Kurz, das höchst-Menschliche und das Höchste für den Men- schen. Pauvre humanite! sagt Mad. Stael. Laß diese Män- nerworte, wie sie mir gerathen sind, dir als Zärtlichkeiten die- nen! Es geht! da du weißt, daß ich auch zärtlich bin. Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; so wie du's ernstlich wünschest, und es dir wahrhaft Trost ist. Nur damals, als du schreiben wolltest, war ich selbst sehr übel. Doch ist es auch mir genug, daß du mich wolltest. -- Wir haben einen sehr originellen, verstandvollen Fremden hier; Fürst Kosloffsky, Russe, gewesener Gesandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe; in Frankreich, England, Italien zu Hause; voller Leben und Geist. Er ist weit über die sogenannte große Welt hinaus; bedarf ihrer aber, so wie großer Konversationen, und eines großen Interesse's. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da hat er die große Welt, die große Konversation macht er dort selbst, und für sich allein; und bei seinem ungeheuern gesell- schaftlichen Ehrgeiz schafft er sich, ebenso für sich allein, auch ein großes Interesse, mit kleinen Mitteln. --
An Alfred Graffunder.
Donnerstag, den 20. Januar 1825.
Morgen Abend kann ich Ihnen sehr etwas Hübsches zei- gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen. (Auch meinetwegen; denn es that mir vorgestern sehr leid, Sie verwaist bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter in meinem Hause: wenn ich nicht da bin, sind die Kinder in
12 *
Kurz, das höchſt-Menſchliche und das Höchſte für den Men- ſchen. Pauvre humanité! ſagt Mad. Staël. Laß dieſe Män- nerworte, wie ſie mir gerathen ſind, dir als Zärtlichkeiten die- nen! Es geht! da du weißt, daß ich auch zärtlich bin. Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; ſo wie du’s ernſtlich wünſcheſt, und es dir wahrhaft Troſt iſt. Nur damals, als du ſchreiben wollteſt, war ich ſelbſt ſehr übel. Doch iſt es auch mir genug, daß du mich wollteſt. — Wir haben einen ſehr originellen, verſtandvollen Fremden hier; Fürſt Kosloffsky, Ruſſe, geweſener Geſandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe; in Frankreich, England, Italien zu Hauſe; voller Leben und Geiſt. Er iſt weit über die ſogenannte große Welt hinaus; bedarf ihrer aber, ſo wie großer Konverſationen, und eines großen Intereſſe’s. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da hat er die große Welt, die große Konverſation macht er dort ſelbſt, und für ſich allein; und bei ſeinem ungeheuern geſell- ſchaftlichen Ehrgeiz ſchafft er ſich, ebenſo für ſich allein, auch ein großes Intereſſe, mit kleinen Mitteln. —
An Alfred Graffunder.
Donnerstag, den 20. Januar 1825.
Morgen Abend kann ich Ihnen ſehr etwas Hübſches zei- gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen. (Auch meinetwegen; denn es that mir vorgeſtern ſehr leid, Sie verwaiſt bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter in meinem Hauſe: wenn ich nicht da bin, ſind die Kinder in
12 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0187"n="179"/>
Kurz, das höchſt-Menſchliche und das Höchſte für den Men-<lb/>ſchen. <hirendition="#aq">Pauvre humanité!</hi>ſagt Mad. Sta<hirendition="#aq">ë</hi>l. Laß dieſe Män-<lb/>
nerworte, wie ſie mir gerathen ſind, dir als Zärtlichkeiten die-<lb/>
nen! Es <hirendition="#g">geht</hi>! da du weißt, daß ich auch <hirendition="#g">zärtlich</hi> bin.<lb/>
Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; ſo wie du’s ernſtlich<lb/>
wünſcheſt, und es dir wahrhaft Troſt iſt. Nur damals, als<lb/>
du ſchreiben wollteſt, war ich ſelbſt ſehr übel. Doch iſt es<lb/>
auch mir genug, daß du mich <hirendition="#g">wollteſt</hi>. — Wir haben einen<lb/>ſehr originellen, verſtandvollen Fremden hier; Fürſt Kosloffsky,<lb/>
Ruſſe, geweſener Geſandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe;<lb/>
in Frankreich, England, Italien zu Hauſe; voller Leben und<lb/>
Geiſt. Er iſt weit über die ſogenannte große Welt hinaus;<lb/>
bedarf ihrer aber, ſo wie großer Konverſationen, und eines<lb/>
großen Intereſſe’s. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da<lb/>
hat er die große Welt, die große Konverſation macht er dort<lb/>ſelbſt, und für ſich allein; und bei ſeinem ungeheuern geſell-<lb/>ſchaftlichen Ehrgeiz ſchafft er ſich, ebenſo für ſich allein, auch<lb/>
ein großes Intereſſe, mit kleinen Mitteln. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Alfred Graffunder.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Donnerstag, den 20. Januar 1825.</hi></dateline><lb/><p>Morgen Abend kann ich Ihnen ſehr etwas Hübſches zei-<lb/>
gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen.<lb/>
(Auch meinetwegen; denn es that mir vorgeſtern ſehr leid,<lb/>
Sie verwaiſt bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter<lb/>
in meinem Hauſe: wenn ich nicht da bin, ſind die Kinder in<lb/><fwplace="bottom"type="sig">12 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[179/0187]
Kurz, das höchſt-Menſchliche und das Höchſte für den Men-
ſchen. Pauvre humanité! ſagt Mad. Staël. Laß dieſe Män-
nerworte, wie ſie mir gerathen ſind, dir als Zärtlichkeiten die-
nen! Es geht! da du weißt, daß ich auch zärtlich bin.
Gewiß, liebe Sara, wäre ich gekommen; ſo wie du’s ernſtlich
wünſcheſt, und es dir wahrhaft Troſt iſt. Nur damals, als
du ſchreiben wollteſt, war ich ſelbſt ſehr übel. Doch iſt es
auch mir genug, daß du mich wollteſt. — Wir haben einen
ſehr originellen, verſtandvollen Fremden hier; Fürſt Kosloffsky,
Ruſſe, geweſener Geſandter in Turin, Stuttgart, Karlsruhe;
in Frankreich, England, Italien zu Hauſe; voller Leben und
Geiſt. Er iſt weit über die ſogenannte große Welt hinaus;
bedarf ihrer aber, ſo wie großer Konverſationen, und eines
großen Intereſſe’s. Seine Geburt öffnet ihm alle Salons, da
hat er die große Welt, die große Konverſation macht er dort
ſelbſt, und für ſich allein; und bei ſeinem ungeheuern geſell-
ſchaftlichen Ehrgeiz ſchafft er ſich, ebenſo für ſich allein, auch
ein großes Intereſſe, mit kleinen Mitteln. —
An Alfred Graffunder.
Donnerstag, den 20. Januar 1825.
Morgen Abend kann ich Ihnen ſehr etwas Hübſches zei-
gen, wenn Sie zu mir kommen können. Ich rathe es Ihnen.
(Auch meinetwegen; denn es that mir vorgeſtern ſehr leid,
Sie verwaiſt bei mir gewußt zu haben; ich bin die Mutter
in meinem Hauſe: wenn ich nicht da bin, ſind die Kinder in
12 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/187>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.