Helles, heißes Nordostwetter. Schönster Mondschein Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir schädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü- hen bei Bartholdy's. Blau von Veilchen.
Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das Quartier bei dir zuerst anbotest. Ich war sehr krank damals, und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich keine Antwort: und schrieb also, den letzten Donnerstag vor acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch sehr richtig, gestern die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht ängstigst. Und wo man ist, ist gut bleiben, wenn solches Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk' ich noch zu kom- men, zu reisen. Es sieht so aus: auch äußere ich oft, als ob's so wäre: ich bin aber nicht mein eigener Herr: darf das nicht sagen; und muß in krümmendster Vernunft noch das Ansehn haben, und mir sagen lassen, daß ich verrückt in Plänen, Wünschen, und Leben bin. Amen! Gott schickt es mir: ich will es hinnehmen, in's Herz schlucken. Also es bleibt dabei; wie ich neulich schrieb. Komme ich; ist es gut. Komme ich nicht: muß es auch gut sein. Jetzt bin ich sehr affizirt: ich habe mich müssen schelten lassen; a soixante ans, et malade. Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts sollen merken lassen!! Aber ich kann es auch nicht immer verbergen. Je- doch ist es anders, wenn ihr diesen Brief leset: und schon
An Ludwig Robert, in Baden.
Dienstag, den 17. April 1832. Morgens 10 Uhr.
Helles, heißes Nordoſtwetter. Schönſter Mondſchein Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir ſchädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü- hen bei Bartholdy’s. Blau von Veilchen.
Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das Quartier bei dir zuerſt anboteſt. Ich war ſehr krank damals, und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich keine Antwort: und ſchrieb alſo, den letzten Donnerstag vor acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch ſehr richtig, geſtern die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht ängſtigſt. Und wo man iſt, iſt gut bleiben, wenn ſolches Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk’ ich noch zu kom- men, zu reiſen. Es ſieht ſo aus: auch äußere ich oft, als ob’s ſo wäre: ich bin aber nicht mein eigener Herr: darf das nicht ſagen; und muß in krümmendſter Vernunft noch das Anſehn haben, und mir ſagen laſſen, daß ich verrückt in Plänen, Wünſchen, und Leben bin. Amen! Gott ſchickt es mir: ich will es hinnehmen, in’s Herz ſchlucken. Alſo es bleibt dabei; wie ich neulich ſchrieb. Komme ich; iſt es gut. Komme ich nicht: muß es auch gut ſein. Jetzt bin ich ſehr affizirt: ich habe mich müſſen ſchelten laſſen; à soixante ans, et malade. Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts ſollen merken laſſen!! Aber ich kann es auch nicht immer verbergen. Je- doch iſt es anders, wenn ihr dieſen Brief leſet: und ſchon
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0572"n="564"/><divn="2"><head>An Ludwig Robert, in Baden.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Dienstag, den 17. April 1832. Morgens 10 Uhr.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#et">Helles, heißes Nordoſtwetter. Schönſter Mondſchein<lb/>
Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir<lb/>ſchädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü-<lb/>
hen bei Bartholdy’s. Blau von Veilchen.</hi></p><lb/><p>Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das<lb/>
Quartier bei dir zuerſt anboteſt. Ich war ſehr krank damals,<lb/>
und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn<lb/>
auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich<lb/>
keine Antwort: und ſchrieb alſo, den letzten Donnerstag vor<lb/>
acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch ſehr<lb/>
richtig, <hirendition="#g">geſtern</hi> die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht<lb/>
ängſtigſt. Und <hirendition="#g">wo</hi> man iſt, iſt gut bleiben, wenn ſolches<lb/>
Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk’ ich noch zu kom-<lb/>
men, zu reiſen. Es ſieht ſo aus: auch äußere ich oft, als ob’s<lb/>ſo wäre: ich bin aber <hirendition="#g">nicht</hi> mein eigener Herr: darf das nicht<lb/>ſagen; und muß in krümmendſter Vernunft noch das Anſehn<lb/>
haben, und mir ſagen laſſen, daß ich verrückt in Plänen,<lb/>
Wünſchen, und Leben bin. Amen! <hirendition="#g">Gott</hi>ſchickt es mir: ich<lb/>
will es hinnehmen, in’s Herz ſchlucken. Alſo es bleibt dabei;<lb/>
wie ich neulich ſchrieb. Komme ich; iſt es gut. Komme ich<lb/>
nicht: muß es auch gut ſein. Jetzt bin ich ſehr affizirt: ich<lb/>
habe mich müſſen ſchelten laſſen; <hirendition="#aq">à soixante ans, et malade.</hi><lb/>
Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts ſollen merken<lb/>
laſſen!! Aber ich kann es auch nicht <hirendition="#g">immer</hi> verbergen. Je-<lb/>
doch iſt es anders, wenn ihr dieſen Brief leſet: und <hirendition="#g">ſchon<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[564/0572]
An Ludwig Robert, in Baden.
Dienstag, den 17. April 1832. Morgens 10 Uhr.
Helles, heißes Nordoſtwetter. Schönſter Mondſchein
Abends: dann gutes Wetter. Um 6 größter, mir
ſchädlicher Nebel. Alles grün. Mandelbäume blü-
hen bei Bartholdy’s. Blau von Veilchen.
Den 4. März bekam ich deinen Brief, worin du mir das
Quartier bei dir zuerſt anboteſt. Ich war ſehr krank damals,
und anwortete den 6. März, daß ich es in jedem Fall, wenn
auch nicht für mich, doch für dich nehme. Darauf erhielt ich
keine Antwort: und ſchrieb alſo, den letzten Donnerstag vor
acht Tagen, dringend um eine. Darauf erhielt ich auch ſehr
richtig, geſtern die eurige. Es freut mich, daß du dich nicht
ängſtigſt. Und wo man iſt, iſt gut bleiben, wenn ſolches
Thier von Krankheit wüthet. Jedoch gedenk’ ich noch zu kom-
men, zu reiſen. Es ſieht ſo aus: auch äußere ich oft, als ob’s
ſo wäre: ich bin aber nicht mein eigener Herr: darf das nicht
ſagen; und muß in krümmendſter Vernunft noch das Anſehn
haben, und mir ſagen laſſen, daß ich verrückt in Plänen,
Wünſchen, und Leben bin. Amen! Gott ſchickt es mir: ich
will es hinnehmen, in’s Herz ſchlucken. Alſo es bleibt dabei;
wie ich neulich ſchrieb. Komme ich; iſt es gut. Komme ich
nicht: muß es auch gut ſein. Jetzt bin ich ſehr affizirt: ich
habe mich müſſen ſchelten laſſen; à soixante ans, et malade.
Ich gehe in mein Bad, und hätte euch nichts ſollen merken
laſſen!! Aber ich kann es auch nicht immer verbergen. Je-
doch iſt es anders, wenn ihr dieſen Brief leſet: und ſchon
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/572>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.