am besten gehaßt). Also wir drei, du, Rike und ich, umar- men uns hier. Im Brief. Und du bist so gut, und schickst mir mit der fahrenden Post den Brief, den ich dir über den jungen Stael schrieb.
Varnhagen, grüßt. Wie überrascht' ich ihn mit dem Heft. Adieu.
Sonnabend, den 16. März 1822.
-- Eifersucht ist Beschämung; darum ist es eine einsame Leidenschaft -- wie Sie sagen; -- Beschämung, die Rech- nung ohne den Wirth gemacht zu haben; das fühlt jeder. Unsre Wünsche, unsre Neigung brachten wir in Anschlag, nicht die des Andern. Uns lieben wir, den Andern wünschen wir; darum fühlen wir uns allein. Dies ist sie rein, die Ei- fersucht. Nun kann noch Neid, und hundertfältige Lebens- und Geselligkeits-Elemente sich hinein schleichen und mischen; bei jedem Fall anders. Aber der unselige Mann fühlt sie wie das unselige Weib: nämlich, den eigentlichen Inbegriff davon; der Edelste fühlt diese Scham am heftigsten, aber er allein nur vermag sie in sich auszumerzen, wenn er sich seinen Irrthum ganz eingesteht. Sollten hier Männer und Weiber verschieden sein können? Verschiedene Denkfähigkeiten, Kräfte, Herzen, Schmerzen haben? --
Freitag Abend, den 5. April 1822.
Ich glaube, es giebt nur sehr wenig Menschen, die, wenn sie empfinden, die große und elegante Welt nur für das an- zusehen wissen, was sie ist. Gewöhnlich streiten sie sich die-
am beſten gehaßt). Alſo wir drei, du, Rike und ich, umar- men uns hier. Im Brief. Und du biſt ſo gut, und ſchickſt mir mit der fahrenden Poſt den Brief, den ich dir über den jungen Staël ſchrieb.
Varnhagen, grüßt. Wie überraſcht’ ich ihn mit dem Heft. Adieu.
Sonnabend, den 16. März 1822.
— Eiferſucht iſt Beſchämung; darum iſt es eine einſame Leidenſchaft — wie Sie ſagen; — Beſchämung, die Rech- nung ohne den Wirth gemacht zu haben; das fühlt jeder. Unſre Wünſche, unſre Neigung brachten wir in Anſchlag, nicht die des Andern. Uns lieben wir, den Andern wünſchen wir; darum fühlen wir uns allein. Dies iſt ſie rein, die Ei- ferſucht. Nun kann noch Neid, und hundertfältige Lebens- und Geſelligkeits-Elemente ſich hinein ſchleichen und miſchen; bei jedem Fall anders. Aber der unſelige Mann fühlt ſie wie das unſelige Weib: nämlich, den eigentlichen Inbegriff davon; der Edelſte fühlt dieſe Scham am heftigſten, aber er allein nur vermag ſie in ſich auszumerzen, wenn er ſich ſeinen Irrthum ganz eingeſteht. Sollten hier Männer und Weiber verſchieden ſein können? Verſchiedene Denkfähigkeiten, Kräfte, Herzen, Schmerzen haben? —
Freitag Abend, den 5. April 1822.
Ich glaube, es giebt nur ſehr wenig Menſchen, die, wenn ſie empfinden, die große und elegante Welt nur für das an- zuſehen wiſſen, was ſie iſt. Gewöhnlich ſtreiten ſie ſich die-
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am beſten gehaßt). Alſo wir drei, du, Rike und ich, umar-
men uns hier. Im Brief. Und du biſt ſo gut, und ſchickſt
mir mit der fahrenden Poſt den Brief, den ich dir über den
jungen Staël ſchrieb.
Varnhagen, grüßt. Wie überraſcht’ ich ihn mit dem
Heft. Adieu.
Sonnabend, den 16. März 1822.
— Eiferſucht iſt Beſchämung; darum iſt es eine einſame
Leidenſchaft — wie Sie ſagen; — Beſchämung, die Rech-
nung ohne den Wirth gemacht zu haben; das fühlt jeder.
Unſre Wünſche, unſre Neigung brachten wir in Anſchlag,
nicht die des Andern. Uns lieben wir, den Andern wünſchen
wir; darum fühlen wir uns allein. Dies iſt ſie rein, die Ei-
ferſucht. Nun kann noch Neid, und hundertfältige Lebens-
und Geſelligkeits-Elemente ſich hinein ſchleichen und miſchen;
bei jedem Fall anders. Aber der unſelige Mann fühlt ſie
wie das unſelige Weib: nämlich, den eigentlichen Inbegriff
davon; der Edelſte fühlt dieſe Scham am heftigſten, aber er
allein nur vermag ſie in ſich auszumerzen, wenn er ſich ſeinen
Irrthum ganz eingeſteht. Sollten hier Männer und Weiber
verſchieden ſein können? Verſchiedene Denkfähigkeiten, Kräfte,
Herzen, Schmerzen haben? —
Freitag Abend, den 5. April 1822.
Ich glaube, es giebt nur ſehr wenig Menſchen, die, wenn
ſie empfinden, die große und elegante Welt nur für das an-
zuſehen wiſſen, was ſie iſt. Gewöhnlich ſtreiten ſie ſich die-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/71>, abgerufen am 20.11.2024.
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