ihn mehr versteht und liebt. Und doch ist es möglich, wenn ich's auch nicht denken kann: drum möcht' ich's sehen.
An Varnhagen, in Bremen.
Prag, Mittwoch den 17. November 1813. Abends halb 11.
Ich kann ja weiter gar nichts, lieber August, als dich recht ansehen und dich umarmen für deine Briefe! Gestern -- er war schon vorgestern hier -- erhielt ich deinen vom 7. No- vember. So waren wir denn Alle zugleich krank! Noch die ganze Zeit paßte ich nicht so auf einen Brief: und keiner kam mir unverhoffter, als der schnell gegangene, gestern! -- Nun wollt' ich dir den ganzen Tag heute schreiben, aber sie litten's nicht: Vormittag besuchte mich der russische Kommandant Ba- ron Rehbinder; nachmittags Graf Reichenbach, der preußische. Frau von Pereira schrieb mir dringend, Mariane Saaling: ich mußte antworten; mit dem preußischen Kommandanten hatte ich zu verhandlen: denn nun, August, geht's in's Spaß- hafte über: alles wendet sich an mich. Behörden. Vielen soll ich geben; die Oberstburggräfin giebt mir; und so in's Unendliche! Schreiben; Zählen, Kombiniren, Menagiren, No- tiren, und Enkriren in alles. Dabei bin ich noch sehr kon- valeszent. -- --
August! wir thun nichts, als präpariren: ich bin wahrlich (nach dem allem, was ich habe durchgehen müssen: denn was suchte ich wohl falsch, was präparirte ich, was konnte ich wohl vermeiden mit aller Klugheit!) zu alt dazu; und so durchlit-
ten,
ihn mehr verſteht und liebt. Und doch iſt es möglich, wenn ich’s auch nicht denken kann: drum möcht’ ich’s ſehen.
An Varnhagen, in Bremen.
Prag, Mittwoch den 17. November 1813. Abends halb 11.
Ich kann ja weiter gar nichts, lieber Auguſt, als dich recht anſehen und dich umarmen für deine Briefe! Geſtern — er war ſchon vorgeſtern hier — erhielt ich deinen vom 7. No- vember. So waren wir denn Alle zugleich krank! Noch die ganze Zeit paßte ich nicht ſo auf einen Brief: und keiner kam mir unverhoffter, als der ſchnell gegangene, geſtern! — Nun wollt’ ich dir den ganzen Tag heute ſchreiben, aber ſie litten’s nicht: Vormittag beſuchte mich der ruſſiſche Kommandant Ba- ron Rehbinder; nachmittags Graf Reichenbach, der preußiſche. Frau von Pereira ſchrieb mir dringend, Mariane Saaling: ich mußte antworten; mit dem preußiſchen Kommandanten hatte ich zu verhandlen: denn nun, Auguſt, geht’s in’s Spaß- hafte über: alles wendet ſich an mich. Behörden. Vielen ſoll ich geben; die Oberſtburggräfin giebt mir; und ſo in’s Unendliche! Schreiben; Zählen, Kombiniren, Menagiren, No- tiren, und Enkriren in alles. Dabei bin ich noch ſehr kon- valeszent. — —
Auguſt! wir thun nichts, als präpariren: ich bin wahrlich (nach dem allem, was ich habe durchgehen müſſen: denn was ſuchte ich wohl falſch, was präparirte ich, was konnte ich wohl vermeiden mit aller Klugheit!) zu alt dazu; und ſo durchlit-
ten,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0152"n="144"/>
ihn mehr verſteht und liebt. Und doch iſt es möglich, wenn<lb/>
ich’s auch nicht denken kann: drum möcht’ ich’s ſehen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Varnhagen, in Bremen.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Prag, Mittwoch den 17. November 1813.<lb/>
Abends halb 11.</hi></dateline><lb/><p>Ich kann ja weiter gar nichts, lieber Auguſt, als dich<lb/>
recht anſehen und dich umarmen für deine Briefe! Geſtern —<lb/>
er war ſchon vorgeſtern hier — erhielt ich deinen vom 7. No-<lb/>
vember. So waren wir denn Alle zugleich krank! Noch die<lb/>
ganze Zeit paßte ich nicht ſo auf einen Brief: und keiner kam<lb/>
mir unverhoffter, als der ſchnell gegangene, geſtern! — Nun<lb/>
wollt’ ich dir den ganzen Tag heute ſchreiben, aber ſie litten’s<lb/>
nicht: Vormittag beſuchte mich der ruſſiſche Kommandant Ba-<lb/>
ron Rehbinder; nachmittags Graf Reichenbach, der preußiſche.<lb/>
Frau von Pereira ſchrieb mir dringend, Mariane Saaling:<lb/>
ich mußte antworten; mit dem preußiſchen Kommandanten<lb/>
hatte ich zu verhandlen: denn nun, Auguſt, geht’s in’s Spaß-<lb/>
hafte über: <hirendition="#g">alles</hi> wendet ſich an mich. <hirendition="#g">Behörden</hi>. Vielen<lb/>ſoll ich geben; die Oberſtburggräfin giebt mir; und ſo in’s<lb/>
Unendliche! Schreiben; Zählen, Kombiniren, Menagiren, No-<lb/>
tiren, und <hirendition="#g">Enkriren</hi> in alles. Dabei bin ich noch ſehr kon-<lb/>
valeszent. ——</p><lb/><p>Auguſt! wir thun nichts, als präpariren: ich bin wahrlich<lb/>
(nach dem allem, was ich habe durchgehen müſſen: denn was<lb/>ſuchte ich wohl falſch, was präparirte ich, was konnte ich wohl<lb/>
vermeiden mit aller Klugheit!) zu alt dazu; und ſo durchlit-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[144/0152]
ihn mehr verſteht und liebt. Und doch iſt es möglich, wenn
ich’s auch nicht denken kann: drum möcht’ ich’s ſehen.
An Varnhagen, in Bremen.
Prag, Mittwoch den 17. November 1813.
Abends halb 11.
Ich kann ja weiter gar nichts, lieber Auguſt, als dich
recht anſehen und dich umarmen für deine Briefe! Geſtern —
er war ſchon vorgeſtern hier — erhielt ich deinen vom 7. No-
vember. So waren wir denn Alle zugleich krank! Noch die
ganze Zeit paßte ich nicht ſo auf einen Brief: und keiner kam
mir unverhoffter, als der ſchnell gegangene, geſtern! — Nun
wollt’ ich dir den ganzen Tag heute ſchreiben, aber ſie litten’s
nicht: Vormittag beſuchte mich der ruſſiſche Kommandant Ba-
ron Rehbinder; nachmittags Graf Reichenbach, der preußiſche.
Frau von Pereira ſchrieb mir dringend, Mariane Saaling:
ich mußte antworten; mit dem preußiſchen Kommandanten
hatte ich zu verhandlen: denn nun, Auguſt, geht’s in’s Spaß-
hafte über: alles wendet ſich an mich. Behörden. Vielen
ſoll ich geben; die Oberſtburggräfin giebt mir; und ſo in’s
Unendliche! Schreiben; Zählen, Kombiniren, Menagiren, No-
tiren, und Enkriren in alles. Dabei bin ich noch ſehr kon-
valeszent. — —
Auguſt! wir thun nichts, als präpariren: ich bin wahrlich
(nach dem allem, was ich habe durchgehen müſſen: denn was
ſuchte ich wohl falſch, was präparirte ich, was konnte ich wohl
vermeiden mit aller Klugheit!) zu alt dazu; und ſo durchlit-
ten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/152>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.