mich, daß man dies in unsrer Litteratur finden wird, und wundere mich zum Tod, daß ein Buchhändler es angenommen hat. Neumann sehe ich nicht mehr. Frau von Fouque hat mir mit Robert geschrieben, der fünf Wochen bei ihnen war. Ich werde ihr antworten. Das Briefchen ist gut, tüchtig, und wahrhaft. Viele Empfehlungen an Hrn. von Nostitz! Vor- gestern spielte die Longhi. Sie gefiel nicht: das Publikum sagt, sie reißt die Harfe. Wenn es Recht hat, nenne ich es das Publikum.
Adieu. R. R.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Dienstag Abend 7 Uhr, den 17. März 1812.
"Allgegenwärt'ger Balsam allheilender Natur." Auch dem menschlichen Geiste muß so etwas beigegeben sein; ein seliges Vergessen, ein nur auf ein Maß Zeit gegebenes Fassen des Unheils; und auch ich habe schon öfters empfunden die Unzu- länglichkeit in mir des Verzweiflens und Unglückaufnehmens. Denn so eben wollt' ich losschreien über der Franzosen Ver- geßlichkeit! Sie machen, so lange die Revolution währt, und besonders die in Frankreich, und in ihren Büchren seit der Zeit, als hätte es dergleichen noch gar nicht gegeben. Und was war diese Revolution gegen Karls VI Regierung! Chauf- feurs, Septembriseurs, Verräther, an Bürgern und König, gab's aus allen Klassen; Mord, Mordenlassen, falsche Eide, wozu die Religion und ihre ersten Diener in Anspruch und zu Zeugen genommen waren, war Tagessitte. -- Frankreich
mich, daß man dies in unſrer Litteratur finden wird, und wundere mich zum Tod, daß ein Buchhändler es angenommen hat. Neumann ſehe ich nicht mehr. Frau von Fouqué hat mir mit Robert geſchrieben, der fünf Wochen bei ihnen war. Ich werde ihr antworten. Das Briefchen iſt gut, tüchtig, und wahrhaft. Viele Empfehlungen an Hrn. von Noſtitz! Vor- geſtern ſpielte die Longhi. Sie gefiel nicht: das Publikum ſagt, ſie reißt die Harfe. Wenn es Recht hat, nenne ich es das Publikum.
Adieu. R. R.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Dienstag Abend 7 Uhr, den 17. März 1812.
„Allgegenwärt’ger Balſam allheilender Natur.“ Auch dem menſchlichen Geiſte muß ſo etwas beigegeben ſein; ein ſeliges Vergeſſen, ein nur auf ein Maß Zeit gegebenes Faſſen des Unheils; und auch ich habe ſchon öfters empfunden die Unzu- länglichkeit in mir des Verzweiflens und Unglückaufnehmens. Denn ſo eben wollt’ ich losſchreien über der Franzoſen Ver- geßlichkeit! Sie machen, ſo lange die Revolution währt, und beſonders die in Frankreich, und in ihren Büchren ſeit der Zeit, als hätte es dergleichen noch gar nicht gegeben. Und was war dieſe Revolution gegen Karls VI Regierung! Chauf- feurs, Septembriſeurs, Verräther, an Bürgern und König, gab’s aus allen Klaſſen; Mord, Mordenlaſſen, falſche Eide, wozu die Religion und ihre erſten Diener in Anſpruch und zu Zeugen genommen waren, war Tagesſitte. — Frankreich
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[25/0033]
mich, daß man dies in unſrer Litteratur finden wird, und
wundere mich zum Tod, daß ein Buchhändler es angenommen
hat. Neumann ſehe ich nicht mehr. Frau von Fouqué hat
mir mit Robert geſchrieben, der fünf Wochen bei ihnen war.
Ich werde ihr antworten. Das Briefchen iſt gut, tüchtig, und
wahrhaft. Viele Empfehlungen an Hrn. von Noſtitz! Vor-
geſtern ſpielte die Longhi. Sie gefiel nicht: das Publikum
ſagt, ſie reißt die Harfe. Wenn es Recht hat, nenne ich es
das Publikum.
Adieu. R. R.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Dienstag Abend 7 Uhr, den 17. März 1812.
„Allgegenwärt’ger Balſam allheilender Natur.“ Auch dem
menſchlichen Geiſte muß ſo etwas beigegeben ſein; ein ſeliges
Vergeſſen, ein nur auf ein Maß Zeit gegebenes Faſſen des
Unheils; und auch ich habe ſchon öfters empfunden die Unzu-
länglichkeit in mir des Verzweiflens und Unglückaufnehmens.
Denn ſo eben wollt’ ich losſchreien über der Franzoſen Ver-
geßlichkeit! Sie machen, ſo lange die Revolution währt, und
beſonders die in Frankreich, und in ihren Büchren ſeit der
Zeit, als hätte es dergleichen noch gar nicht gegeben. Und
was war dieſe Revolution gegen Karls VI Regierung! Chauf-
feurs, Septembriſeurs, Verräther, an Bürgern und König,
gab’s aus allen Klaſſen; Mord, Mordenlaſſen, falſche Eide,
wozu die Religion und ihre erſten Diener in Anſpruch und
zu Zeugen genommen waren, war Tagesſitte. — Frankreich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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