Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
An Adelheid Fürstin von Carolath.


Heute, theure Fürstin, nur zwei Worte! Nur einen Dank
für Ihren zweiten Brief! den lieben. Stillen Freitag bekam
ich ihn; noch denselben Tag schickte ich nach dem Tüll, um
ihn Ihnen baldmöglichst zu senden. Aber in meinem Leben
schicke ich nicht wieder nach diesem Laden! -- Können Sie den
Tüll, so wie er ist, gebrauchen? Macht Ihnen eine Naht
mehr im Rock nichts? sie sagen, es seien englische Ellen --
die Lüge, er wird hier gemacht, glaub' ich, -- und die seien
ein Viertel kürzer. --

Hätten Sie nur schönern stäteren Frühling! Sie können
ihn ganz gebrauchen; im kleinen Paradiese. Hier ringt Früh-
ling mit Winter; auch war ich seit zehn Tagen nur in Ri-
chard dem Dritten (wegen einem rheumatischen Knie, von
einem Fehltritt gereizt.) -- Welch Meisterstück, und wie ge-
spielt, von der Mad. Krickeberg -- alte Herzogin von York,
des Bösewichts Mutter -- und Mad. Schröck -- verbannte
Margaretha. Über meine Vorstellung. Wie weh that es
mir, daß Sie so Großes nicht sahen! Weh. Den ganzen
Winter kam dergleichen nicht vor. Die Krickeberg wie eine
symbolische Person: das Alter. Das hat immer Gram; und
größern als alle Jüngern. Die drei Königinnen -- Töchter
und Mütter von Königen, -- saßen wie drei Parzen, und be-
sprachen der Welt Unheil im eignen Gefühl, der eignen Lei-
den. Lesen Sie das Stück in Schlegels Übersetzung nach.

An Adelheid Fürſtin von Carolath.


Heute, theure Fürſtin, nur zwei Worte! Nur einen Dank
für Ihren zweiten Brief! den lieben. Stillen Freitag bekam
ich ihn; noch denſelben Tag ſchickte ich nach dem Tüll, um
ihn Ihnen baldmöglichſt zu ſenden. Aber in meinem Leben
ſchicke ich nicht wieder nach dieſem Laden! — Können Sie den
Tüll, ſo wie er iſt, gebrauchen? Macht Ihnen eine Naht
mehr im Rock nichts? ſie ſagen, es ſeien engliſche Ellen —
die Lüge, er wird hier gemacht, glaub’ ich, — und die ſeien
ein Viertel kürzer. —

Hätten Sie nur ſchönern ſtäteren Frühling! Sie können
ihn ganz gebrauchen; im kleinen Paradieſe. Hier ringt Früh-
ling mit Winter; auch war ich ſeit zehn Tagen nur in Ri-
chard dem Dritten (wegen einem rheumatiſchen Knie, von
einem Fehltritt gereizt.) — Welch Meiſterſtück, und wie ge-
ſpielt, von der Mad. Krickeberg — alte Herzogin von York,
des Böſewichts Mutter — und Mad. Schröck — verbannte
Margaretha. Über meine Vorſtellung. Wie weh that es
mir, daß Sie ſo Großes nicht ſahen! Weh. Den ganzen
Winter kam dergleichen nicht vor. Die Krickeberg wie eine
ſymboliſche Perſon: das Alter. Das hat immer Gram; und
größern als alle Jüngern. Die drei Königinnen — Töchter
und Mütter von Königen, — ſaßen wie drei Parzen, und be-
ſprachen der Welt Unheil im eignen Gefühl, der eignen Lei-
den. Leſen Sie das Stück in Schlegels Überſetzung nach.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0342" n="334"/>
        <div n="2">
          <head>An Adelheid Für&#x017F;tin von Carolath.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag, den 8. April 1828.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Heute, theure Für&#x017F;tin, nur zwei Worte! Nur einen Dank<lb/>
für Ihren zweiten Brief! den lieben. Stillen Freitag bekam<lb/>
ich ihn; noch den&#x017F;elben Tag &#x017F;chickte ich nach dem Tüll, um<lb/>
ihn Ihnen baldmöglich&#x017F;t zu &#x017F;enden. Aber in meinem Leben<lb/>
&#x017F;chicke ich nicht wieder nach die&#x017F;em Laden! &#x2014; <hi rendition="#g">Können</hi> Sie den<lb/>
Tüll, <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> wie er i&#x017F;t, gebrauchen? Macht Ihnen eine Naht<lb/>
mehr im Rock nichts? &#x017F;ie &#x017F;agen, es &#x017F;eien engli&#x017F;che Ellen &#x2014;<lb/>
die <hi rendition="#g">Lüge</hi>, er wird hier gemacht, glaub&#x2019; ich, &#x2014; und die &#x017F;eien<lb/>
ein Viertel kürzer. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Hätten Sie nur &#x017F;chönern &#x017F;täteren Frühling! <hi rendition="#g">Sie</hi> können<lb/>
ihn ganz gebrauchen; im kleinen Paradie&#x017F;e. Hier ringt Früh-<lb/>
ling mit Winter; auch war ich &#x017F;eit zehn Tagen nur in Ri-<lb/>
chard dem Dritten (wegen einem rheumati&#x017F;chen Knie, von<lb/>
einem Fehltritt gereizt.) &#x2014; Welch Mei&#x017F;ter&#x017F;tück, und wie ge-<lb/>
&#x017F;pielt, von der Mad. Krickeberg &#x2014; alte Herzogin von York,<lb/>
des Bö&#x017F;ewichts Mutter &#x2014; und Mad. Schröck &#x2014; verbannte<lb/>
Margaretha. <hi rendition="#g">Über</hi> meine Vor&#x017F;tellung. Wie weh that es<lb/>
mir, daß Sie &#x017F;o Großes nicht &#x017F;ahen! <hi rendition="#g">Weh</hi>. Den ganzen<lb/>
Winter kam dergleichen nicht vor. Die Krickeberg wie eine<lb/>
&#x017F;ymboli&#x017F;che Per&#x017F;on: das Alter. Das hat immer Gram; und<lb/>
größern als alle Jüngern. Die drei Königinnen &#x2014; Töchter<lb/>
und Mütter von Königen, &#x2014; &#x017F;aßen wie drei Parzen, und be-<lb/>
&#x017F;prachen der Welt Unheil im eignen Gefühl, der eignen Lei-<lb/>
den. Le&#x017F;en Sie das Stück in Schlegels Über&#x017F;etzung nach.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0342] An Adelheid Fürſtin von Carolath. Dienstag, den 8. April 1828. Heute, theure Fürſtin, nur zwei Worte! Nur einen Dank für Ihren zweiten Brief! den lieben. Stillen Freitag bekam ich ihn; noch denſelben Tag ſchickte ich nach dem Tüll, um ihn Ihnen baldmöglichſt zu ſenden. Aber in meinem Leben ſchicke ich nicht wieder nach dieſem Laden! — Können Sie den Tüll, ſo wie er iſt, gebrauchen? Macht Ihnen eine Naht mehr im Rock nichts? ſie ſagen, es ſeien engliſche Ellen — die Lüge, er wird hier gemacht, glaub’ ich, — und die ſeien ein Viertel kürzer. — Hätten Sie nur ſchönern ſtäteren Frühling! Sie können ihn ganz gebrauchen; im kleinen Paradieſe. Hier ringt Früh- ling mit Winter; auch war ich ſeit zehn Tagen nur in Ri- chard dem Dritten (wegen einem rheumatiſchen Knie, von einem Fehltritt gereizt.) — Welch Meiſterſtück, und wie ge- ſpielt, von der Mad. Krickeberg — alte Herzogin von York, des Böſewichts Mutter — und Mad. Schröck — verbannte Margaretha. Über meine Vorſtellung. Wie weh that es mir, daß Sie ſo Großes nicht ſahen! Weh. Den ganzen Winter kam dergleichen nicht vor. Die Krickeberg wie eine ſymboliſche Perſon: das Alter. Das hat immer Gram; und größern als alle Jüngern. Die drei Königinnen — Töchter und Mütter von Königen, — ſaßen wie drei Parzen, und be- ſprachen der Welt Unheil im eignen Gefühl, der eignen Lei- den. Leſen Sie das Stück in Schlegels Überſetzung nach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/342
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/342>, abgerufen am 20.11.2024.