Meine theure Rosa! Sie werden es glauben, bloß schon weil ich es sage. Ich sehne mich oft nach Ihnen; und hielte es für ein großes Glück, wenn Sie in Berlin lebten. Ich bedarf der edlen frischen Freunde; die Ärnte, die Entblätterung, war zu stark. Eine ganze Ärnte der besten Freunde, der be- sten Menschen, habe ich in anderthalb Jahren verloren. Par- don! daß ich dies schreibe: Verstellung ist jetzt am Ende, ich bin zu schwach. Doch hoffe ich wieder, und auch auf meine alten Kräfte. Ihr edles, stilles, konsequentes Wesen und Leben bewundre ich immer; und auch darum möchte ich Sie in der Nähe haben. Es erquickt und steckt an. Könnte mir nicht solch Glück zukommen, nach solch besonderm Unglück? Doch, liebe Rosa, glauben Sie nicht, daß ich vergesse, daß der Mensch nicht erkennen kann, was ihm frommt oder nicht: aber ich wünsche Sie doch. Adieu! Der Platz mangelt.
Ich glaube Varnhagen hat mir mit Bedacht nur kleinen Raum gelassen: er hat Recht; Schreiben erhitzt mich. Er- freuen Sie uns, Liebe, mit Bildern Ihres Idyllenlebens! Ich grüße Assing herzlich, und die lieben Kinder.
Ihre Rahel.
Nach Beendigung unseres Schicksals haben wir gleiche Gefühle wie vor Anfang desselben. Eine Art von vaguem neugierigen Jugenddasein, ein zum All gehöriges Dasein. Wenn man sich nun einmal hat verlieren müssen, so ist es schön,
An Roſa Maria Aſſing, in Hamburg.
Berlin, den 20. September 1832.
Meine theure Roſa! Sie werden es glauben, bloß ſchon weil ich es ſage. Ich ſehne mich oft nach Ihnen; und hielte es für ein großes Glück, wenn Sie in Berlin lebten. Ich bedarf der edlen friſchen Freunde; die Ärnte, die Entblätterung, war zu ſtark. Eine ganze Ärnte der beſten Freunde, der be- ſten Menſchen, habe ich in anderthalb Jahren verloren. Par- don! daß ich dies ſchreibe: Verſtellung iſt jetzt am Ende, ich bin zu ſchwach. Doch hoffe ich wieder, und auch auf meine alten Kräfte. Ihr edles, ſtilles, konſequentes Weſen und Leben bewundre ich immer; und auch darum möchte ich Sie in der Nähe haben. Es erquickt und ſteckt an. Könnte mir nicht ſolch Glück zukommen, nach ſolch beſonderm Unglück? Doch, liebe Roſa, glauben Sie nicht, daß ich vergeſſe, daß der Menſch nicht erkennen kann, was ihm frommt oder nicht: aber ich wünſche Sie doch. Adieu! Der Platz mangelt.
Ich glaube Varnhagen hat mir mit Bedacht nur kleinen Raum gelaſſen: er hat Recht; Schreiben erhitzt mich. Er- freuen Sie uns, Liebe, mit Bildern Ihres Idyllenlebens! Ich grüße Aſſing herzlich, und die lieben Kinder.
Ihre Rahel.
Nach Beendigung unſeres Schickſals haben wir gleiche Gefühle wie vor Anfang deſſelben. Eine Art von vaguem neugierigen Jugenddaſein, ein zum All gehöriges Daſein. Wenn man ſich nun einmal hat verlieren müſſen, ſo iſt es ſchön,
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An Roſa Maria Aſſing, in Hamburg.
Berlin, den 20. September 1832.
Meine theure Roſa! Sie werden es glauben, bloß ſchon
weil ich es ſage. Ich ſehne mich oft nach Ihnen; und hielte
es für ein großes Glück, wenn Sie in Berlin lebten. Ich
bedarf der edlen friſchen Freunde; die Ärnte, die Entblätterung,
war zu ſtark. Eine ganze Ärnte der beſten Freunde, der be-
ſten Menſchen, habe ich in anderthalb Jahren verloren. Par-
don! daß ich dies ſchreibe: Verſtellung iſt jetzt am Ende, ich
bin zu ſchwach. Doch hoffe ich wieder, und auch auf meine
alten Kräfte. Ihr edles, ſtilles, konſequentes Weſen und Leben
bewundre ich immer; und auch darum möchte ich Sie in der
Nähe haben. Es erquickt und ſteckt an. Könnte mir nicht
ſolch Glück zukommen, nach ſolch beſonderm Unglück? Doch,
liebe Roſa, glauben Sie nicht, daß ich vergeſſe, daß der
Menſch nicht erkennen kann, was ihm frommt oder nicht:
aber ich wünſche Sie doch. Adieu! Der Platz mangelt.
Ich glaube Varnhagen hat mir mit Bedacht nur kleinen
Raum gelaſſen: er hat Recht; Schreiben erhitzt mich. Er-
freuen Sie uns, Liebe, mit Bildern Ihres Idyllenlebens! Ich
grüße Aſſing herzlich, und die lieben Kinder.
Ihre Rahel.
Nach Beendigung unſeres Schickſals haben wir gleiche
Gefühle wie vor Anfang deſſelben. Eine Art von vaguem
neugierigen Jugenddaſein, ein zum All gehöriges Daſein. Wenn
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/594>, abgerufen am 22.12.2024.
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