Er folgert aber aus seiner treffenden Darstellung jenes Strebens und Zurücksinkens, Haltens und Verlierens, Steigens und Schwindelns, was wesentlich durch den Widerspruch der Auffassung und Zusammenfassung bedingt ist (vergl. §. 84, Anm.), daß die Lust eine bewegte sey (a. a. O. §. 27): "das Gemüth fühlt sich in der Vorstellung des Erhabenen in der Natur bewegt: da es in dem ästbetischen Urtheile über das Schöne derselben in ruhiger Contemplation ist." Hierauf wiederholt er den Satz von einem schnell wechselnden Abstoßen und Anziehen und findet diese Bewegung ganz richtig vorzüglich im Anfange des Acts; denn allerdings legt sich die Bewegung gegen das Ende und beruhigt sich im Bewußtseyn der gleichen Höhe mit der Idee das Subject zu voller Lust. Das Ueberschwengliche für die Einbildungskraft nennt Kant "gleichsam einen Abgrund, worin sie sich selbst zu verlieren fürchtet u. s. w." Daß er übrigens auch diese bewegte Lust von der außerästhetischen, durch Interesse beunruhigten, streng unterscheidet, versteht sich bei Kant von selbst.
Für die Lust in diesem Eindruck läßt sich kein besseres Wort finden, als welches Longin von der Wirkung des rhetorisch Erhabenen braucht (peri ipsous Sect. VII. 2): phisei gar pos upo tou~ alethou~s ipsous epairetai te e psukhe, kai gauron ti anasema lambanousa plerou~tai kharas kai megalaukhias, os aite gennesasa oper ekousen. Das Subject sagt zu dem Gegenstande: ich bin, was du bist! wie Hamlet, indem er dem Gespenste zu folgen entschlossen ist, ausruft:
Was wäre da zu fürchten? Mein Leben acht' ich keiner Nadel werth, Und meiner Seele, kann es der was thun, Die ein unsterblich Ding ist wie er selbst?
Es ist ein Zusammenwachsen des ebenbürtigen Geists im Subjecte mit der unendlichen Idee im Gegenstande, ein Aufgeben beider in Einen Strom, ein Schwung, als führte uns Sturmwind mit in die Höbe. So schließen sich Lust und Unlust zusammen wie in den Worten Fausts, da er den Erdgeist erblickt hat: in jenem sel'gen Augenblicke, ich fühlte mich so klein, so groß!
§. 141.
Was bei der Anschauung des objeetiv Erhabenen empfunden wird,1 kann, da das Erhabene des Raums und der Zeit im Fortschritte unter die
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Er folgert aber aus ſeiner treffenden Darſtellung jenes Strebens und Zurückſinkens, Haltens und Verlierens, Steigens und Schwindelns, was weſentlich durch den Widerſpruch der Auffaſſung und Zuſammenfaſſung bedingt iſt (vergl. §. 84, Anm.), daß die Luſt eine bewegte ſey (a. a. O. §. 27): „das Gemüth fühlt ſich in der Vorſtellung des Erhabenen in der Natur bewegt: da es in dem äſtbetiſchen Urtheile über das Schöne derſelben in ruhiger Contemplation iſt.“ Hierauf wiederholt er den Satz von einem ſchnell wechſelnden Abſtoßen und Anziehen und findet dieſe Bewegung ganz richtig vorzüglich im Anfange des Acts; denn allerdings legt ſich die Bewegung gegen das Ende und beruhigt ſich im Bewußtſeyn der gleichen Höhe mit der Idee das Subject zu voller Luſt. Das Ueberſchwengliche für die Einbildungskraft nennt Kant „gleichſam einen Abgrund, worin ſie ſich ſelbſt zu verlieren fürchtet u. ſ. w.“ Daß er übrigens auch dieſe bewegte Luſt von der außeräſthetiſchen, durch Intereſſe beunruhigten, ſtreng unterſcheidet, verſteht ſich bei Kant von ſelbſt.
Für die Luſt in dieſem Eindruck läßt ſich kein beſſeres Wort finden, als welches Longin von der Wirkung des rhetoriſch Erhabenen braucht (περὶ ἵψȣς Sect. VII. 2): φίσει γάρ πως ὑπὸ τȣ῀ ἀληϑȣ῀ς ἵψȣς ἐπαίρεταί τε ἡ ψυχὴ, καὶ γαῦρόν τι ἀνάςημα λαμβάνȣσα πληρȣ῀ται χαρᾶς καὶ μεγαλαυχίας, ὡς αἰτὴ γεννήσασα ὅπερ ἤκȣσεν. Das Subject ſagt zu dem Gegenſtande: ich bin, was du biſt! wie Hamlet, indem er dem Geſpenſte zu folgen entſchloſſen iſt, ausruft:
Was wäre da zu fürchten? Mein Leben acht’ ich keiner Nadel werth, Und meiner Seele, kann es der was thun, Die ein unſterblich Ding iſt wie er ſelbſt?
Es iſt ein Zuſammenwachſen des ebenbürtigen Geiſts im Subjecte mit der unendlichen Idee im Gegenſtande, ein Aufgeben beider in Einen Strom, ein Schwung, als führte uns Sturmwind mit in die Höbe. So ſchließen ſich Luſt und Unluſt zuſammen wie in den Worten Fauſts, da er den Erdgeiſt erblickt hat: in jenem ſel’gen Augenblicke, ich fühlte mich ſo klein, ſo groß!
§. 141.
Was bei der Anſchauung des objeetiv Erhabenen empfunden wird,1 kann, da das Erhabene des Raums und der Zeit im Fortſchritte unter die
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Er folgert aber aus ſeiner treffenden Darſtellung jenes Strebens und
Zurückſinkens, Haltens und Verlierens, Steigens und Schwindelns, was
weſentlich durch den Widerſpruch der Auffaſſung und Zuſammenfaſſung
bedingt iſt (vergl. §. 84, Anm.), daß die Luſt eine bewegte ſey (a. a. O.
§. 27): „das Gemüth fühlt ſich in der Vorſtellung des Erhabenen in
der Natur bewegt: da es in dem äſtbetiſchen Urtheile über das Schöne
derſelben in ruhiger Contemplation iſt.“ Hierauf wiederholt er den
Satz von einem ſchnell wechſelnden Abſtoßen und Anziehen und findet
dieſe Bewegung ganz richtig vorzüglich im Anfange des Acts; denn
allerdings legt ſich die Bewegung gegen das Ende und beruhigt ſich im
Bewußtſeyn der gleichen Höhe mit der Idee das Subject zu voller Luſt.
Das Ueberſchwengliche für die Einbildungskraft nennt Kant „gleichſam
einen Abgrund, worin ſie ſich ſelbſt zu verlieren fürchtet u. ſ. w.“ Daß
er übrigens auch dieſe bewegte Luſt von der außeräſthetiſchen, durch
Intereſſe beunruhigten, ſtreng unterſcheidet, verſteht ſich bei Kant
von ſelbſt.
Für die Luſt in dieſem Eindruck läßt ſich kein beſſeres Wort finden,
als welches Longin von der Wirkung des rhetoriſch Erhabenen braucht
(περὶ ἵψȣς Sect. VII. 2): φίσει γάρ πως ὑπὸ τȣ῀ ἀληϑȣ῀ς ἵψȣς ἐπαίρεταί
τε ἡ ψυχὴ, καὶ γαῦρόν τι ἀνάςημα λαμβάνȣσα πληρȣ῀ται χαρᾶς καὶ
μεγαλαυχίας, ὡς αἰτὴ γεννήσασα ὅπερ ἤκȣσεν. Das Subject
ſagt zu dem Gegenſtande: ich bin, was du biſt! wie Hamlet, indem
er dem Geſpenſte zu folgen entſchloſſen iſt, ausruft:
Was wäre da zu fürchten?
Mein Leben acht’ ich keiner Nadel werth,
Und meiner Seele, kann es der was thun,
Die ein unſterblich Ding iſt wie er ſelbſt?
Es iſt ein Zuſammenwachſen des ebenbürtigen Geiſts im Subjecte mit
der unendlichen Idee im Gegenſtande, ein Aufgeben beider in Einen
Strom, ein Schwung, als führte uns Sturmwind mit in die Höbe.
So ſchließen ſich Luſt und Unluſt zuſammen wie in den Worten Fauſts,
da er den Erdgeiſt erblickt hat: in jenem ſel’gen Augenblicke, ich fühlte
mich ſo klein, ſo groß!
§. 141.
Was bei der Anſchauung des objeetiv Erhabenen empfunden wird,
kann, da das Erhabene des Raums und der Zeit im Fortſchritte unter die
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/337>, abgerufen am 04.03.2025.
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