und gedacht: bloß mir ein Vergnügen, eine Satisfaktion zu geben. Mehr kann ich nicht thun; ich thu' Ihnen wieder einmal so was. Denn ich weiß gewiß einmal etwas, das Sie gern wissen wollen, und kann es gut beschreiben, und will es thun, ich opfere Ihnen gern die Zeit. Glauben thu' ich Ihnen alles, auf ein Haar. --
Dienstag, den 2. April.
Sie wissen doch sonst immer gern so genau was ich denke; und das ist auch ein Vergnügen zu wissen, wenn man Leute fände, die einem das sagten, dann könnte man klug werden. Ich will Ihnen aber diesmal über Ihren Brief alles so sagen, Sie sollen Ihre Freude dran haben. Ich fange mit einer gräßlichen Thorheit an, zeig' Ihnen also mein Innerstes; ich habe nicht geglaubt, daß Goethe so subaltern antik (Sie se- hen, ich weiß kein Wort) angezogen geht, denn ein Mensch, der alles weiß, weiß auch dies, und warum sollt' er sich nicht ein bischen apprivoisirter kleiden, noch dazu da er am Hofe lebt und in den neuesten Gesellschaften ist, das käme ganz natürlicherweise von selbst, so wie ich jetzt glauben muß, er geht mit Bedacht anders, und das begreif' ich nicht. Nun ist es aber wohl noch ganz anders, er mag aus Bequemlich- keit so gehen, mag lange nicht nach so etwas gesehen haben, mag so etwas seinen Leuten überlassen; und dann, er weiß nur alles, und er mag so sein. Was Sie mir übrigens schrei- ben, ist mir gar nicht aufgefallen, die Leute machen einen immer irr, und wenn die einen nicht zurechtweisen wollten, wäre man schon längst klug. Natürlich hat man sich ihn ungefähr so denken müssen, und warum sollt' er anders sein,
und gedacht: bloß mir ein Vergnügen, eine Satisfaktion zu geben. Mehr kann ich nicht thun; ich thu’ Ihnen wieder einmal ſo was. Denn ich weiß gewiß einmal etwas, das Sie gern wiſſen wollen, und kann es gut beſchreiben, und will es thun, ich opfere Ihnen gern die Zeit. Glauben thu’ ich Ihnen alles, auf ein Haar. —
Dienstag, den 2. April.
Sie wiſſen doch ſonſt immer gern ſo genau was ich denke; und das iſt auch ein Vergnügen zu wiſſen, wenn man Leute fände, die einem das ſagten, dann könnte man klug werden. Ich will Ihnen aber diesmal über Ihren Brief alles ſo ſagen, Sie ſollen Ihre Freude dran haben. Ich fange mit einer gräßlichen Thorheit an, zeig’ Ihnen alſo mein Innerſtes; ich habe nicht geglaubt, daß Goethe ſo ſubaltern antik (Sie ſe- hen, ich weiß kein Wort) angezogen geht, denn ein Menſch, der alles weiß, weiß auch dies, und warum ſollt’ er ſich nicht ein bischen apprivoiſirter kleiden, noch dazu da er am Hofe lebt und in den neueſten Geſellſchaften iſt, das käme ganz natürlicherweiſe von ſelbſt, ſo wie ich jetzt glauben muß, er geht mit Bedacht anders, und das begreif’ ich nicht. Nun iſt es aber wohl noch ganz anders, er mag aus Bequemlich- keit ſo gehen, mag lange nicht nach ſo etwas geſehen haben, mag ſo etwas ſeinen Leuten überlaſſen; und dann, er weiß nur alles, und er mag ſo ſein. Was Sie mir übrigens ſchrei- ben, iſt mir gar nicht aufgefallen, die Leute machen einen immer irr, und wenn die einen nicht zurechtweiſen wollten, wäre man ſchon längſt klug. Natürlich hat man ſich ihn ungefähr ſo denken müſſen, und warum ſollt’ er anders ſein,
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[54/0068]
und gedacht: bloß mir ein Vergnügen, eine Satisfaktion zu
geben. Mehr kann ich nicht thun; ich thu’ Ihnen wieder
einmal ſo was. Denn ich weiß gewiß einmal etwas, das Sie
gern wiſſen wollen, und kann es gut beſchreiben, und
will es thun, ich opfere Ihnen gern die Zeit. Glauben thu’
ich Ihnen alles, auf ein Haar. —
Dienstag, den 2. April.
Sie wiſſen doch ſonſt immer gern ſo genau was ich denke;
und das iſt auch ein Vergnügen zu wiſſen, wenn man Leute
fände, die einem das ſagten, dann könnte man klug werden.
Ich will Ihnen aber diesmal über Ihren Brief alles ſo ſagen,
Sie ſollen Ihre Freude dran haben. Ich fange mit einer
gräßlichen Thorheit an, zeig’ Ihnen alſo mein Innerſtes; ich
habe nicht geglaubt, daß Goethe ſo ſubaltern antik (Sie ſe-
hen, ich weiß kein Wort) angezogen geht, denn ein Menſch,
der alles weiß, weiß auch dies, und warum ſollt’ er ſich nicht
ein bischen apprivoiſirter kleiden, noch dazu da er am Hofe
lebt und in den neueſten Geſellſchaften iſt, das käme ganz
natürlicherweiſe von ſelbſt, ſo wie ich jetzt glauben muß, er
geht mit Bedacht anders, und das begreif’ ich nicht. Nun
iſt es aber wohl noch ganz anders, er mag aus Bequemlich-
keit ſo gehen, mag lange nicht nach ſo etwas geſehen haben,
mag ſo etwas ſeinen Leuten überlaſſen; und dann, er weiß
nur alles, und er mag ſo ſein. Was Sie mir übrigens ſchrei-
ben, iſt mir gar nicht aufgefallen, die Leute machen einen
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wäre man ſchon längſt klug. Natürlich hat man ſich ihn
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/68>, abgerufen am 20.11.2024.
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