Bearbeitung werden sie zu Einer werden. Das Wissen fromm- spekulativer Menschen ist, das alles in der Sonne, in Gott finden. Das Finden ist schon recht; aber das Erklären geht nur, ich möchte sagen, durch den Weg der Strahlen. Trost und Verlaß giebt die Sonne, wo wir an's Unerklärliche kommen.
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Berlin, Anfang Aprils 1826.
-- Ich schicke dir einen Brief Adem Müllers über seinen Freund Wiesel, dessen Tod ich ihm gemeldet hatte. Ich finde sehr gut, was er über ihn sagt, und wie er das Ereigniß ansieht. Ich hatte ihm nämlich geschrieben, daß ich dem un- heilbar Kranken täglich labende und erwünschte Speisen aus meiner Küche zuschickte, vier Treppen hinauf, die ich leider nicht steigen konnte, und wie er dafür sich dankbar und ge- rührt erwiesen. Auch daß seine dicke Haut mich schon längst nicht irre machte, ein doch gutes und gewöhnliches Menschen- kind in ihm zu sehen. Sein sogenannter Atheismus erschien mir von jeher eine Kinderei, erfunden, um andren Kindereien Trotz zu bieten. Wenn er seine Gottheit ganz in wüste All- gemeinheit des Gedankens hinaus- oder in die Fülle der Na- tur hinein-demonstriren wollte, machte ich ihn gleich lachen, wenn ich ihm nach meiner Art unbefangen einwandte: "Nun, lieber Wiesel, zu dem Gedanken und zu den Gliedern wird doch ein Kopf sein müssen!" Hingegen zwang auch er mir
Bearbeitung werden ſie zu Einer werden. Das Wiſſen fromm- ſpekulativer Menſchen iſt, das alles in der Sonne, in Gott finden. Das Finden iſt ſchon recht; aber das Erklären geht nur, ich möchte ſagen, durch den Weg der Strahlen. Troſt und Verlaß giebt die Sonne, wo wir an’s Unerklärliche kommen.
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Berlin, Anfang Aprils 1826.
— Ich ſchicke dir einen Brief Adem Müllers über ſeinen Freund Wieſel, deſſen Tod ich ihm gemeldet hatte. Ich finde ſehr gut, was er über ihn ſagt, und wie er das Ereigniß anſieht. Ich hatte ihm nämlich geſchrieben, daß ich dem un- heilbar Kranken täglich labende und erwünſchte Speiſen aus meiner Küche zuſchickte, vier Treppen hinauf, die ich leider nicht ſteigen konnte, und wie er dafür ſich dankbar und ge- rührt erwieſen. Auch daß ſeine dicke Haut mich ſchon längſt nicht irre machte, ein doch gutes und gewöhnliches Menſchen- kind in ihm zu ſehen. Sein ſogenannter Atheismus erſchien mir von jeher eine Kinderei, erfunden, um andren Kindereien Trotz zu bieten. Wenn er ſeine Gottheit ganz in wüſte All- gemeinheit des Gedankens hinaus- oder in die Fülle der Na- tur hinein-demonſtriren wollte, machte ich ihn gleich lachen, wenn ich ihm nach meiner Art unbefangen einwandte: „Nun, lieber Wieſel, zu dem Gedanken und zu den Gliedern wird doch ein Kopf ſein müſſen!“ Hingegen zwang auch er mir
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Bearbeitung werden ſie zu Einer werden. Das Wiſſen fromm-
ſpekulativer Menſchen iſt, das alles in der Sonne, in Gott
finden. Das Finden iſt ſchon recht; aber das Erklären geht
nur, ich möchte ſagen, durch den Weg der Strahlen. Troſt
und Verlaß giebt die Sonne, wo wir an’s Unerklärliche
kommen.
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Berlin, Anfang Aprils 1826.
— Ich ſchicke dir einen Brief Adem Müllers über ſeinen
Freund Wieſel, deſſen Tod ich ihm gemeldet hatte. Ich finde
ſehr gut, was er über ihn ſagt, und wie er das Ereigniß
anſieht. Ich hatte ihm nämlich geſchrieben, daß ich dem un-
heilbar Kranken täglich labende und erwünſchte Speiſen aus
meiner Küche zuſchickte, vier Treppen hinauf, die ich leider
nicht ſteigen konnte, und wie er dafür ſich dankbar und ge-
rührt erwieſen. Auch daß ſeine dicke Haut mich ſchon längſt
nicht irre machte, ein doch gutes und gewöhnliches Menſchen-
kind in ihm zu ſehen. Sein ſogenannter Atheismus erſchien
mir von jeher eine Kinderei, erfunden, um andren Kindereien
Trotz zu bieten. Wenn er ſeine Gottheit ganz in wüſte All-
gemeinheit des Gedankens hinaus- oder in die Fülle der Na-
tur hinein-demonſtriren wollte, machte ich ihn gleich lachen,
wenn ich ihm nach meiner Art unbefangen einwandte: „Nun,
lieber Wieſel, zu dem Gedanken und zu den Gliedern wird
doch ein Kopf ſein müſſen!“ Hingegen zwang auch er mir
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/247>, abgerufen am 21.12.2024.
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