heit: und, es ist kein Scherz, mein Körper -- die Körperseele -- fragt gewissermaßen Geist und Herz, ob er wohl weiter leben soll? Ich sehe das ganze Jahr meinen Arzt nicht. Vorigen Sommer kurirte er mich schlecht, und trotz ihm wurde ich besser; ich sollte weiter leben: der Vorrath von Le- ben war da! Nun wissen Sie das über mich, was in geschrie- bene Worte zu fassen ist. Antworten Sie mir so, daß ich das von Ihnen erfahre! Und glauben Sie, daß Sie selbst mich nicht gegen Sie verändern können.
Rahel.
Das Papier war fettig! Gräßlich. -- Ich kenne vorzüg- liche Menschen. Sie sind mir auch gut: und lieben mich zu sehen, wie einen Fels, wie Wolkengebilde, und sturmbewegte Wellen u. dgl. Keiner herbergt den Menschen in mir; wo sie doch alle untertreten! Dies ist die Wahrheit.
An Varnhagen, in Prag.
Dienstag, Berlin, den 30. April 1811.
-- Ich habe keine Laune -- ich habe auch Kopfschmer- zen -- dir einen Spazirgang mit Harscher und Marwitz im Thiergarten und beim Hofjäger zu beschreiben, wo ein unend- licher Regen uns überfiel, und wo es göttlich war, und wurde. Wisse soviel, daß alle Liebe, keine Liebe mehr, mich hält oder beseligt, oder nur einen Augenblick mich hoffen läßt, ruhen läßt, ohne den Gedanken des Zusammenbleibens. Ich bin kein Vagabund, und nichts kann sich in mir, aus mir heraus entwickeln, als die Urwünsche des edeln, unbestechlichen, nicht zu verwüstenden Herzens. Ich hoffe nichts. Und weiß nun,
heit: und, es iſt kein Scherz, mein Körper — die Körperſeele — fragt gewiſſermaßen Geiſt und Herz, ob er wohl weiter leben ſoll? Ich ſehe das ganze Jahr meinen Arzt nicht. Vorigen Sommer kurirte er mich ſchlecht, und trotz ihm wurde ich beſſer; ich ſollte weiter leben: der Vorrath von Le- ben war da! Nun wiſſen Sie das über mich, was in geſchrie- bene Worte zu faſſen iſt. Antworten Sie mir ſo, daß ich das von Ihnen erfahre! Und glauben Sie, daß Sie ſelbſt mich nicht gegen Sie verändern können.
Rahel.
Das Papier war fettig! Gräßlich. — Ich kenne vorzüg- liche Menſchen. Sie ſind mir auch gut: und lieben mich zu ſehen, wie einen Fels, wie Wolkengebilde, und ſturmbewegte Wellen u. dgl. Keiner herbergt den Menſchen in mir; wo ſie doch alle untertreten! Dies iſt die Wahrheit.
An Varnhagen, in Prag.
Dienstag, Berlin, den 30. April 1811.
— Ich habe keine Laune — ich habe auch Kopfſchmer- zen — dir einen Spazirgang mit Harſcher und Marwitz im Thiergarten und beim Hofjäger zu beſchreiben, wo ein unend- licher Regen uns überfiel, und wo es göttlich war, und wurde. Wiſſe ſoviel, daß alle Liebe, keine Liebe mehr, mich hält oder beſeligt, oder nur einen Augenblick mich hoffen läßt, ruhen läßt, ohne den Gedanken des Zuſammenbleibens. Ich bin kein Vagabund, und nichts kann ſich in mir, aus mir heraus entwickeln, als die Urwünſche des edeln, unbeſtechlichen, nicht zu verwüſtenden Herzens. Ich hoffe nichts. Und weiß nun,
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heit: und, es iſt kein Scherz, mein Körper — die Körperſeele
— fragt gewiſſermaßen Geiſt und Herz, ob er wohl weiter
leben ſoll? Ich ſehe das ganze Jahr meinen Arzt nicht.
Vorigen Sommer kurirte er mich ſchlecht, und trotz ihm
wurde ich beſſer; ich ſollte weiter leben: der Vorrath von Le-
ben war da! Nun wiſſen Sie das über mich, was in geſchrie-
bene Worte zu faſſen iſt. Antworten Sie mir ſo, daß ich
das von Ihnen erfahre! Und glauben Sie, daß Sie ſelbſt
mich nicht gegen Sie verändern können.
Rahel.
Das Papier war fettig! Gräßlich. — Ich kenne vorzüg-
liche Menſchen. Sie ſind mir auch gut: und lieben mich zu
ſehen, wie einen Fels, wie Wolkengebilde, und ſturmbewegte
Wellen u. dgl. Keiner herbergt den Menſchen in mir; wo ſie
doch alle untertreten! Dies iſt die Wahrheit.
An Varnhagen, in Prag.
Dienstag, Berlin, den 30. April 1811.
— Ich habe keine Laune — ich habe auch Kopfſchmer-
zen — dir einen Spazirgang mit Harſcher und Marwitz im
Thiergarten und beim Hofjäger zu beſchreiben, wo ein unend-
licher Regen uns überfiel, und wo es göttlich war, und wurde.
Wiſſe ſoviel, daß alle Liebe, keine Liebe mehr, mich hält oder
beſeligt, oder nur einen Augenblick mich hoffen läßt, ruhen
läßt, ohne den Gedanken des Zuſammenbleibens. Ich bin
kein Vagabund, und nichts kann ſich in mir, aus mir heraus
entwickeln, als die Urwünſche des edeln, unbeſtechlichen, nicht
zu verwüſtenden Herzens. Ich hoffe nichts. Und weiß nun,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/504>, abgerufen am 30.12.2024.
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