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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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nunft zu handeln; der wird abkommen): denn die Unvernünf-
tigsten geben vor, in Vernunft zu handeln.

So lautet mein Dank! Auch schweres Geschütz: in Ihrem
Zeughaus paßt es: drum lasse ich mich gehn. Nichts kajolirt
mich mehr, liebe Frau von Horn, als daß Sie sich behaglich
bei mir fühlen; und mich gutmüthig finden. Dazu gehört
Vorurtheilslosigkeit -- das so Seltene! -- Auf guten Glau-
ben halten mich die Bessern für ein Wunderthier von ich weiß
nicht welch unbegreiflichem Zeuge! Ich aber bin zufrieden,
wenn die Andern zufrieden sind!

Hätten Sie gehört, was ich V. von Ihnen sagte, als
wir allein waren: "So unbefangen! so bequemend! so theil-
nahmvoll. So empfänglich! der schönste Umgang!" Und das
war gewiß vor Ihrem Brief: es war gestern Abend.

Vor dem Dienstag kann ich nicht die Freude haben Sie
zu sprechen. Dienstag schicke ich zu Ihnen. Ihrer Frau
Mutter will ich mich gerne mit Gegenwart und Vergangen-
heit empfohlen wissen! Ich umarme Sie herzlich, liebe Frau
von Horn! --



Vorgestern war die Rede vom Gewissen bei uns. Frau
von Arnim fing so an: "Neulich sagte Einer, das Gewissen
sei wie ein Vorposten auf einer hohen Zinne, der umherschaue,
ob Recht geschähe;" so, glaube ich, erzählte sie. Varnhagen,
Hr. Bartholdy, Robert, alle sagten etwas: ich konnte gar
nichts sagen. Denn mir däucht, des Gewissens Thätigkeit
wird bis jetzt zu sehr beschränkt, und mit seiner Tiefe und
Einfachheit verwechselt. Das Gewissen sagt uns nicht allein,

nunft zu handeln; der wird abkommen): denn die Unvernünf-
tigſten geben vor, in Vernunft zu handeln.

So lautet mein Dank! Auch ſchweres Geſchütz: in Ihrem
Zeughaus paßt es: drum laſſe ich mich gehn. Nichts kajolirt
mich mehr, liebe Frau von Horn, als daß Sie ſich behaglich
bei mir fühlen; und mich gutmüthig finden. Dazu gehört
Vorurtheilsloſigkeit — das ſo Seltene! — Auf guten Glau-
ben halten mich die Beſſern für ein Wunderthier von ich weiß
nicht welch unbegreiflichem Zeuge! Ich aber bin zufrieden,
wenn die Andern zufrieden ſind!

Hätten Sie gehört, was ich V. von Ihnen ſagte, als
wir allein waren: „So unbefangen! ſo bequemend! ſo theil-
nahmvoll. So empfänglich! der ſchönſte Umgang!“ Und das
war gewiß vor Ihrem Brief: es war geſtern Abend.

Vor dem Dienstag kann ich nicht die Freude haben Sie
zu ſprechen. Dienstag ſchicke ich zu Ihnen. Ihrer Frau
Mutter will ich mich gerne mit Gegenwart und Vergangen-
heit empfohlen wiſſen! Ich umarme Sie herzlich, liebe Frau
von Horn! —



Vorgeſtern war die Rede vom Gewiſſen bei uns. Frau
von Arnim fing ſo an: „Neulich ſagte Einer, das Gewiſſen
ſei wie ein Vorpoſten auf einer hohen Zinne, der umherſchaue,
ob Recht geſchähe;“ ſo, glaube ich, erzählte ſie. Varnhagen,
Hr. Bartholdy, Robert, alle ſagten etwas: ich konnte gar
nichts ſagen. Denn mir däucht, des Gewiſſens Thätigkeit
wird bis jetzt zu ſehr beſchränkt, und mit ſeiner Tiefe und
Einfachheit verwechſelt. Das Gewiſſen ſagt uns nicht allein,

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[399/0407] nunft zu handeln; der wird abkommen): denn die Unvernünf- tigſten geben vor, in Vernunft zu handeln. So lautet mein Dank! Auch ſchweres Geſchütz: in Ihrem Zeughaus paßt es: drum laſſe ich mich gehn. Nichts kajolirt mich mehr, liebe Frau von Horn, als daß Sie ſich behaglich bei mir fühlen; und mich gutmüthig finden. Dazu gehört Vorurtheilsloſigkeit — das ſo Seltene! — Auf guten Glau- ben halten mich die Beſſern für ein Wunderthier von ich weiß nicht welch unbegreiflichem Zeuge! Ich aber bin zufrieden, wenn die Andern zufrieden ſind! Hätten Sie gehört, was ich V. von Ihnen ſagte, als wir allein waren: „So unbefangen! ſo bequemend! ſo theil- nahmvoll. So empfänglich! der ſchönſte Umgang!“ Und das war gewiß vor Ihrem Brief: es war geſtern Abend. Vor dem Dienstag kann ich nicht die Freude haben Sie zu ſprechen. Dienstag ſchicke ich zu Ihnen. Ihrer Frau Mutter will ich mich gerne mit Gegenwart und Vergangen- heit empfohlen wiſſen! Ich umarme Sie herzlich, liebe Frau von Horn! — Vorgeſtern war die Rede vom Gewiſſen bei uns. Frau von Arnim fing ſo an: „Neulich ſagte Einer, das Gewiſſen ſei wie ein Vorpoſten auf einer hohen Zinne, der umherſchaue, ob Recht geſchähe;“ ſo, glaube ich, erzählte ſie. Varnhagen, Hr. Bartholdy, Robert, alle ſagten etwas: ich konnte gar nichts ſagen. Denn mir däucht, des Gewiſſens Thätigkeit wird bis jetzt zu ſehr beſchränkt, und mit ſeiner Tiefe und Einfachheit verwechſelt. Das Gewiſſen ſagt uns nicht allein,

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/407>, abgerufen am 20.11.2024.