Vorwurf eines Dichters aber, und wenn er selbst dichten wollte, es sich nur zum Schaden anders zurechtstellen. Er wollte über- haupt nicht allein dichten, sondern neue Gegenstände für die Poesie erfinden, aus großem Geist!
Gar zu oft zeigen uns edle, hochfahrende dichterische Ge- müther den Prozeß ihres ganzen Kopfs und Gemüths, wie sie zum Dichten kommen, anstatt der Gegenstände, die sie darzu- stellen meinten. Daß auch so etwas Novalis begegnen konnte, bleibt mir unbegreiflich: so sehr stell' ich ihn hoch, sehe ich ihn hoch in allen Stücken. Eins nur tröstet mich dabei, daß sein Urtheil über Meister und seine Ausführung des Ofterdingen ganz aus Einem Stück sind: nämlich aus eben und demsel- ben Irrthum. Das Wort steht hier! von meinem verehrten, unsäglich geliebten Hardenberg. Schade, daß er so Viele darin noch verführen wird!
Donnerstag Abend, den 11. März 1824. Lange hatte ich das auf dem Herzen.
Um Novalis Aphorismen zu verstehen, muß man außer- ordentlich viel Einfälle gehabt haben: und sie sehr gehand- habt haben. Sonst ist's nicht möglich. Ich mag aber jetzt lesen, was ich will; es mag mir noch so viel einfallen, wenn es mir einleuchtend ist und gefällt, so kommt es mir vor, als würden nur ein paar Wahrheiten dargethan, und immer das- selbe gesagt: das tritt besonders bei dem Vielfältigen und Geistreichen von Novalis ein. Variazionen auf nur wenig Eingesehenes, und auch gezwungen Vorausgesetztes. Durchaus Anweisung auf Anderes, Unbekanntes, und doch -- durch und
Vorwurf eines Dichters aber, und wenn er ſelbſt dichten wollte, es ſich nur zum Schaden anders zurechtſtellen. Er wollte über- haupt nicht allein dichten, ſondern neue Gegenſtände für die Poeſie erfinden, aus großem Geiſt!
Gar zu oft zeigen uns edle, hochfahrende dichteriſche Ge- müther den Prozeß ihres ganzen Kopfs und Gemüths, wie ſie zum Dichten kommen, anſtatt der Gegenſtände, die ſie darzu- ſtellen meinten. Daß auch ſo etwas Novalis begegnen konnte, bleibt mir unbegreiflich: ſo ſehr ſtell’ ich ihn hoch, ſehe ich ihn hoch in allen Stücken. Eins nur tröſtet mich dabei, daß ſein Urtheil über Meiſter und ſeine Ausführung des Ofterdingen ganz aus Einem Stück ſind: nämlich aus eben und demſel- ben Irrthum. Das Wort ſteht hier! von meinem verehrten, unſäglich geliebten Hardenberg. Schade, daß er ſo Viele darin noch verführen wird!
Donnerstag Abend, den 11. März 1824. Lange hatte ich das auf dem Herzen.
Um Novalis Aphorismen zu verſtehen, muß man außer- ordentlich viel Einfälle gehabt haben: und ſie ſehr gehand- habt haben. Sonſt iſt’s nicht möglich. Ich mag aber jetzt leſen, was ich will; es mag mir noch ſo viel einfallen, wenn es mir einleuchtend iſt und gefällt, ſo kommt es mir vor, als würden nur ein paar Wahrheiten dargethan, und immer das- ſelbe geſagt: das tritt beſonders bei dem Vielfältigen und Geiſtreichen von Novalis ein. Variazionen auf nur wenig Eingeſehenes, und auch gezwungen Vorausgeſetztes. Durchaus Anweiſung auf Anderes, Unbekanntes, und doch — durch und
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Vorwurf eines Dichters aber, und wenn er ſelbſt dichten wollte,
es ſich nur zum Schaden anders zurechtſtellen. Er wollte über-
haupt nicht allein dichten, ſondern neue Gegenſtände für die
Poeſie erfinden, aus großem Geiſt!
Gar zu oft zeigen uns edle, hochfahrende dichteriſche Ge-
müther den Prozeß ihres ganzen Kopfs und Gemüths, wie ſie
zum Dichten kommen, anſtatt der Gegenſtände, die ſie darzu-
ſtellen meinten. Daß auch ſo etwas Novalis begegnen konnte,
bleibt mir unbegreiflich: ſo ſehr ſtell’ ich ihn hoch, ſehe ich ihn
hoch in allen Stücken. Eins nur tröſtet mich dabei, daß ſein
Urtheil über Meiſter und ſeine Ausführung des Ofterdingen
ganz aus Einem Stück ſind: nämlich aus eben und demſel-
ben Irrthum. Das Wort ſteht hier! von meinem verehrten,
unſäglich geliebten Hardenberg. Schade, daß er ſo Viele
darin noch verführen wird!
Donnerstag Abend, den 11. März 1824.
Lange hatte ich das auf dem Herzen.
Um Novalis Aphorismen zu verſtehen, muß man außer-
ordentlich viel Einfälle gehabt haben: und ſie ſehr gehand-
habt haben. Sonſt iſt’s nicht möglich. Ich mag aber jetzt
leſen, was ich will; es mag mir noch ſo viel einfallen, wenn
es mir einleuchtend iſt und gefällt, ſo kommt es mir vor, als
würden nur ein paar Wahrheiten dargethan, und immer das-
ſelbe geſagt: das tritt beſonders bei dem Vielfältigen und
Geiſtreichen von Novalis ein. Variazionen auf nur wenig
Eingeſehenes, und auch gezwungen Vorausgeſetztes. Durchaus
Anweiſung auf Anderes, Unbekanntes, und doch — durch und
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/147>, abgerufen am 22.12.2024.
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