schon Forster in seinen Ansichten; und Heinse giebt mir die- selbe Sehnsucht. Und wie er von meinem besten Freund, dem Apoll von Belvedere, spricht! den ich nun persönlich kenne, und der ganz vertraut mit mir war -- dabei mußt du wissen hasse ich nichts so, als über Gemählde schreiben; und die neueren Babler haben es mir gar verekelt. Die stimmen sich erst katholisch, katalogisch, chronologisch, papstmittelaltrig-ge- schichtlich, und dann legen sie los; zeigen unsern Augen, und den Griechen, den Platz an; und zeigen dem, der Sinne hat, welche ihnen fehlen. Sinne, Sinne, die fünf Sinne! Gott, könnte man doch solchen fleißigen, strebenden, sich allein em- porbewegenden Manne, wie Heinse, etwas anthun! Oft habe ich geweint bei diesem Buche. Sonst konnte Preußen stolz sein: und Friedrich der Zweite wog uns in die Höhe in Eu- ropa: wir hatten Alle einen Theil an seinen Siegen, von und an seiner Einsicht: ich auch! Nichts wär' ich, bei meiner Ge- burt, ohne ihn; er gab jeder Pflanze Raum in seinem sonne- zugelassenen Lande. Und eine Ehre war's, sich daher zu nen- nen: und wirklicher Vortheil für Leib und Geist. Antworte mir hierauf nicht. Ardinghello ist mir nicht mehr in allen Details gegenwärtig; aber noch sind mir die Briefe lieber.
Adieu bis morgen.
Donnerstag, den 7. December.
In Erwartung des italiänischen Lehrers.
-- Du hast mir geschrieben, ich möchte dir etwas über deine Gedichte sagen, über die, die du noch von Dresden schicktest. Ich habe sie noch nicht wieder nachgesehen: ich werde es aber thun; und was ich nun sage, bezieht sich im geringsten nicht besonders
ſchon Forſter in ſeinen Anſichten; und Heinſe giebt mir die- ſelbe Sehnſucht. Und wie er von meinem beſten Freund, dem Apoll von Belvedere, ſpricht! den ich nun perſönlich kenne, und der ganz vertraut mit mir war — dabei mußt du wiſſen haſſe ich nichts ſo, als über Gemählde ſchreiben; und die neueren Babler haben es mir gar verekelt. Die ſtimmen ſich erſt katholiſch, katalogiſch, chronologiſch, papſtmittelaltrig-ge- ſchichtlich, und dann legen ſie los; zeigen unſern Augen, und den Griechen, den Platz an; und zeigen dem, der Sinne hat, welche ihnen fehlen. Sinne, Sinne, die fünf Sinne! Gott, könnte man doch ſolchen fleißigen, ſtrebenden, ſich allein em- porbewegenden Manne, wie Heinſe, etwas anthun! Oft habe ich geweint bei dieſem Buche. Sonſt konnte Preußen ſtolz ſein: und Friedrich der Zweite wog uns in die Höhe in Eu- ropa: wir hatten Alle einen Theil an ſeinen Siegen, von und an ſeiner Einſicht: ich auch! Nichts wär’ ich, bei meiner Ge- burt, ohne ihn; er gab jeder Pflanze Raum in ſeinem ſonne- zugelaſſenen Lande. Und eine Ehre war’s, ſich daher zu nen- nen: und wirklicher Vortheil für Leib und Geiſt. Antworte mir hierauf nicht. Ardinghello iſt mir nicht mehr in allen Details gegenwärtig; aber noch ſind mir die Briefe lieber.
Adieu bis morgen.
Donnerstag, den 7. December.
In Erwartung des italiäniſchen Lehrers.
— Du haſt mir geſchrieben, ich möchte dir etwas über deine Gedichte ſagen, über die, die du noch von Dresden ſchickteſt. Ich habe ſie noch nicht wieder nachgeſehen: ich werde es aber thun; und was ich nun ſage, bezieht ſich im geringſten nicht beſonders
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ſchon Forſter in ſeinen Anſichten; und Heinſe giebt mir die-
ſelbe Sehnſucht. Und wie er von meinem beſten Freund, dem
Apoll von Belvedere, ſpricht! den ich nun perſönlich kenne,
und der ganz vertraut mit mir war — dabei mußt du wiſſen
haſſe ich nichts ſo, als über Gemählde ſchreiben; und die
neueren Babler haben es mir gar verekelt. Die ſtimmen ſich
erſt katholiſch, katalogiſch, chronologiſch, papſtmittelaltrig-ge-
ſchichtlich, und dann legen ſie los; zeigen unſern Augen, und
den Griechen, den Platz an; und zeigen dem, der Sinne hat,
welche ihnen fehlen. Sinne, Sinne, die fünf Sinne! Gott,
könnte man doch ſolchen fleißigen, ſtrebenden, ſich allein em-
porbewegenden Manne, wie Heinſe, etwas anthun! Oft habe
ich geweint bei dieſem Buche. Sonſt konnte Preußen ſtolz
ſein: und Friedrich der Zweite wog uns in die Höhe in Eu-
ropa: wir hatten Alle einen Theil an ſeinen Siegen, von und
an ſeiner Einſicht: ich auch! Nichts wär’ ich, bei meiner Ge-
burt, ohne ihn; er gab jeder Pflanze Raum in ſeinem ſonne-
zugelaſſenen Lande. Und eine Ehre war’s, ſich daher zu nen-
nen: und wirklicher Vortheil für Leib und Geiſt. Antworte
mir hierauf nicht. Ardinghello iſt mir nicht mehr in allen
Details gegenwärtig; aber noch ſind mir die Briefe lieber.
Adieu bis morgen.
Donnerstag, den 7. December.
In Erwartung des italiäniſchen Lehrers.
— Du haſt mir geſchrieben, ich möchte dir etwas über deine
Gedichte ſagen, über die, die du noch von Dresden ſchickteſt. Ich
habe ſie noch nicht wieder nachgeſehen: ich werde es aber thun;
und was ich nun ſage, bezieht ſich im geringſten nicht beſonders
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/387>, abgerufen am 20.11.2024.
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