Wort gebrauch' ich weder als Kind, noch Narr -- an ihr er- worben zu haben, weil sie auch weiß, daß ich rechtschaffen bin. -- Troxlers Brief ist sehr schön, wenn sich auch drüber sprechen läßt, grüß ihn herzlich. Hier ist der, den ich Goethen heute schrieb. Ich weiß, daß man sich einem Minister anders unterschreibt; aber nicht wie; und wie es hier steht, fühl' ich es. Um halb 6 bringe ich ihn mit Julchen und Klärchen selbst ab. Lebe wohl! Ich muß essen. Mit der innigsten, ewigen Liebe deine
R.
An Varnhagen, in Paris.
Frankfurt a. M., den 7. September 1815.
-- -- Früh 9 Uhr. Schönen guten Morgen! Hier reg- net es, und eben kommt mit Sang und Klang ein schönes Infanterieregiment Russen herein, das macht mich immer ein wenig nüchtern. Ich wollte dir noch sagen, daß, wenn der Hut nicht kommt, es nicht viel zu sagen hat: aber auf die Häubchen halt' ich mehr. Ich habe Pradt gelesen; der ist ja eine Art Marmontel, der sich bei ehrlich-gescheidten Leuten den größten Schaden thut. Ein Emigrant im Herzen, der dem Kaiser als Sklav huldigte, und gehorchte, mit heimlicher rage im Herzen, ihm selbst in der Zeit unbewußt; der die Sprüche der Zeit in der größten Taubheit des Verstandes in schlechtem harten Französisch vor- und nachkäut. Ohne Den- kungsart, der das ganze Buch nicht würde geschrieben haben, wenn er es Maret vergessen könnte, daß der seine Depesche
Wort gebrauch’ ich weder als Kind, noch Narr — an ihr er- worben zu haben, weil ſie auch weiß, daß ich rechtſchaffen bin. — Troxlers Brief iſt ſehr ſchön, wenn ſich auch drüber ſprechen läßt, grüß ihn herzlich. Hier iſt der, den ich Goethen heute ſchrieb. Ich weiß, daß man ſich einem Miniſter anders unterſchreibt; aber nicht wie; und wie es hier ſteht, fühl’ ich es. Um halb 6 bringe ich ihn mit Julchen und Klärchen ſelbſt ab. Lebe wohl! Ich muß eſſen. Mit der innigſten, ewigen Liebe deine
R.
An Varnhagen, in Paris.
Frankfurt a. M., den 7. September 1815.
— — Früh 9 Uhr. Schönen guten Morgen! Hier reg- net es, und eben kommt mit Sang und Klang ein ſchönes Infanterieregiment Ruſſen herein, das macht mich immer ein wenig nüchtern. Ich wollte dir noch ſagen, daß, wenn der Hut nicht kommt, es nicht viel zu ſagen hat: aber auf die Häubchen halt’ ich mehr. Ich habe Pradt geleſen; der iſt ja eine Art Marmontel, der ſich bei ehrlich-geſcheidten Leuten den größten Schaden thut. Ein Emigrant im Herzen, der dem Kaiſer als Sklav huldigte, und gehorchte, mit heimlicher rage im Herzen, ihm ſelbſt in der Zeit unbewußt; der die Sprüche der Zeit in der größten Taubheit des Verſtandes in ſchlechtem harten Franzöſiſch vor- und nachkäut. Ohne Den- kungsart, der das ganze Buch nicht würde geſchrieben haben, wenn er es Maret vergeſſen könnte, daß der ſeine Depeſche
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Wort gebrauch’ ich weder als Kind, noch Narr — an ihr er-
worben zu haben, weil ſie auch weiß, daß ich rechtſchaffen
bin. — Troxlers Brief iſt ſehr ſchön, wenn ſich auch drüber
ſprechen läßt, grüß ihn herzlich. Hier iſt der, den ich Goethen
heute ſchrieb. Ich weiß, daß man ſich einem Miniſter anders
unterſchreibt; aber nicht wie; und wie es hier ſteht, fühl’ ich
es. Um halb 6 bringe ich ihn mit Julchen und Klärchen ſelbſt
ab. Lebe wohl! Ich muß eſſen. Mit der innigſten, ewigen
Liebe deine
R.
An Varnhagen, in Paris.
Frankfurt a. M., den 7. September 1815.
— — Früh 9 Uhr. Schönen guten Morgen! Hier reg-
net es, und eben kommt mit Sang und Klang ein ſchönes
Infanterieregiment Ruſſen herein, das macht mich immer ein
wenig nüchtern. Ich wollte dir noch ſagen, daß, wenn der
Hut nicht kommt, es nicht viel zu ſagen hat: aber auf die
Häubchen halt’ ich mehr. Ich habe Pradt geleſen; der iſt ja
eine Art Marmontel, der ſich bei ehrlich-geſcheidten Leuten
den größten Schaden thut. Ein Emigrant im Herzen, der
dem Kaiſer als Sklav huldigte, und gehorchte, mit heimlicher
rage im Herzen, ihm ſelbſt in der Zeit unbewußt; der die
Sprüche der Zeit in der größten Taubheit des Verſtandes in
ſchlechtem harten Franzöſiſch vor- und nachkäut. Ohne Den-
kungsart, der das ganze Buch nicht würde geſchrieben haben,
wenn er es Maret vergeſſen könnte, daß der ſeine Depeſche
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/335>, abgerufen am 21.11.2024.
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