uns finden. Kurz, für's Erste antworten Sie sehr redselig: und dann kommen Sie! Die letzten vier Beilagen der All- gemeinen Zeitung aus der Allemannia müssen Sie lesen. Der spricht grad' und scharf: aber vorerst zu den Schwatzpatronen der Druckereien. Und er hat auch den Muth die Franzosen zu vertheidigen.
Adieu. R.
An Troxler, in Beromünster.
Karlsruhe, den 30. Juli 1816.
Nur ein Wort, lieber Dr. Troxler, um einen so lieben gütigen Brief, als Ihrer ist, nicht ohne Antwort zu lassen! Jener Bedienter in der Komödie sagt, mit einer plume d'au- berge könne er nicht schreiben. So geht es mir hier noch mit der ganzen Stadt. Noch leb' ich une vie d'auberge. Näm- lich umgekehrt; ganz einsam, ganz allein fast: aber eben diese Stille, die, ich möchte sagen, die ich höre, verwirrt und stört mich. Noch paßt mir nichts: und ich habe in meinem Leben so wenig an Karlsruhe gedacht, daß ich mich selbst im Ort nicht hier glaube. Dazu kommt nun noch hauptsächlich, daß ich seit vierzehn Tagen umhertrotte mir ein Quartier, und alles was der Mensch braucht, anzuschaffen. Endlich bin ich seit gestern in sicherster Ordnung; aber ich gehe wie eine Bauer- braut darin umher ohne mich finden zu können, und die schöne Ehre und die neuen Dinge für meine nehmen zu können. Ich erfahre, daß mein Sinn ein entsetzlicher Pedant ist; oder eine rechte Person: die alles nach ihrer Weise haben, und gebrau-
uns finden. Kurz, für’s Erſte antworten Sie ſehr redſelig: und dann kommen Sie! Die letzten vier Beilagen der All- gemeinen Zeitung aus der Allemannia müſſen Sie leſen. Der ſpricht grad’ und ſcharf: aber vorerſt zu den Schwatzpatronen der Druckereien. Und er hat auch den Muth die Franzoſen zu vertheidigen.
Adieu. R.
An Troxler, in Beromünſter.
Karlsruhe, den 30. Juli 1816.
Nur ein Wort, lieber Dr. Troxler, um einen ſo lieben gütigen Brief, als Ihrer iſt, nicht ohne Antwort zu laſſen! Jener Bedienter in der Komödie ſagt, mit einer plume d’au- berge könne er nicht ſchreiben. So geht es mir hier noch mit der ganzen Stadt. Noch leb’ ich une vie d’auberge. Näm- lich umgekehrt; ganz einſam, ganz allein faſt: aber eben dieſe Stille, die, ich möchte ſagen, die ich höre, verwirrt und ſtört mich. Noch paßt mir nichts: und ich habe in meinem Leben ſo wenig an Karlsruhe gedacht, daß ich mich ſelbſt im Ort nicht hier glaube. Dazu kommt nun noch hauptſächlich, daß ich ſeit vierzehn Tagen umhertrotte mir ein Quartier, und alles was der Menſch braucht, anzuſchaffen. Endlich bin ich ſeit geſtern in ſicherſter Ordnung; aber ich gehe wie eine Bauer- braut darin umher ohne mich finden zu können, und die ſchöne Ehre und die neuen Dinge für meine nehmen zu können. Ich erfahre, daß mein Sinn ein entſetzlicher Pedant iſt; oder eine rechte Perſon: die alles nach ihrer Weiſe haben, und gebrau-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0420"n="412"/>
uns finden. Kurz, für’s Erſte antworten Sie ſehr redſelig:<lb/>
und dann kommen Sie! Die letzten vier Beilagen der All-<lb/>
gemeinen Zeitung aus der Allemannia müſſen Sie leſen. Der<lb/>ſpricht grad’ und ſcharf: aber vorerſt zu den Schwatzpatronen<lb/>
der Druckereien. Und er hat auch den Muth die Franzoſen<lb/>
zu vertheidigen.</p><closer><salute>Adieu. <hirendition="#et">R.</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Troxler, in Beromünſter.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Karlsruhe, den 30. Juli 1816.</hi></dateline><lb/><p>Nur ein Wort, lieber Dr. Troxler, um einen ſo lieben<lb/>
gütigen Brief, als Ihrer iſt, nicht ohne Antwort zu laſſen!<lb/>
Jener Bedienter in der Komödie ſagt, mit einer <hirendition="#aq">plume d’au-<lb/>
berge</hi> könne er nicht ſchreiben. So geht es mir hier noch mit<lb/>
der ganzen Stadt. Noch leb’ ich <hirendition="#aq">une vie d’auberge.</hi> Näm-<lb/>
lich umgekehrt; ganz einſam, ganz allein faſt: aber eben dieſe<lb/>
Stille, die, ich möchte ſagen, die ich höre, verwirrt und ſtört<lb/>
mich. Noch paßt mir nichts: und ich habe in meinem Leben<lb/>ſo wenig an Karlsruhe gedacht, daß ich mich ſelbſt im Ort<lb/>
nicht hier glaube. Dazu kommt nun noch hauptſächlich, daß<lb/>
ich ſeit vierzehn Tagen umhertrotte mir ein Quartier, und<lb/>
alles was der Menſch braucht, anzuſchaffen. Endlich bin ich<lb/>ſeit geſtern in ſicherſter Ordnung; aber ich gehe wie eine Bauer-<lb/>
braut darin umher ohne mich finden zu können, und die ſchöne<lb/>
Ehre und die neuen Dinge für meine nehmen zu können. Ich<lb/>
erfahre, daß mein Sinn ein entſetzlicher Pedant iſt; oder eine<lb/>
rechte Perſon: die alles nach ihrer Weiſe haben, und gebrau-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[412/0420]
uns finden. Kurz, für’s Erſte antworten Sie ſehr redſelig:
und dann kommen Sie! Die letzten vier Beilagen der All-
gemeinen Zeitung aus der Allemannia müſſen Sie leſen. Der
ſpricht grad’ und ſcharf: aber vorerſt zu den Schwatzpatronen
der Druckereien. Und er hat auch den Muth die Franzoſen
zu vertheidigen.
Adieu. R.
An Troxler, in Beromünſter.
Karlsruhe, den 30. Juli 1816.
Nur ein Wort, lieber Dr. Troxler, um einen ſo lieben
gütigen Brief, als Ihrer iſt, nicht ohne Antwort zu laſſen!
Jener Bedienter in der Komödie ſagt, mit einer plume d’au-
berge könne er nicht ſchreiben. So geht es mir hier noch mit
der ganzen Stadt. Noch leb’ ich une vie d’auberge. Näm-
lich umgekehrt; ganz einſam, ganz allein faſt: aber eben dieſe
Stille, die, ich möchte ſagen, die ich höre, verwirrt und ſtört
mich. Noch paßt mir nichts: und ich habe in meinem Leben
ſo wenig an Karlsruhe gedacht, daß ich mich ſelbſt im Ort
nicht hier glaube. Dazu kommt nun noch hauptſächlich, daß
ich ſeit vierzehn Tagen umhertrotte mir ein Quartier, und
alles was der Menſch braucht, anzuſchaffen. Endlich bin ich
ſeit geſtern in ſicherſter Ordnung; aber ich gehe wie eine Bauer-
braut darin umher ohne mich finden zu können, und die ſchöne
Ehre und die neuen Dinge für meine nehmen zu können. Ich
erfahre, daß mein Sinn ein entſetzlicher Pedant iſt; oder eine
rechte Perſon: die alles nach ihrer Weiſe haben, und gebrau-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/420>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.