb/> Vorzug gegen das Nackte erſcheinen, müßen an ihrem Orte erwähnt werden;<lb/> ſoviel aber kann man ſich hier ſogleich vergegenwärtigen, daß, während<lb/> Niemand Luſt hat, die Schnecke, den Polypen anzurühren, die Hand gerne<lb/> das glatte Fell des Säugthiers ſtreichelt. Der Elephant und wenige<lb/> andere Thiere höherer Ordnung machen, nicht zu ihrem äſthetiſchen Vor-<lb/> theil, eine Ausnahme. Die Haut des Menſchen iſt nun zwar auch nackt,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0138]
§. 296.
Im Rumpfe iſt mit dem Syſteme der Ernährung durch Verdauung und
der Zeugung, welches dem Unterleib angehört, das in der Bruſt eingeſchloßene
Syſtem der Athmung vereinigt. Hier ſchlägt das vollkommenere Herz, deſſen rothes
Blut, ein Strom höherer und affectvollerer Belebung, weſentlich auch das Muskel-
fleiſch ernährt, das faſt alle Ecken des Knochengerüſtes mit rundlichen Schwellungen
umhüllt, ſo die geſchwungene und gewundene Schönheit des höheren Thierleibs
bedingt und zugleich die höhere Kraft vermittelt. Die Haut iſt weder nackt
noch hornig, ſondern eine wohl abſchließende weiche und ſchmiegſame, das
mineralähnlich Harte an die Extreme verweiſende Bedeckung. Die Bewegungs-
Organe ſind auf zwei Paare zurückgeführt und durch ihre Stellung, ſo wie durch
die übrigen genannten Momente tritt nun überhaupt die Bildung auf, welche
in §. 285 ff. dargeſtellt iſt, und mit ihr das reichere, auch in vielſeitigerer
Beweglichkeit der Glieder ſich kund gebende Seelenleben (§. 288. 289). Dieſe
Geſtalt erreicht eine Größe, die bei keinem wirbelloſen Thiere vorkommt und
auch dadurch iſt dem Schönen nun erſt die nöthige Greiflichkeit gegeben.
Der §. hält ſich ſo allgemein als möglich, kann es aber ſo wenig,
als die früheren, vermeiden, theilweiſe ſchon Beſtimmungen auszuſprechen,
welche keineswegs von allen Thieren dieſer Sphäre gelten; es wird aber
mit Nächſtem darauf eingegangen werden, daß der abſolute Thiertypus
nicht mit Einem Sprunge da iſt. Doch hinderte die nöthige Allgemeinheit,
die Blutwärme bei doppelter Herzkammer als weſentlichen Quell und
Ausdruck des erhöhten Lebens ausdrücklich aufzunehmen, ſonſt wären die
Amphibien und Fiſche mit einfachem Herzen und kaltem Blut ausgeſchloßen
worden. Was die Muskel betrifft, ſo mußte noch einmal und beſtimmter
ausgeſprochen werden, was ſchon §. 285 geſagt iſt, daß es die Ecken durch
rundliche Linien vermittelt. Nur wo die Füße vom Leib abſtehen, zeigt die
Geſtalt eigentliche Ecken; auch der Ferſenknochen ſpringt, ausgenommen die
Sohlenläufer, allerdings ziemlich ſpitz in der Mitte des Beins hinaus, wie
bei dem Menſchen der Ellenbogen, wenn er ihn biegt. Die Haut erſcheint
freilich bei Amphibien theils nackt, theils mineral-artig hornig; auf dieſe
Zwiſchenthiere brauchte aber wenigſtens in dieſem Punct keine Rückſicht genom-
men zu werden. Die beſtimmteren thieriſchen Bedeckungen, die nun hier als
Vorzug gegen das Nackte erſcheinen, müßen an ihrem Orte erwähnt werden;
ſoviel aber kann man ſich hier ſogleich vergegenwärtigen, daß, während
Niemand Luſt hat, die Schnecke, den Polypen anzurühren, die Hand gerne
das glatte Fell des Säugthiers ſtreichelt. Der Elephant und wenige
andere Thiere höherer Ordnung machen, nicht zu ihrem äſthetiſchen Vor-
theil, eine Ausnahme. Die Haut des Menſchen iſt nun zwar auch nackt,
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