einem Freund verstünde; und als ich fertig war, sagtest du: dies haben die Alten Freundschaft genannt; es sei die antike Freundschaft, -- und die hohlen Lustbilder belebte ich alle selbst. Ein Roland, ein Don Quixote ist nicht wahrhafter als ich. -- Du wirst schon alles aus meinem Briefe nach dieser Erinnrung, und der Kenntniß, die du von mir hast, ergänzen. Ich ver- mag nichts zu sagen. Das Wesentlichste, bis jetzt unsägliches, bleibt zurück; das was ich aussprechen soll, das was nur ich auszusprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur erzeugt haben, nur im Glück ausgesprochen werden; (wenn es auch oft scheinen mag, mein Schmerz sei beredt.) Im Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch. Wahres Unglück schämt sich; habe ich immer gesagt: oder vielmehr nie; Einmal mir es selbst aufgeschrieben. --
Dienstag, den 8. um 9 Uhr.
-- Ich wußte gestern auf einen Moment alle Gründe, warum es mir so gehen muß: und es beruhigte mich ganz einen Augenblick -- immer vermag das der Geist über's Herz. Und doch werd' ich den herbsten Wünschen wieder überliefert, den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt's auch gestern schon; und der Wunsch, es möchte doch nicht so sein, und mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilsames Wetter, war mein erster Wunsch, aus der dunklen Zukunft im Herzen; da liegt sie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih mir! auch dir zeige ich mich so ungraziöse! O! ich verstehe es ja sehr gut, was schön ist, oder nicht: und sehe auch das, wenn es auch mich betrifft. Aber sei nur ruhig und mach
einem Freund verſtünde; und als ich fertig war, ſagteſt du: dies haben die Alten Freundſchaft genannt; es ſei die antike Freundſchaft, — und die hohlen Luſtbilder belebte ich alle ſelbſt. Ein Roland, ein Don Quixote iſt nicht wahrhafter als ich. — Du wirſt ſchon alles aus meinem Briefe nach dieſer Erinnrung, und der Kenntniß, die du von mir haſt, ergänzen. Ich ver- mag nichts zu ſagen. Das Weſentlichſte, bis jetzt unſägliches, bleibt zurück; das was ich ausſprechen ſoll, das was nur ich auszuſprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur erzeugt haben, nur im Glück ausgeſprochen werden; (wenn es auch oft ſcheinen mag, mein Schmerz ſei beredt.) Im Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch. Wahres Unglück ſchämt ſich; habe ich immer geſagt: oder vielmehr nie; Einmal mir es ſelbſt aufgeſchrieben. —
Dienstag, den 8. um 9 Uhr.
— Ich wußte geſtern auf einen Moment alle Gründe, warum es mir ſo gehen muß: und es beruhigte mich ganz einen Augenblick — immer vermag das der Geiſt über’s Herz. Und doch werd’ ich den herbſten Wünſchen wieder überliefert, den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt’s auch geſtern ſchon; und der Wunſch, es möchte doch nicht ſo ſein, und mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilſames Wetter, war mein erſter Wunſch, aus der dunklen Zukunft im Herzen; da liegt ſie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih mir! auch dir zeige ich mich ſo ungraziöſe! O! ich verſtehe es ja ſehr gut, was ſchön iſt, oder nicht: und ſehe auch das, wenn es auch mich betrifft. Aber ſei nur ruhig und mach
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0378"n="364"/>
einem Freund verſtünde; und als ich fertig war, ſagteſt du:<lb/>
dies haben die Alten Freundſchaft genannt; es ſei die antike<lb/>
Freundſchaft, — und die hohlen Luſtbilder belebte ich alle ſelbſt.<lb/>
Ein Roland, ein Don Quixote iſt nicht wahrhafter als ich. —<lb/>
Du wirſt ſchon alles aus meinem Briefe nach dieſer Erinnrung,<lb/>
und der Kenntniß, die du von mir haſt, ergänzen. Ich ver-<lb/>
mag nichts zu ſagen. Das Weſentlichſte, bis jetzt unſägliches,<lb/>
bleibt zurück; das was ich ausſprechen ſoll, das was nur ich<lb/>
auszuſprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur<lb/>
erzeugt haben, nur im Glück ausgeſprochen werden; (wenn<lb/>
es auch oft ſcheinen mag, mein Schmerz ſei beredt.) Im<lb/>
Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch.<lb/>
Wahres Unglück ſchämt ſich; habe ich immer geſagt: oder<lb/>
vielmehr nie; Einmal mir es ſelbſt aufgeſchrieben. —</p></div><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Dienstag, den 8. um 9 Uhr.</hi></dateline><lb/><p>— Ich wußte geſtern auf einen Moment alle Gründe,<lb/>
warum es mir ſo gehen muß: und es beruhigte mich ganz<lb/>
einen Augenblick — immer vermag das der Geiſt über’s Herz.<lb/>
Und doch werd’ ich den herbſten Wünſchen wieder überliefert,<lb/>
den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt’s auch geſtern<lb/>ſchon; und der Wunſch, es möchte doch nicht ſo ſein, und<lb/>
mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilſames<lb/>
Wetter, war mein erſter Wunſch, aus der dunklen Zukunft<lb/>
im Herzen; da liegt ſie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih<lb/>
mir! auch dir zeige ich mich ſo ungraziöſe! O! ich verſtehe<lb/>
es ja ſehr gut, was ſchön iſt, oder nicht: und ſehe auch das,<lb/>
wenn es auch mich betrifft. Aber ſei nur ruhig und mach<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[364/0378]
einem Freund verſtünde; und als ich fertig war, ſagteſt du:
dies haben die Alten Freundſchaft genannt; es ſei die antike
Freundſchaft, — und die hohlen Luſtbilder belebte ich alle ſelbſt.
Ein Roland, ein Don Quixote iſt nicht wahrhafter als ich. —
Du wirſt ſchon alles aus meinem Briefe nach dieſer Erinnrung,
und der Kenntniß, die du von mir haſt, ergänzen. Ich ver-
mag nichts zu ſagen. Das Weſentlichſte, bis jetzt unſägliches,
bleibt zurück; das was ich ausſprechen ſoll, das was nur ich
auszuſprechen vermag, kann, wenn es auch Schmerzen nur
erzeugt haben, nur im Glück ausgeſprochen werden; (wenn
es auch oft ſcheinen mag, mein Schmerz ſei beredt.) Im
Glück, oder im Tod. Bis dahin bindet Scham mich noch.
Wahres Unglück ſchämt ſich; habe ich immer geſagt: oder
vielmehr nie; Einmal mir es ſelbſt aufgeſchrieben. —
Dienstag, den 8. um 9 Uhr.
— Ich wußte geſtern auf einen Moment alle Gründe,
warum es mir ſo gehen muß: und es beruhigte mich ganz
einen Augenblick — immer vermag das der Geiſt über’s Herz.
Und doch werd’ ich den herbſten Wünſchen wieder überliefert,
den größten Wogen des Gemüths! Ich wußt’s auch geſtern
ſchon; und der Wunſch, es möchte doch nicht ſo ſein, und
mir die Helle des Augenblicks bleiben, wie gutes heilſames
Wetter, war mein erſter Wunſch, aus der dunklen Zukunft
im Herzen; da liegt ſie zu ewiger Entfaltung drin! Verzeih
mir! auch dir zeige ich mich ſo ungraziöſe! O! ich verſtehe
es ja ſehr gut, was ſchön iſt, oder nicht: und ſehe auch das,
wenn es auch mich betrifft. Aber ſei nur ruhig und mach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/378>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.