Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
dieß ganz anders ansieht, so ist hier einer der Punkte, wo der Satz §. 18, 2. §. 277. Gemäß den bisher entwickelten Bedingungen muß der ästhetische Ueberblick Manche Kräuter erreichen in heißen Zonen Baumhöhe, die Farren,
dieß ganz anders anſieht, ſo iſt hier einer der Punkte, wo der Satz §. 18, 2. §. 277. Gemäß den bisher entwickelten Bedingungen muß der äſthetiſche Ueberblick Manche Kräuter erreichen in heißen Zonen Baumhöhe, die Farren, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0103" n="91"/> dieß ganz anders anſieht, ſo iſt hier einer der Punkte, wo der Satz §. 18, <hi rendition="#sub">2.</hi><lb/> eintritt. Die Frucht iſt etwas Edleres, als der ganze Baum, und doch iſt<lb/> nur die Geſtalt des letzteren ſelbſtändig ſchön, jene nicht. Dieß jedoch<lb/> wäre noch nicht der eigentliche Widerſpruch, denn Aeſthetik und Botanik<lb/> würden ſich nur in denſelben Gegenſtand verſchieden theilen; aber gerade<lb/> an den Obſtbäumen iſt die Geſtalt des Ganzen das Unſcheinbarſte, der<lb/> Werth ſammelt ſich alſo auf Koſten der Geſtalt in der Tiefe, er tritt<lb/> dann heraus, aber in einem Gebilde, das zu klein iſt für die äſthetiſche<lb/> Bedeutung. Wenn nun in andern Fällen das Schöne ſich verſchieden<lb/> wenden und dieſes umgekehrte Verhältniß in ſein Intereſſe ziehen kann,<lb/> ſo iſt dieß hier deßwegen nicht der Fall, weil die Frucht nicht ein Bewegtes,<lb/> Thätiges iſt, wie z. B. die Handlungen eines drolligen jungen Thieres,<lb/> welche die Unſcheinbarkeit der Geſtalt durch ein komiſches Intereſſe vergüten.<lb/> Trotz dieſen und noch andern Abweichungen geht aber im Ganzen und<lb/> Großen der Stufenwerth der Schönheit dennoch mit dem der Organiſation<lb/> an ſich Hand in Hand.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 277.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Gemäß den bisher entwickelten Bedingungen muß der äſthetiſche Ueberblick<lb/> des Pflanzenreichs von denjenigen Pflanzen, welche in gemäßigten Zonen eine<lb/> ſo unbedeutende Höhe erreichen, daß ſie nur in geſelliger Menge als Ueberzug<lb/> des Bodens dem Auge den geforderten Umfang darbieten, zu den größeren<lb/> Formen forteilen. <hi rendition="#g">Mooſe, Kräuter, Gräſer</hi>, zum Theil <hi rendition="#g">Schling-<lb/> pflanzen</hi> haben dieſe Bedeutung (vergl. Schluß von §. 274). Sie erſcheinen wie<lb/> ein wucherndes Streben der erſten Form des organiſchen Lebens, das Erdreich<lb/> in ihren Beſitz zu ziehen und Alles, ſelbſt die eigenen feſteren Formen zu<lb/> überkleiden. Das <hi rendition="#g">Geſträuche</hi> gibt der Landſchaft bereits einen energiſcheren<lb/> Schmuck.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Manche Kräuter erreichen in heißen Zonen Baumhöhe, die Farren,<lb/> die Heidekräuter; die Grasform, die wir, trotz ihrer höheren botaniſchen<lb/> Bedeutung, nebſt den Schilfen noch zu der wuchernden geſelligen Ueber-<lb/> kleidung des Bodens zählen müßen, von welcher hier die Rede iſt, ſteigt<lb/> zu der Höhe unſerer Bäume auf. Dieſer Zonen-Unterſchied kann aber in<lb/> ſolcher Ausdehnung nicht berückſichtigt, ſondern nur diejenigen bedeutenderen<lb/> Pflanzen der heißen Himmelsgegenden können im weiteren Zuſammenhang<lb/> ausdrücklich hervorgehoben werden, welche nicht nur durch Unterſchied der<lb/> Größe, ſondern zugleich durch eigenthümlichen Charakter ſich auszeichnen.<lb/> Was nun die Formen, Farben der hier genannten Pflanzen betrifft, ſo<lb/> ſind ſie allerdings auch in ihrer Einzelheit nicht ohne alle äſthetiſche<lb/> Bedeutung. Die Mooſe freilich, welche akotyledoniſch ſind und ſelbſt in<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0103]
dieß ganz anders anſieht, ſo iſt hier einer der Punkte, wo der Satz §. 18, 2.
eintritt. Die Frucht iſt etwas Edleres, als der ganze Baum, und doch iſt
nur die Geſtalt des letzteren ſelbſtändig ſchön, jene nicht. Dieß jedoch
wäre noch nicht der eigentliche Widerſpruch, denn Aeſthetik und Botanik
würden ſich nur in denſelben Gegenſtand verſchieden theilen; aber gerade
an den Obſtbäumen iſt die Geſtalt des Ganzen das Unſcheinbarſte, der
Werth ſammelt ſich alſo auf Koſten der Geſtalt in der Tiefe, er tritt
dann heraus, aber in einem Gebilde, das zu klein iſt für die äſthetiſche
Bedeutung. Wenn nun in andern Fällen das Schöne ſich verſchieden
wenden und dieſes umgekehrte Verhältniß in ſein Intereſſe ziehen kann,
ſo iſt dieß hier deßwegen nicht der Fall, weil die Frucht nicht ein Bewegtes,
Thätiges iſt, wie z. B. die Handlungen eines drolligen jungen Thieres,
welche die Unſcheinbarkeit der Geſtalt durch ein komiſches Intereſſe vergüten.
Trotz dieſen und noch andern Abweichungen geht aber im Ganzen und
Großen der Stufenwerth der Schönheit dennoch mit dem der Organiſation
an ſich Hand in Hand.
§. 277.
Gemäß den bisher entwickelten Bedingungen muß der äſthetiſche Ueberblick
des Pflanzenreichs von denjenigen Pflanzen, welche in gemäßigten Zonen eine
ſo unbedeutende Höhe erreichen, daß ſie nur in geſelliger Menge als Ueberzug
des Bodens dem Auge den geforderten Umfang darbieten, zu den größeren
Formen forteilen. Mooſe, Kräuter, Gräſer, zum Theil Schling-
pflanzen haben dieſe Bedeutung (vergl. Schluß von §. 274). Sie erſcheinen wie
ein wucherndes Streben der erſten Form des organiſchen Lebens, das Erdreich
in ihren Beſitz zu ziehen und Alles, ſelbſt die eigenen feſteren Formen zu
überkleiden. Das Geſträuche gibt der Landſchaft bereits einen energiſcheren
Schmuck.
Manche Kräuter erreichen in heißen Zonen Baumhöhe, die Farren,
die Heidekräuter; die Grasform, die wir, trotz ihrer höheren botaniſchen
Bedeutung, nebſt den Schilfen noch zu der wuchernden geſelligen Ueber-
kleidung des Bodens zählen müßen, von welcher hier die Rede iſt, ſteigt
zu der Höhe unſerer Bäume auf. Dieſer Zonen-Unterſchied kann aber in
ſolcher Ausdehnung nicht berückſichtigt, ſondern nur diejenigen bedeutenderen
Pflanzen der heißen Himmelsgegenden können im weiteren Zuſammenhang
ausdrücklich hervorgehoben werden, welche nicht nur durch Unterſchied der
Größe, ſondern zugleich durch eigenthümlichen Charakter ſich auszeichnen.
Was nun die Formen, Farben der hier genannten Pflanzen betrifft, ſo
ſind ſie allerdings auch in ihrer Einzelheit nicht ohne alle äſthetiſche
Bedeutung. Die Mooſe freilich, welche akotyledoniſch ſind und ſelbſt in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |