schrieb! Vor einigen Tagen konnte ich Redtels noch nicht ant- worten. Adieu. Im Laufe des Sommers führt uns Gott wohl zusammen. Von mir kein Plan mehr! Adieu Minna! Ich denke Ihrer, wie Sie sind. -- Grüßen Sie Mama und Frau von Wißmann. Ihre
Fr. V.
Der Professor Witte, Wittwer meiner petite-petite-cou- sine, den ich sehr gut finde; bringt Ihnen diesen Brief. Ich bestand darauf, daß Sie sich einander kennen lernen. Spre- chen Sie nicht nur von mir mit ihm, sondern von allem. Und ganz natürlich; als kennten Sie ihn zehn Jahr. Er entrirt. Lassen Sie ihn wieder kommen: er bleibt auf mein Geheiß wegen Ihrer in Frankfurt. Lassen Sie ihn dies alles lesen.
1829.
Wilhelm Meisters Wanderjahre. Zweites Buch. Neuntes Kapitel, gegen Ende. (S. 170. der kleinen Ausgabe). "Solche Gaukeleien fanden wir durchaus gefährlich, und konnten sie mit unserm ernsten Zweck nicht vereinen." Darum sag' ich immer: Ein Europäer kann nur zur Erholung in's Theater gehn. Weil Europa noch nicht eingerichtet, wie diese Provinzen, sonst, wirklich, fiele Theater aus. Und, dennoch nicht: hätten die Provinzen auf's gewünschteste gewirkt, so bliebe doch noch Raum für Wünschenswerthes, und Drang zu Bewegung der Seele: und wo dieses besser finden, als in Dar- stellung, im lebendigsten Stoff -- des Menschen selbst -- in Anschauung der bewegten Menschenseele selbst; welches An- schauen zu bewirken alle Künste und Handwerke Unterstützung
ſchrieb! Vor einigen Tagen konnte ich Redtels noch nicht ant- worten. Adieu. Im Laufe des Sommers führt uns Gott wohl zuſammen. Von mir kein Plan mehr! Adieu Minna! Ich denke Ihrer, wie Sie ſind. — Grüßen Sie Mama und Frau von Wißmann. Ihre
Fr. V.
Der Profeſſor Witte, Wittwer meiner petite-petite-cou- sine, den ich ſehr gut finde; bringt Ihnen dieſen Brief. Ich beſtand darauf, daß Sie ſich einander kennen lernen. Spre- chen Sie nicht nur von mir mit ihm, ſondern von allem. Und ganz natürlich; als kennten Sie ihn zehn Jahr. Er entrirt. Laſſen Sie ihn wieder kommen: er bleibt auf mein Geheiß wegen Ihrer in Frankfurt. Laſſen Sie ihn dies alles leſen.
1829.
Wilhelm Meiſters Wanderjahre. Zweites Buch. Neuntes Kapitel, gegen Ende. (S. 170. der kleinen Ausgabe). „Solche Gaukeleien fanden wir durchaus gefährlich, und konnten ſie mit unſerm ernſten Zweck nicht vereinen.“ Darum ſag’ ich immer: Ein Europäer kann nur zur Erholung in’s Theater gehn. Weil Europa noch nicht eingerichtet, wie dieſe Provinzen, ſonſt, wirklich, fiele Theater aus. Und, dennoch nicht: hätten die Provinzen auf’s gewünſchteſte gewirkt, ſo bliebe doch noch Raum für Wünſchenswerthes, und Drang zu Bewegung der Seele: und wo dieſes beſſer finden, als in Dar- ſtellung, im lebendigſten Stoff — des Menſchen ſelbſt — in Anſchauung der bewegten Menſchenſeele ſelbſt; welches An- ſchauen zu bewirken alle Künſte und Handwerke Unterſtützung
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ſchrieb! Vor einigen Tagen konnte ich Redtels noch nicht ant-
worten. Adieu. Im Laufe des Sommers führt uns Gott
wohl zuſammen. Von mir kein Plan mehr! Adieu Minna!
Ich denke Ihrer, wie Sie ſind. — Grüßen Sie Mama und
Frau von Wißmann. Ihre
Fr. V.
Der Profeſſor Witte, Wittwer meiner petite-petite-cou-
sine, den ich ſehr gut finde; bringt Ihnen dieſen Brief. Ich
beſtand darauf, daß Sie ſich einander kennen lernen. Spre-
chen Sie nicht nur von mir mit ihm, ſondern von allem. Und
ganz natürlich; als kennten Sie ihn zehn Jahr. Er entrirt.
Laſſen Sie ihn wieder kommen: er bleibt auf mein Geheiß
wegen Ihrer in Frankfurt. Laſſen Sie ihn dies alles leſen.
1829.
Wilhelm Meiſters Wanderjahre. Zweites Buch.
Neuntes Kapitel, gegen Ende. (S. 170. der kleinen Ausgabe).
„Solche Gaukeleien fanden wir durchaus gefährlich, und
konnten ſie mit unſerm ernſten Zweck nicht vereinen.“ Darum
ſag’ ich immer: Ein Europäer kann nur zur Erholung in’s
Theater gehn. Weil Europa noch nicht eingerichtet, wie dieſe
Provinzen, ſonſt, wirklich, fiele Theater aus. Und, dennoch
nicht: hätten die Provinzen auf’s gewünſchteſte gewirkt, ſo
bliebe doch noch Raum für Wünſchenswerthes, und Drang zu
Bewegung der Seele: und wo dieſes beſſer finden, als in Dar-
ſtellung, im lebendigſten Stoff — des Menſchen ſelbſt — in
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/394>, abgerufen am 20.11.2024.
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