Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

mir schon auf das Konversationshaus mitgenommen. Wir
tranken noch Thee, zu Hause. Recht ruhig, an dich nur den-
kend! -- Ist es nicht einzig, daß ich dir so große Briefe von
hier schreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe,
dich misse, dich wünsche! Lieber August! Sei geduldig, ich
bin's auch; bald bist du hier! Morgen ist der 22ste; willst
du wohl dem Wirth - - Gulden schicken? Ich gebe sie dir
wieder, theurer Sohn! Lieber! Potemkin hat auch schon
gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet sie
wunder mäßig und anständig in Vergleich der Pariser, die
er kennt. Das ist hübsch!

Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu,
mein Liebster!



An Varnhagen, in Karlsruhe.

Helle schwüle Sonne auf nassem Boden.

Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu
den Damen, die ich besuchen mußte. Dann ging ich einen
Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu sehen, was die Arme
macht, die ganz beglückt ist, wenn man nach ihr sieht: sie
kann sich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, so
daß sie nicht lesen kann. -- Gestern strömte es den ganzen
Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich
las ihr etwas von Sappho und etwas zerstreute Sachen von
Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich par
billet
eingeladen hatte, mich immerweg besucht, und wo ich

mir ſchon auf das Konverſationshaus mitgenommen. Wir
tranken noch Thee, zu Hauſe. Recht ruhig, an dich nur den-
kend! — Iſt es nicht einzig, daß ich dir ſo große Briefe von
hier ſchreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe,
dich miſſe, dich wünſche! Lieber Auguſt! Sei geduldig, ich
bin’s auch; bald biſt du hier! Morgen iſt der 22ſte; willſt
du wohl dem Wirth ‒ ‒ Gulden ſchicken? Ich gebe ſie dir
wieder, theurer Sohn! Lieber! Potemkin hat auch ſchon
gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet ſie
wunder mäßig und anſtändig in Vergleich der Pariſer, die
er kennt. Das iſt hübſch!

Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu,
mein Liebſter!



An Varnhagen, in Karlsruhe.

Helle ſchwüle Sonne auf naſſem Boden.

Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu
den Damen, die ich beſuchen mußte. Dann ging ich einen
Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu ſehen, was die Arme
macht, die ganz beglückt iſt, wenn man nach ihr ſieht: ſie
kann ſich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, ſo
daß ſie nicht leſen kann. — Geſtern ſtrömte es den ganzen
Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich
las ihr etwas von Sappho und etwas zerſtreute Sachen von
Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich par
billet
eingeladen hatte, mich immerweg beſucht, und wo ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0594" n="586"/>
mir &#x017F;chon auf das Konver&#x017F;ationshaus mitgenommen. Wir<lb/>
tranken noch Thee, zu Hau&#x017F;e. Recht ruhig, an dich nur den-<lb/>
kend! &#x2014; I&#x017F;t es nicht einzig, daß ich dir &#x017F;o große Briefe von<lb/>
hier &#x017F;chreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe,<lb/>
dich mi&#x017F;&#x017F;e, dich wün&#x017F;che! <hi rendition="#g">Lieber</hi> Augu&#x017F;t! Sei geduldig, ich<lb/>
bin&#x2019;s auch; bald bi&#x017F;t du hier! Morgen i&#x017F;t der 22&#x017F;te; will&#x017F;t<lb/>
du wohl dem Wirth &#x2012; &#x2012; Gulden &#x017F;chicken? Ich gebe &#x017F;ie dir<lb/>
wieder, theurer Sohn! <hi rendition="#g">Lieber</hi>! Potemkin hat auch &#x017F;chon<lb/>
gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet &#x017F;ie<lb/>
wunder mäßig und an&#x017F;tändig in Vergleich der Pari&#x017F;er, die<lb/>
er kennt. Das i&#x017F;t hüb&#x017F;ch!</p><lb/>
          <p>Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu,<lb/>
mein Lieb&#x017F;ter!</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Karlsruhe.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Baden, Donnerstag Mittag halb 2. den 22. Juli 1819.</hi> </dateline><lb/>
            <p> <hi rendition="#et">Helle &#x017F;chwüle Sonne auf na&#x017F;&#x017F;em Boden.</hi> </p><lb/>
            <p>Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu<lb/>
den Damen, die ich be&#x017F;uchen mußte. Dann ging ich einen<lb/>
Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu &#x017F;ehen, was die Arme<lb/>
macht, die ganz <hi rendition="#g">beglückt</hi> i&#x017F;t, wenn man nach ihr &#x017F;ieht: &#x017F;ie<lb/>
kann &#x017F;ich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, &#x017F;o<lb/>
daß &#x017F;ie nicht le&#x017F;en kann. &#x2014; Ge&#x017F;tern &#x017F;trömte es den <hi rendition="#g">ganzen</hi><lb/>
Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich<lb/>
las ihr etwas von Sappho und etwas zer&#x017F;treute Sachen von<lb/>
Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich <hi rendition="#aq">par<lb/>
billet</hi> eingeladen hatte, mich immerweg be&#x017F;ucht, und wo ich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[586/0594] mir ſchon auf das Konverſationshaus mitgenommen. Wir tranken noch Thee, zu Hauſe. Recht ruhig, an dich nur den- kend! — Iſt es nicht einzig, daß ich dir ſo große Briefe von hier ſchreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe, dich miſſe, dich wünſche! Lieber Auguſt! Sei geduldig, ich bin’s auch; bald biſt du hier! Morgen iſt der 22ſte; willſt du wohl dem Wirth ‒ ‒ Gulden ſchicken? Ich gebe ſie dir wieder, theurer Sohn! Lieber! Potemkin hat auch ſchon gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet ſie wunder mäßig und anſtändig in Vergleich der Pariſer, die er kennt. Das iſt hübſch! Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu, mein Liebſter! An Varnhagen, in Karlsruhe. Baden, Donnerstag Mittag halb 2. den 22. Juli 1819. Helle ſchwüle Sonne auf naſſem Boden. Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu den Damen, die ich beſuchen mußte. Dann ging ich einen Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu ſehen, was die Arme macht, die ganz beglückt iſt, wenn man nach ihr ſieht: ſie kann ſich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, ſo daß ſie nicht leſen kann. — Geſtern ſtrömte es den ganzen Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich las ihr etwas von Sappho und etwas zerſtreute Sachen von Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich par billet eingeladen hatte, mich immerweg beſucht, und wo ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/594
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/594>, abgerufen am 21.11.2024.