es durchdringt, über sie hinausgreift und sie als ein Gemeinsames zusammen- schließt, oder als ein Gesammtsubject. Dieses ist jedoch keine blose Sammlung von Subjecten, sondern dieselbe wahre Unendlichkeit, welche in einem Subjecte gegenwärtig, aber mit dem Widerspruch der Einzelheit (§. 116) behaftet ist, wirkt auch in dem andern und ergänzt je die Mängel des einen durch die Vollkommenheiten des andern. Es ist aber ebendarum kein einzelnes Subject, sondern eine reine, thätige Einheit, welche als unendliche Wechsel-Ergänzung der Subjecte sich als allgemeine Subjectivität oder als absolutes Subject ewig erzeugt.
Während der Theist meinen wird, hier eben sey die Nothwendigkeit des Ueberganges zu dem Begriffe Gottes, der ein einzelnes Subject und doch zugleich die allgemeine Subjectivität seyn soll, so ist es vielmehr umgekehrt gerade nur diese unendliche Entzündung der absoluten Sub- jectivität in der Säule der einzelnen Subjectivitäten, die uns entsteht. Sobald Gott ein einzelnes Subject seyn soll, so ist er auch mit dem Widerspruch der Einzelheit behaftet.
§. 119.
Wenn nun je in der höheren Form die niedrigere mitenthalten ist, so ist dies absolute Subject nicht nur die wahre Unendlichkeit in den guten Subjecten, sondern in allen, und da der gute Wille die untergeordneten Formen des Willens beherrscht, so ist sie das Waltende in der Welt der Subjecte, ebenso aber auch der innere Grund im objectiv Erhabenen und in den harmlosen Gestalten des Schönen, die in diesen Kreis verwickelt sind. Da nun aber die Subjectivität, wie sie sich über diesen objectiven Grund ihres Lebens auch erheben mag, nie schlechtweg über ihn hinaus kann (vergl. §. 32. 49), so herrscht die Unendlich- keit zunächst von unten herauf als strenge objective Nothwendigkeit und der Widerspruch zwischen diesem Satz und dem ersten, daß der gute Wille von oben herab das Ganze beherrsche, bleibt vorerst stehen. Aber ebensosehr ist das wahrhaft Unendliche absolutes Subject in den Subjecten, wie sie sich über den objectiven Lebensgrund erheben, oder in der Freiheit der Einzelnen die abso- lute Freiheit, und so bildet es aus dieser eine zweite, geistige Objectivität; denn die Freiheit, die sich durch Wechsel-Ergänzung der Subjecte heraus- arbeitet und das Zufällige der einzelnen Subjectivität abstreift, wird eine Macht,
es durchdringt, über ſie hinausgreift und ſie als ein Gemeinſames zuſammen- ſchließt, oder als ein Geſammtſubject. Dieſes iſt jedoch keine bloſe Sammlung von Subjecten, ſondern dieſelbe wahre Unendlichkeit, welche in einem Subjecte gegenwärtig, aber mit dem Widerſpruch der Einzelheit (§. 116) behaftet iſt, wirkt auch in dem andern und ergänzt je die Mängel des einen durch die Vollkommenheiten des andern. Es iſt aber ebendarum kein einzelnes Subject, ſondern eine reine, thätige Einheit, welche als unendliche Wechſel-Ergänzung der Subjecte ſich als allgemeine Subjectivität oder als abſolutes Subject ewig erzeugt.
Während der Theiſt meinen wird, hier eben ſey die Nothwendigkeit des Ueberganges zu dem Begriffe Gottes, der ein einzelnes Subject und doch zugleich die allgemeine Subjectivität ſeyn ſoll, ſo iſt es vielmehr umgekehrt gerade nur dieſe unendliche Entzündung der abſoluten Sub- jectivität in der Säule der einzelnen Subjectivitäten, die uns entſteht. Sobald Gott ein einzelnes Subject ſeyn ſoll, ſo iſt er auch mit dem Widerſpruch der Einzelheit behaftet.
§. 119.
Wenn nun je in der höheren Form die niedrigere mitenthalten iſt, ſo iſt dies abſolute Subject nicht nur die wahre Unendlichkeit in den guten Subjecten, ſondern in allen, und da der gute Wille die untergeordneten Formen des Willens beherrſcht, ſo iſt ſie das Waltende in der Welt der Subjecte, ebenſo aber auch der innere Grund im objectiv Erhabenen und in den harmloſen Geſtalten des Schönen, die in dieſen Kreis verwickelt ſind. Da nun aber die Subjectivität, wie ſie ſich über dieſen objectiven Grund ihres Lebens auch erheben mag, nie ſchlechtweg über ihn hinaus kann (vergl. §. 32. 49), ſo herrſcht die Unendlich- keit zunächſt von unten herauf als ſtrenge objective Nothwendigkeit und der Widerſpruch zwiſchen dieſem Satz und dem erſten, daß der gute Wille von oben herab das Ganze beherrſche, bleibt vorerſt ſtehen. Aber ebenſoſehr iſt das wahrhaft Unendliche abſolutes Subject in den Subjecten, wie ſie ſich über den objectiven Lebensgrund erheben, oder in der Freiheit der Einzelnen die abſo- lute Freiheit, und ſo bildet es aus dieſer eine zweite, geiſtige Objectivität; denn die Freiheit, die ſich durch Wechſel-Ergänzung der Subjecte heraus- arbeitet und das Zufällige der einzelnen Subjectivität abſtreift, wird eine Macht,
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es durchdringt, über ſie hinausgreift und ſie als ein Gemeinſames zuſammen-
ſchließt, oder als ein Geſammtſubject. Dieſes iſt jedoch keine bloſe Sammlung
von Subjecten, ſondern dieſelbe wahre Unendlichkeit, welche in einem Subjecte
gegenwärtig, aber mit dem Widerſpruch der Einzelheit (§. 116) behaftet iſt,
wirkt auch in dem andern und ergänzt je die Mängel des einen durch die
Vollkommenheiten des andern. Es iſt aber ebendarum kein einzelnes Subject,
ſondern eine reine, thätige Einheit, welche als unendliche Wechſel-Ergänzung
der Subjecte ſich als allgemeine Subjectivität oder als abſolutes Subject ewig
erzeugt.
Während der Theiſt meinen wird, hier eben ſey die Nothwendigkeit
des Ueberganges zu dem Begriffe Gottes, der ein einzelnes Subject
und doch zugleich die allgemeine Subjectivität ſeyn ſoll, ſo iſt es vielmehr
umgekehrt gerade nur dieſe unendliche Entzündung der abſoluten Sub-
jectivität in der Säule der einzelnen Subjectivitäten, die uns entſteht.
Sobald Gott ein einzelnes Subject ſeyn ſoll, ſo iſt er auch mit dem
Widerſpruch der Einzelheit behaftet.
§. 119.
Wenn nun je in der höheren Form die niedrigere mitenthalten iſt, ſo iſt
dies abſolute Subject nicht nur die wahre Unendlichkeit in den guten Subjecten,
ſondern in allen, und da der gute Wille die untergeordneten Formen des Willens
beherrſcht, ſo iſt ſie das Waltende in der Welt der Subjecte, ebenſo aber auch
der innere Grund im objectiv Erhabenen und in den harmloſen Geſtalten des
Schönen, die in dieſen Kreis verwickelt ſind. Da nun aber die Subjectivität,
wie ſie ſich über dieſen objectiven Grund ihres Lebens auch erheben mag, nie
ſchlechtweg über ihn hinaus kann (vergl. §. 32. 49), ſo herrſcht die Unendlich-
keit zunächſt von unten herauf als ſtrenge objective Nothwendigkeit und der
Widerſpruch zwiſchen dieſem Satz und dem erſten, daß der gute Wille von oben
herab das Ganze beherrſche, bleibt vorerſt ſtehen. Aber ebenſoſehr iſt das
wahrhaft Unendliche abſolutes Subject in den Subjecten, wie ſie ſich über den
objectiven Lebensgrund erheben, oder in der Freiheit der Einzelnen die abſo-
lute Freiheit, und ſo bildet es aus dieſer eine zweite, geiſtige Objectivität;
denn die Freiheit, die ſich durch Wechſel-Ergänzung der Subjecte heraus-
arbeitet und das Zufällige der einzelnen Subjectivität abſtreift, wird eine Macht,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/293>, abgerufen am 30.12.2024.
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