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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Zwölfte Vorlesung.
ren, oder in wie weit sie sich an eigenthümliche Theile an-
derer Art anlegen. Eine solche Art der Endigung ist, wie es
scheint, für die meisten höheren Sinnesorgane charakte-
ristisch, hat aber bei der ausserordentlichen Schwierigkeit,
welche die Untersuchung dieser Theile darbietet, noch an kei-
nem einzigen Punkte zu einer allgemein gültigen Auffassung
geführt. So viel Untersuchungen man über Retina und Coch-
lea, über Nasen- und Mundschleimhaut in den letzten Jahren
gemacht hat, so muss man doch gestehen, dass die letzten
Fragen über das histologische Detail noch nicht ganz erledigt
sind. Fast überall bleiben zwei Möglichkeiten für die Endi-
gung der Nerven. Nach einigen würden sie zuletzt auslaufen in be-
sondere Bildungen, die man nach dem bisherigen Sprachgebrauche
nicht mehr als nervös betrachten würde, eigenthümliche Umbildun-
gen, welche allerdings nach anderen Beobachtern unmittelbar
mit Nervenfasern zusammenhängen sollen, z. B. auf der Riech-
schleimhaut. Diese ist nämlich regelmässig bekleidet mit einem
Cylinderepithelium, welches stark flimmert und in mehrfacher
Lage übereinander gelagert ist, so dass mehrere Zellenreihen
einander decken. Hier kommen nach mehreren neueren Unter-
suchern Zellen vor, welche in einen längeren Faden auslau-
fen und nicht, wie die anderen Epithelialzellen, an der Ober-
fläche endigen, sondern ins Innere hineinlaufen, um hier direct
in die Enden der Nerven überzugehen. Nach anderen dage-
gen würden sich, was richtiger zu sein scheint, besondere fa-
denförmige Enden der Nerven zwischen dem Epithel hervor-
schieben. Die Geruchsobjecte würden also nach dieser Auf-
fassung wirklich direct die Endformationen der Nerven selbst
berühren. Aehnliche Epithelial-Bildungen sind in der letzten
Zeit auch von der Schleimhaut der Zunge beschrieben worden,
aufsitzend auf besonderen Papillen, welche überwiegend nervö-
ser Natur zu sein schienen.

Weiterhin würden diese Elemente eine gewisse Aehnlich-
keit beanspruchen mit den letzten Endigungen, welche wir am
Opticus in der Retina und am Acusticus namentlich in der
Schnecke finden, Bildungen, von welchen die letzteren sich der
äussern Form nach vergleichen lassen mit langgeschwänzten
Epithelial-Elementen, während die in der Retina ausserordent-

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ren, oder in wie weit sie sich an eigenthümliche Theile an-
derer Art anlegen. Eine solche Art der Endigung ist, wie es
scheint, für die meisten höheren Sinnesorgane charakte-
ristisch, hat aber bei der ausserordentlichen Schwierigkeit,
welche die Untersuchung dieser Theile darbietet, noch an kei-
nem einzigen Punkte zu einer allgemein gültigen Auffassung
geführt. So viel Untersuchungen man über Retina und Coch-
lea, über Nasen- und Mundschleimhaut in den letzten Jahren
gemacht hat, so muss man doch gestehen, dass die letzten
Fragen über das histologische Detail noch nicht ganz erledigt
sind. Fast überall bleiben zwei Möglichkeiten für die Endi-
gung der Nerven. Nach einigen würden sie zuletzt auslaufen in be-
sondere Bildungen, die man nach dem bisherigen Sprachgebrauche
nicht mehr als nervös betrachten würde, eigenthümliche Umbildun-
gen, welche allerdings nach anderen Beobachtern unmittelbar
mit Nervenfasern zusammenhängen sollen, z. B. auf der Riech-
schleimhaut. Diese ist nämlich regelmässig bekleidet mit einem
Cylinderepithelium, welches stark flimmert und in mehrfacher
Lage übereinander gelagert ist, so dass mehrere Zellenreihen
einander decken. Hier kommen nach mehreren neueren Unter-
suchern Zellen vor, welche in einen längeren Faden auslau-
fen und nicht, wie die anderen Epithelialzellen, an der Ober-
fläche endigen, sondern ins Innere hineinlaufen, um hier direct
in die Enden der Nerven überzugehen. Nach anderen dage-
gen würden sich, was richtiger zu sein scheint, besondere fa-
denförmige Enden der Nerven zwischen dem Epithel hervor-
schieben. Die Geruchsobjecte würden also nach dieser Auf-
fassung wirklich direct die Endformationen der Nerven selbst
berühren. Aehnliche Epithelial-Bildungen sind in der letzten
Zeit auch von der Schleimhaut der Zunge beschrieben worden,
aufsitzend auf besonderen Papillen, welche überwiegend nervö-
ser Natur zu sein schienen.

Weiterhin würden diese Elemente eine gewisse Aehnlich-
keit beanspruchen mit den letzten Endigungen, welche wir am
Opticus in der Retina und am Acusticus namentlich in der
Schnecke finden, Bildungen, von welchen die letzteren sich der
äussern Form nach vergleichen lassen mit langgeschwänzten
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[222/0244] Zwölfte Vorlesung. ren, oder in wie weit sie sich an eigenthümliche Theile an- derer Art anlegen. Eine solche Art der Endigung ist, wie es scheint, für die meisten höheren Sinnesorgane charakte- ristisch, hat aber bei der ausserordentlichen Schwierigkeit, welche die Untersuchung dieser Theile darbietet, noch an kei- nem einzigen Punkte zu einer allgemein gültigen Auffassung geführt. So viel Untersuchungen man über Retina und Coch- lea, über Nasen- und Mundschleimhaut in den letzten Jahren gemacht hat, so muss man doch gestehen, dass die letzten Fragen über das histologische Detail noch nicht ganz erledigt sind. Fast überall bleiben zwei Möglichkeiten für die Endi- gung der Nerven. Nach einigen würden sie zuletzt auslaufen in be- sondere Bildungen, die man nach dem bisherigen Sprachgebrauche nicht mehr als nervös betrachten würde, eigenthümliche Umbildun- gen, welche allerdings nach anderen Beobachtern unmittelbar mit Nervenfasern zusammenhängen sollen, z. B. auf der Riech- schleimhaut. Diese ist nämlich regelmässig bekleidet mit einem Cylinderepithelium, welches stark flimmert und in mehrfacher Lage übereinander gelagert ist, so dass mehrere Zellenreihen einander decken. Hier kommen nach mehreren neueren Unter- suchern Zellen vor, welche in einen längeren Faden auslau- fen und nicht, wie die anderen Epithelialzellen, an der Ober- fläche endigen, sondern ins Innere hineinlaufen, um hier direct in die Enden der Nerven überzugehen. Nach anderen dage- gen würden sich, was richtiger zu sein scheint, besondere fa- denförmige Enden der Nerven zwischen dem Epithel hervor- schieben. Die Geruchsobjecte würden also nach dieser Auf- fassung wirklich direct die Endformationen der Nerven selbst berühren. Aehnliche Epithelial-Bildungen sind in der letzten Zeit auch von der Schleimhaut der Zunge beschrieben worden, aufsitzend auf besonderen Papillen, welche überwiegend nervö- ser Natur zu sein schienen. Weiterhin würden diese Elemente eine gewisse Aehnlich- keit beanspruchen mit den letzten Endigungen, welche wir am Opticus in der Retina und am Acusticus namentlich in der Schnecke finden, Bildungen, von welchen die letzteren sich der äussern Form nach vergleichen lassen mit langgeschwänzten Epithelial-Elementen, während die in der Retina ausserordent-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/244>, abgerufen am 27.04.2024.