vorfällt, und wo ein tüchtiger guter Wille wohnt, und Ihnen nicht unsichtbar ist. Wenn ich ein Mann wäre, würd' ich Sie besuchen; rühmen Sie die Einrichtungen, wenn sie kön- nen, ich kann nicht. Damit ein schlechtes Mädchen nicht dumm handeln kann, soll ein gutes eingeschränkt sein? Gut ausgedacht! Adieu, damit wir ohne bittre Galle scheiden, den- ken wir an die schöne Baranius.
Adieu. R. L.
An David Veit, in Göttingen.
Berlin, den 1. November 1793.
-- Aber darin haben Sie groß Recht, man kann nicht mit wenig genug Menschen über Dinge sprechen, und über nicht wenig genug Dinge mit diesen. Freilich werden wir uns verändern, ich gewiß; und wenn nichts geschieht, so werde ich dreister, sicherer, fester, und, so Gott will, wohl durchgreifen- der, und will Minerva, härter gegen meine eigene Weichlich- keit, und immer gefaßt ohne Störung auf allgemeine Ge- meinheit und Schlechtigkeit, stark genug, einen Guten oder etwas Gutes einmal unter dem verbreiteten Gewimmel von Schlechten leiden zu lassen! Amen! wie Timon im Shakes- peare! -- Nichts bleibt. Und ist man nicht veränderlich, so muß man sich so machen. Ich war die ganze Zeit her neu- gierig, wann ich wohl und wie ich wieder das erste Ver- gnügen haben würde; gestern hatt' ich's; O! Schade; daß ich's Ihnen nicht vorstellen kann! ich weiß es, und ich lass' es doch nicht! Ich habe die Marchetti gestern kennen lernen;
vorfällt, und wo ein tüchtiger guter Wille wohnt, und Ihnen nicht unſichtbar iſt. Wenn ich ein Mann wäre, würd’ ich Sie beſuchen; rühmen Sie die Einrichtungen, wenn ſie kön- nen, ich kann nicht. Damit ein ſchlechtes Mädchen nicht dumm handeln kann, ſoll ein gutes eingeſchränkt ſein? Gut ausgedacht! Adieu, damit wir ohne bittre Galle ſcheiden, den- ken wir an die ſchöne Baranius.
Adieu. R. L.
An David Veit, in Göttingen.
Berlin, den 1. November 1793.
— Aber darin haben Sie groß Recht, man kann nicht mit wenig genug Menſchen über Dinge ſprechen, und über nicht wenig genug Dinge mit dieſen. Freilich werden wir uns verändern, ich gewiß; und wenn nichts geſchieht, ſo werde ich dreiſter, ſicherer, feſter, und, ſo Gott will, wohl durchgreifen- der, und will Minerva, härter gegen meine eigene Weichlich- keit, und immer gefaßt ohne Störung auf allgemeine Ge- meinheit und Schlechtigkeit, ſtark genug, einen Guten oder etwas Gutes einmal unter dem verbreiteten Gewimmel von Schlechten leiden zu laſſen! Amen! wie Timon im Shakes- peare! — Nichts bleibt. Und iſt man nicht veränderlich, ſo muß man ſich ſo machen. Ich war die ganze Zeit her neu- gierig, wann ich wohl und wie ich wieder das erſte Ver- gnügen haben würde; geſtern hatt’ ich’s; O! Schade; daß ich’s Ihnen nicht vorſtellen kann! ich weiß es, und ich laſſ’ es doch nicht! Ich habe die Marchetti geſtern kennen lernen;
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vorfällt, und wo ein tüchtiger guter Wille wohnt, und Ihnen
nicht unſichtbar iſt. Wenn ich ein Mann wäre, würd’ ich
Sie beſuchen; rühmen Sie die Einrichtungen, wenn ſie kön-
nen, ich kann nicht. Damit ein ſchlechtes Mädchen nicht
dumm handeln kann, ſoll ein gutes eingeſchränkt ſein? Gut
ausgedacht! Adieu, damit wir ohne bittre Galle ſcheiden, den-
ken wir an die ſchöne Baranius.
Adieu.
R. L.
An David Veit, in Göttingen.
Berlin, den 1. November 1793.
— Aber darin haben Sie groß Recht, man kann nicht
mit wenig genug Menſchen über Dinge ſprechen, und über
nicht wenig genug Dinge mit dieſen. Freilich werden wir uns
verändern, ich gewiß; und wenn nichts geſchieht, ſo werde ich
dreiſter, ſicherer, feſter, und, ſo Gott will, wohl durchgreifen-
der, und will Minerva, härter gegen meine eigene Weichlich-
keit, und immer gefaßt ohne Störung auf allgemeine Ge-
meinheit und Schlechtigkeit, ſtark genug, einen Guten oder
etwas Gutes einmal unter dem verbreiteten Gewimmel von
Schlechten leiden zu laſſen! Amen! wie Timon im Shakes-
peare! — Nichts bleibt. Und iſt man nicht veränderlich, ſo
muß man ſich ſo machen. Ich war die ganze Zeit her neu-
gierig, wann ich wohl und wie ich wieder das erſte Ver-
gnügen haben würde; geſtern hatt’ ich’s; O! Schade; daß
ich’s Ihnen nicht vorſtellen kann! ich weiß es, und ich laſſ’
es doch nicht! Ich habe die Marchetti geſtern kennen lernen;
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/77>, abgerufen am 20.11.2024.
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