Von einer gezierten Dame: "Sie sieht aus, wie ein in Weingeist aufbewahrtes Riesen einer schöner Frau."
E. Was sagen Sie dazu? R. heirathet die junge B!
R. Es geschieht Beiden Recht!
Man sagte von einem Fräulein, sie sei gemüthskrank, und zwar aus Liebe zu einem alten General: "Da ist sie ja nicht toll aus Liebe, sondern liebt schon aus Tollheit."
1828.
Frei sein kann gar nichts anders heißen, als seiner in- nersten Natur sklavisch folgen zu dürfen. Absolute Freiheit, absoluter Wille ist etwas Unmenschliches. Eine Wahl ohne Bewegungsgrund ist Unsinn. --
Montag, den 9. Juni 1828. Aber alt erfunden.
Heute Mittwoch den 18. Juni 1828 fragte Elischen ganz unschuldig und naiv, mitten unter Spiel und anderer Beschäf- tigung, nachdem sie schon Vormittag zum erstenmal de but en blanc aufgesagt hatte: Thiere haben Schnauzen, Poten, Mäuler; Menschen haben einen Mund, Hände, Füße; Vögel Schnäbel; und so untereinander -- die Mutter hatte es sie gelehrt -- und nachdem sie es Nachmittag im kurzen wieder- holt hatte: "Bin ich auch ein Mensch?" Rührend, sublime.
III. 22
(Mündlich.)
Von einer gezierten Dame: „Sie ſieht aus, wie ein in Weingeiſt aufbewahrtes Rieſen einer ſchöner Frau.“
E. Was ſagen Sie dazu? R. heirathet die junge B!
R. Es geſchieht Beiden Recht!
Man ſagte von einem Fräulein, ſie ſei gemüthskrank, und zwar aus Liebe zu einem alten General: „Da iſt ſie ja nicht toll aus Liebe, ſondern liebt ſchon aus Tollheit.“
1828.
Frei ſein kann gar nichts anders heißen, als ſeiner in- nerſten Natur ſklaviſch folgen zu dürfen. Abſolute Freiheit, abſoluter Wille iſt etwas Unmenſchliches. Eine Wahl ohne Bewegungsgrund iſt Unſinn. —
Montag, den 9. Juni 1828. Aber alt erfunden.
Heute Mittwoch den 18. Juni 1828 fragte Elischen ganz unſchuldig und naiv, mitten unter Spiel und anderer Beſchäf- tigung, nachdem ſie ſchon Vormittag zum erſtenmal de but en blanc aufgeſagt hatte: Thiere haben Schnauzen, Poten, Mäuler; Menſchen haben einen Mund, Hände, Füße; Vögel Schnäbel; und ſo untereinander — die Mutter hatte es ſie gelehrt — und nachdem ſie es Nachmittag im kurzen wieder- holt hatte: „Bin ich auch ein Menſch?“ Rührend, ſublime.
III. 22
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0345"n="337"/><divn="3"><p><hirendition="#c">(<hirendition="#g">Mündlich</hi>.)</hi></p><lb/><p>Von einer gezierten Dame: „Sie ſieht aus, wie ein in<lb/>
Weingeiſt aufbewahrtes Rieſen einer ſchöner Frau.“</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>E. Was ſagen Sie dazu? R. heirathet die junge B!</p><lb/><p>R. Es geſchieht <hirendition="#g">Beiden</hi> Recht!</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Man ſagte von einem Fräulein, ſie ſei gemüthskrank,<lb/>
und zwar aus Liebe zu einem alten General: „Da iſt ſie ja<lb/>
nicht toll aus Liebe, ſondern liebt ſchon aus Tollheit.“</p><lb/><dateline><hirendition="#et">1828.</hi></dateline></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Frei ſein kann gar nichts anders heißen, als ſeiner in-<lb/>
nerſten Natur ſklaviſch folgen zu dürfen. Abſolute Freiheit,<lb/>
abſoluter Wille iſt etwas Unmenſchliches. Eine Wahl ohne<lb/>
Bewegungsgrund iſt Unſinn. —</p><lb/><dateline><hirendition="#et">Montag, den 9. Juni 1828.<lb/>
Aber alt erfunden.</hi></dateline></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Heute Mittwoch den 18. Juni 1828 fragte Elischen ganz<lb/>
unſchuldig und naiv, mitten unter Spiel und anderer Beſchäf-<lb/>
tigung, nachdem ſie ſchon Vormittag zum erſtenmal <hirendition="#aq">de but<lb/>
en blanc</hi> aufgeſagt hatte: Thiere haben Schnauzen, Poten,<lb/>
Mäuler; Menſchen haben einen Mund, Hände, Füße; Vögel<lb/>
Schnäbel; und ſo untereinander — die Mutter hatte es ſie<lb/>
gelehrt — und nachdem ſie es Nachmittag im kurzen wieder-<lb/>
holt hatte: „Bin ich auch ein Menſch?“ Rührend, ſublime.<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">III.</hi> 22</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[337/0345]
(Mündlich.)
Von einer gezierten Dame: „Sie ſieht aus, wie ein in
Weingeiſt aufbewahrtes Rieſen einer ſchöner Frau.“
E. Was ſagen Sie dazu? R. heirathet die junge B!
R. Es geſchieht Beiden Recht!
Man ſagte von einem Fräulein, ſie ſei gemüthskrank,
und zwar aus Liebe zu einem alten General: „Da iſt ſie ja
nicht toll aus Liebe, ſondern liebt ſchon aus Tollheit.“
1828.
Frei ſein kann gar nichts anders heißen, als ſeiner in-
nerſten Natur ſklaviſch folgen zu dürfen. Abſolute Freiheit,
abſoluter Wille iſt etwas Unmenſchliches. Eine Wahl ohne
Bewegungsgrund iſt Unſinn. —
Montag, den 9. Juni 1828.
Aber alt erfunden.
Heute Mittwoch den 18. Juni 1828 fragte Elischen ganz
unſchuldig und naiv, mitten unter Spiel und anderer Beſchäf-
tigung, nachdem ſie ſchon Vormittag zum erſtenmal de but
en blanc aufgeſagt hatte: Thiere haben Schnauzen, Poten,
Mäuler; Menſchen haben einen Mund, Hände, Füße; Vögel
Schnäbel; und ſo untereinander — die Mutter hatte es ſie
gelehrt — und nachdem ſie es Nachmittag im kurzen wieder-
holt hatte: „Bin ich auch ein Menſch?“ Rührend, ſublime.
III. 22
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/345>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.