Gefangener ist: in Leib, Natur, Erde, und engerem Vater- land. Unserm Urtheil, unserm Ermessen neue Horizonte öff- nen; das heißt, ist künftiges Leben. Und die Geisteswege aufgeräumt; geben allein Raum, und Möglichkeit zu wir- ken; dies aber will immer Gutes und Liebes für Alle! So gut denke ich von unserm inneren Wollen. Und hiermit grüße ich Ferdinand; und auch Sie.
F. Varnhagen.
Wie sonderbar ist es: daß die Menschen im Einzelnen weiter sind, als ihre Gesammtheiten, die Staaten, die uns regiren sollten, und uns wirklich beherrschen! Wenn sich zwei schlagen, so werden sie schon ganz allgemein für roh, un- menschlich, sittenlos, und dem Gesetz verfallen, gehalten: und derselbe Staat, der Heere aussendet, bringt sie zur Ruhe und Haft. Und diesen Zustand lassen wir uns gefallen: und nur Wenigen fällt er auf! Dieser aber scheint mir der wahre Maßstab, an welchem wir, wie wir sind, gemessen werden müssen: dann haben wir, wie die Franzosen sagen, notre vraie mesure. Vor vieler Zeit schrieb ich schon: "Sie haben noch Sklaven und Krieg; und wundern sich noch." Wundern sich über Versuche! --
Freitag, den 3. Februar 1832. Abends 11 Uhr.
Man kann es gleich merken, ob Einer zu seinen Gedan- ken zuerst aus einem Buche -- Schwarz auf Weiß -- oder unmittelbar aus der Welt, in allen Farben und Formen der
Gefangener iſt: in Leib, Natur, Erde, und engerem Vater- land. Unſerm Urtheil, unſerm Ermeſſen neue Horizonte öff- nen; das heißt, iſt künftiges Leben. Und die Geiſteswege aufgeräumt; geben allein Raum, und Möglichkeit zu wir- ken; dies aber will immer Gutes und Liebes für Alle! So gut denke ich von unſerm inneren Wollen. Und hiermit grüße ich Ferdinand; und auch Sie.
F. Varnhagen.
Wie ſonderbar iſt es: daß die Menſchen im Einzelnen weiter ſind, als ihre Geſammtheiten, die Staaten, die uns regiren ſollten, und uns wirklich beherrſchen! Wenn ſich zwei ſchlagen, ſo werden ſie ſchon ganz allgemein für roh, un- menſchlich, ſittenlos, und dem Geſetz verfallen, gehalten: und derſelbe Staat, der Heere ausſendet, bringt ſie zur Ruhe und Haft. Und dieſen Zuſtand laſſen wir uns gefallen: und nur Wenigen fällt er auf! Dieſer aber ſcheint mir der wahre Maßſtab, an welchem wir, wie wir ſind, gemeſſen werden müſſen: dann haben wir, wie die Franzoſen ſagen, notre vraie mesure. Vor vieler Zeit ſchrieb ich ſchon: „Sie haben noch Sklaven und Krieg; und wundern ſich noch.“ Wundern ſich über Verſuche! —
Freitag, den 3. Februar 1832. Abends 11 Uhr.
Man kann es gleich merken, ob Einer zu ſeinen Gedan- ken zuerſt aus einem Buche — Schwarz auf Weiß — oder unmittelbar aus der Welt, in allen Farben und Formen der
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Gefangener iſt: in Leib, Natur, Erde, und engerem Vater-
land. Unſerm Urtheil, unſerm Ermeſſen neue Horizonte öff-
nen; das heißt, iſt künftiges Leben. Und die Geiſteswege
aufgeräumt; geben allein Raum, und Möglichkeit zu wir-
ken; dies aber will immer Gutes und Liebes für Alle! So
gut denke ich von unſerm inneren Wollen. Und hiermit grüße
ich Ferdinand; und auch Sie.
F. Varnhagen.
Wie ſonderbar iſt es: daß die Menſchen im Einzelnen
weiter ſind, als ihre Geſammtheiten, die Staaten, die uns
regiren ſollten, und uns wirklich beherrſchen! Wenn ſich zwei
ſchlagen, ſo werden ſie ſchon ganz allgemein für roh, un-
menſchlich, ſittenlos, und dem Geſetz verfallen, gehalten: und
derſelbe Staat, der Heere ausſendet, bringt ſie zur Ruhe und
Haft. Und dieſen Zuſtand laſſen wir uns gefallen: und nur
Wenigen fällt er auf! Dieſer aber ſcheint mir der wahre
Maßſtab, an welchem wir, wie wir ſind, gemeſſen werden
müſſen: dann haben wir, wie die Franzoſen ſagen, notre vraie
mesure. Vor vieler Zeit ſchrieb ich ſchon: „Sie haben noch
Sklaven und Krieg; und wundern ſich noch.“ Wundern ſich
über Verſuche! —
Freitag, den 3. Februar 1832.
Abends 11 Uhr.
Man kann es gleich merken, ob Einer zu ſeinen Gedan-
ken zuerſt aus einem Buche — Schwarz auf Weiß — oder
unmittelbar aus der Welt, in allen Farben und Formen der
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/560>, abgerufen am 20.11.2024.
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