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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Glück gut ist, seine Einsichten: d. h. Andre mit seinen Ein-
sichten. --




Saint-Martin bessert mich immer: er macht mich nicht
besser, als ich bin, aber so gut, als ich sein kann. Ja, wenn
ich nur an ihn denke. --



Leute mit noch so geringem Grade von Witz und Einsicht
wären sehr gut zu leiden, wenn sie nur nie etwas Uneinge-
sehenes nachsagten: dies aber ist Prätension, Narrheit, Lüge;
und die sind nicht zu ertragen. Angelus sagt:

Die Einfalt schätz' ich hoch, der Gott hat Witz beschcert;
Die aber den nicht hat, ist nicht des Namens werth.

Ich möchte gerne sagen:

Die Dummheit schätz' ich noch, die rein für sich besteht;
Die aber Narrheit hegt, mit Recht zu Grunde geht.



A. Ich weiß gar nicht, warum X. sich vor einigen Jah-
ren so zeigte, wie er that: eine Übereilung! Bei der besten
Denkungsart, die er hat, hätte er diese Dummheit nicht nö-
thig gehabt.

R. "So ist es immer. Darin bestehen alle Dummheiten,
die wir begehen; sie sind immer dümmer als wir."



Washington Irwing sagt in einer Erzählung: "Mit mei-
nem Vater war sehr schlecht streiten: er wußte nie, wenn er

Glück gut iſt, ſeine Einſichten: d. h. Andre mit ſeinen Ein-
ſichten. —




Saint-Martin beſſert mich immer: er macht mich nicht
beſſer, als ich bin, aber ſo gut, als ich ſein kann. Ja, wenn
ich nur an ihn denke. —



Leute mit noch ſo geringem Grade von Witz und Einſicht
wären ſehr gut zu leiden, wenn ſie nur nie etwas Uneinge-
ſehenes nachſagten: dies aber iſt Prätenſion, Narrheit, Lüge;
und die ſind nicht zu ertragen. Angelus ſagt:

Die Einfalt ſchätz’ ich hoch, der Gott hat Witz beſchcert;
Die aber den nicht hat, iſt nicht des Namens werth.

Ich möchte gerne ſagen:

Die Dummheit ſchätz’ ich noch, die rein für ſich beſteht;
Die aber Narrheit hegt, mit Recht zu Grunde geht.



A. Ich weiß gar nicht, warum X. ſich vor einigen Jah-
ren ſo zeigte, wie er that: eine Übereilung! Bei der beſten
Denkungsart, die er hat, hätte er dieſe Dummheit nicht nö-
thig gehabt.

R. „So iſt es immer. Darin beſtehen alle Dummheiten,
die wir begehen; ſie ſind immer dümmer als wir.“



Waſhington Irwing ſagt in einer Erzählung: „Mit mei-
nem Vater war ſehr ſchlecht ſtreiten: er wußte nie, wenn er

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[226/0234] Glück gut iſt, ſeine Einſichten: d. h. Andre mit ſeinen Ein- ſichten. — Montag, den 17. Oktober 1825. Saint-Martin beſſert mich immer: er macht mich nicht beſſer, als ich bin, aber ſo gut, als ich ſein kann. Ja, wenn ich nur an ihn denke. — Leute mit noch ſo geringem Grade von Witz und Einſicht wären ſehr gut zu leiden, wenn ſie nur nie etwas Uneinge- ſehenes nachſagten: dies aber iſt Prätenſion, Narrheit, Lüge; und die ſind nicht zu ertragen. Angelus ſagt: Die Einfalt ſchätz’ ich hoch, der Gott hat Witz beſchcert; Die aber den nicht hat, iſt nicht des Namens werth. Ich möchte gerne ſagen: Die Dummheit ſchätz’ ich noch, die rein für ſich beſteht; Die aber Narrheit hegt, mit Recht zu Grunde geht. Sonntag, den 23. Oktober 1825. Abends 11 Uhr. A. Ich weiß gar nicht, warum X. ſich vor einigen Jah- ren ſo zeigte, wie er that: eine Übereilung! Bei der beſten Denkungsart, die er hat, hätte er dieſe Dummheit nicht nö- thig gehabt. R. „So iſt es immer. Darin beſtehen alle Dummheiten, die wir begehen; ſie ſind immer dümmer als wir.“ Waſhington Irwing ſagt in einer Erzählung: „Mit mei- nem Vater war ſehr ſchlecht ſtreiten: er wußte nie, wenn er

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/234>, abgerufen am 22.12.2024.