Grüße ja den Obrist; ich lasse ihn fragen, ob er böse auf mich ist? -- Grüße sehr Oliva. Ich habe lange lange nicht so zärtlich geschrieben, wie ich dich hege und an dich denke. Es ging alles in den Plan dich zu sehen über.
Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk' ihm stets seine unerwartete Gefälligkeit, daß er mir gleich et- was vorspielte. Wie so hält er aber so viel von mir? Den Plan der Oper will ich durchsehen, er soll ihn mir nur schik- ken; und aufrichtig will ich sein, ich kann gar nicht anders.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Freitag Abend um 11 Uhr den 18. Oktober 1811.
O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je schrecklicher ist es, daß Sie weg sind. Ich erliege, ich bin überwältigt von dem Strom der Gedanken an Sie, seid Sie weg sind; welche Welle davon, sollt' ich schöpfen, um sie Ihnen zu sen- den? Was ist nicht alles schon vorgefallen, was hab' ich Ihnen nicht alles adressirt! Oft hatte ich auch Augenblicke, wo ich zu furchtsam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in der neuen Laufbahn gleich zu stören; Sie gleichsam nicht un- befangen zu sich selbst kommen zu lassen, Ihnen mein Anden- ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es ist ihm lieb, er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober- hand; und es ist auch besser, Sie sehnen sich nach meinen Briefen und Worten, als daß Sie sie einen Augenblick weg- wünschen. Das ist wahr; und ich gestehe es.
Grüße ja den Obriſt; ich laſſe ihn fragen, ob er böſe auf mich iſt? — Grüße ſehr Oliva. Ich habe lange lange nicht ſo zärtlich geſchrieben, wie ich dich hege und an dich denke. Es ging alles in den Plan dich zu ſehen über.
Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk’ ihm ſtets ſeine unerwartete Gefälligkeit, daß er mir gleich et- was vorſpielte. Wie ſo hält er aber ſo viel von mir? Den Plan der Oper will ich durchſehen, er ſoll ihn mir nur ſchik- ken; und aufrichtig will ich ſein, ich kann gar nicht anders.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Freitag Abend um 11 Uhr den 18. Oktober 1811.
O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je ſchrecklicher iſt es, daß Sie weg ſind. Ich erliege, ich bin überwältigt von dem Strom der Gedanken an Sie, ſeid Sie weg ſind; welche Welle davon, ſollt’ ich ſchöpfen, um ſie Ihnen zu ſen- den? Was iſt nicht alles ſchon vorgefallen, was hab’ ich Ihnen nicht alles adreſſirt! Oft hatte ich auch Augenblicke, wo ich zu furchtſam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in der neuen Laufbahn gleich zu ſtören; Sie gleichſam nicht un- befangen zu ſich ſelbſt kommen zu laſſen, Ihnen mein Anden- ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es iſt ihm lieb, er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober- hand; und es iſt auch beſſer, Sie ſehnen ſich nach meinen Briefen und Worten, als daß Sie ſie einen Augenblick weg- wünſchen. Das iſt wahr; und ich geſtehe es.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0544"n="530"/><p>Grüße ja den Obriſt; ich laſſe ihn fragen, ob er böſe auf<lb/>
mich iſt? — Grüße ſehr <hirendition="#g">Oliva</hi>. Ich habe <hirendition="#g">lange</hi> lange<lb/>
nicht ſo zärtlich geſchrieben, wie ich dich hege und an dich<lb/><hirendition="#g">denke</hi>. Es ging alles in den Plan dich zu ſehen über.</p><lb/><p>Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk’ ihm<lb/>ſtets ſeine <hirendition="#g">unerwartete</hi> Gefälligkeit, daß er mir gleich et-<lb/>
was vorſpielte. Wie ſo hält er aber ſo viel von mir? Den<lb/>
Plan der Oper will ich durchſehen, er ſoll ihn mir nur ſchik-<lb/>
ken; und aufrichtig will ich ſein, ich <hirendition="#g">kann</hi> gar nicht anders.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Freitag Abend um 11 Uhr den 18. Oktober 1811.</hi></dateline><lb/><p>O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je ſchrecklicher<lb/>
iſt es, daß Sie weg ſind. Ich erliege, ich bin überwältigt<lb/>
von dem Strom der Gedanken an Sie, ſeid Sie weg ſind;<lb/><hirendition="#g">welche</hi> Welle davon, ſollt’ ich ſchöpfen, um ſie Ihnen zu ſen-<lb/>
den? Was iſt nicht alles ſchon vorgefallen, was hab’ ich<lb/>
Ihnen nicht alles adreſſirt! Oft hatte ich auch Augenblicke,<lb/>
wo ich zu furchtſam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in<lb/>
der neuen Laufbahn gleich zu ſtören; Sie gleichſam nicht un-<lb/>
befangen zu ſich ſelbſt kommen zu laſſen, Ihnen mein Anden-<lb/>
ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er<lb/>
weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es iſt ihm lieb,<lb/>
er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober-<lb/>
hand; und es iſt auch beſſer, Sie ſehnen ſich nach meinen<lb/>
Briefen und Worten, als daß Sie ſie einen Augenblick weg-<lb/>
wünſchen. Das iſt wahr; und ich geſtehe es.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[530/0544]
Grüße ja den Obriſt; ich laſſe ihn fragen, ob er böſe auf
mich iſt? — Grüße ſehr Oliva. Ich habe lange lange
nicht ſo zärtlich geſchrieben, wie ich dich hege und an dich
denke. Es ging alles in den Plan dich zu ſehen über.
Grüß nur den armen Beethoven; und ich gedenk’ ihm
ſtets ſeine unerwartete Gefälligkeit, daß er mir gleich et-
was vorſpielte. Wie ſo hält er aber ſo viel von mir? Den
Plan der Oper will ich durchſehen, er ſoll ihn mir nur ſchik-
ken; und aufrichtig will ich ſein, ich kann gar nicht anders.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Freitag Abend um 11 Uhr den 18. Oktober 1811.
O! mein theurer Freund, je mehr vorgeht, je ſchrecklicher
iſt es, daß Sie weg ſind. Ich erliege, ich bin überwältigt
von dem Strom der Gedanken an Sie, ſeid Sie weg ſind;
welche Welle davon, ſollt’ ich ſchöpfen, um ſie Ihnen zu ſen-
den? Was iſt nicht alles ſchon vorgefallen, was hab’ ich
Ihnen nicht alles adreſſirt! Oft hatte ich auch Augenblicke,
wo ich zu furchtſam war, Sie in Ihrer neuen Umgebung, in
der neuen Laufbahn gleich zu ſtören; Sie gleichſam nicht un-
befangen zu ſich ſelbſt kommen zu laſſen, Ihnen mein Anden-
ken aufzudringen! Und andere hatte ich, wo ich dachte; er
weiß, daß ihn deine Gedanken belagern, und es iſt ihm lieb,
er hat es nöthig, er denkt es. Furcht behielt aber die Ober-
hand; und es iſt auch beſſer, Sie ſehnen ſich nach meinen
Briefen und Worten, als daß Sie ſie einen Augenblick weg-
wünſchen. Das iſt wahr; und ich geſtehe es.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/544>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.