Klima, wäre stark, um fleißig zu sein! weiter giebt's nichts. Alles andere wird und muß immer erbärmlich werden. Zu falsch, zu künstlich, oder zu sehr der Nothdurst ist es aufge- stellt. --
-- Warum soll man nicht außer sich sein? Das sind schöne Parenthesen im Leben, die weder uns noch Andern ge- hören: schöne nenn' ich sie; weil sie uns eine Freiheit geben, die wir und die uns bei gesundem Verstande niemand ein- räumen würde. Würde ein Mensch sich entschließen, ein Nervenfieber zu nehmen? und doch kann es uns das Leben retten. Es kommt aber von selbst. --
-- Ich liebe den Zorn; übe ihn, aber protegire ihn auch. Drei Dinge nur sind nie im Stande mich zu affiziren, näm- lich, wenn man mir sagt, ich sei gemein, affektirt, oder dumm. Die drei glaub' ich niemals; und bin ich nicht sehr schlechter Laune, so muß ich immer darüber lachen. --
An Frau von Boye, in Paris.
Berlin, den 10. December 1802.
Deine Drohungen nur, und das lebhafte Vergnügen, von einer Art Statthalter, wie du bist, aus meinem verwirrten Po- ris Nachricht zu bekommen, können mich nur bewegen, die schreckliche Handlung, die zerstörende für mich, des Schreibens zu begehen. Laß dir aber gesagt sein! und fasse es mit Ver- ständigkeit auf; daß du von geforderten Briefen von mir gar nichts hast. Vorgehen thut hier nichts; und das Alte faßt mich so mit Ekel, daß jeder Gast mich aushauen würde
und
Klima, wäre ſtark, um fleißig zu ſein! weiter giebt’s nichts. Alles andere wird und muß immer erbärmlich werden. Zu falſch, zu künſtlich, oder zu ſehr der Nothdurſt iſt es aufge- ſtellt. —
— Warum ſoll man nicht außer ſich ſein? Das ſind ſchöne Parentheſen im Leben, die weder uns noch Andern ge- hören: ſchöne nenn’ ich ſie; weil ſie uns eine Freiheit geben, die wir und die uns bei geſundem Verſtande niemand ein- räumen würde. Würde ein Menſch ſich entſchließen, ein Nervenfieber zu nehmen? und doch kann es uns das Leben retten. Es kommt aber von ſelbſt. —
— Ich liebe den Zorn; übe ihn, aber protegire ihn auch. Drei Dinge nur ſind nie im Stande mich zu affiziren, näm- lich, wenn man mir ſagt, ich ſei gemein, affektirt, oder dumm. Die drei glaub’ ich niemals; und bin ich nicht ſehr ſchlechter Laune, ſo muß ich immer darüber lachen. —
An Frau von Boye, in Paris.
Berlin, den 10. December 1802.
Deine Drohungen nur, und das lebhafte Vergnügen, von einer Art Statthalter, wie du biſt, aus meinem verwirrten Po- ris Nachricht zu bekommen, können mich nur bewegen, die ſchreckliche Handlung, die zerſtörende für mich, des Schreibens zu begehen. Laß dir aber geſagt ſein! und faſſe es mit Ver- ſtändigkeit auf; daß du von geforderten Briefen von mir gar nichts haſt. Vorgehen thut hier nichts; und das Alte faßt mich ſo mit Ekel, daß jeder Gaſt mich aushauen würde
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0270"n="256"/>
Klima, wäre ſtark, um fleißig zu ſein! weiter giebt’s nichts.<lb/>
Alles andere wird und muß immer erbärmlich werden. Zu<lb/>
falſch, zu künſtlich, oder zu ſehr der Nothdurſt iſt es aufge-<lb/>ſtellt. —</p><lb/><p>— Warum ſoll man nicht außer ſich ſein? Das ſind<lb/>ſchöne Parentheſen im Leben, die weder uns noch Andern ge-<lb/>
hören: ſchöne nenn’ ich ſie; weil ſie uns eine Freiheit geben,<lb/>
die wir und die uns bei geſundem Verſtande niemand ein-<lb/>
räumen würde. Würde ein Menſch ſich entſchließen, ein<lb/>
Nervenfieber zu nehmen? und doch kann es uns das Leben<lb/>
retten. Es kommt aber von ſelbſt. —</p><lb/><p>— Ich liebe den Zorn; übe ihn, aber protegire ihn auch.<lb/>
Drei Dinge nur ſind nie im Stande mich zu affiziren, näm-<lb/>
lich, wenn man mir ſagt, ich ſei gemein, affektirt, oder dumm.<lb/>
Die drei glaub’ ich niemals; und bin ich nicht ſehr ſchlechter<lb/>
Laune, ſo muß ich immer darüber lachen. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Frau von Boye, in Paris.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 10. December 1802.</hi></dateline><lb/><p>Deine Drohungen nur, und das lebhafte Vergnügen, von<lb/>
einer Art Statthalter, wie du biſt, aus meinem verwirrten Po-<lb/>
ris Nachricht zu bekommen, können mich nur bewegen, die<lb/>ſchreckliche Handlung, die zerſtörende für mich, des Schreibens<lb/>
zu begehen. Laß dir aber geſagt ſein! und faſſe es mit Ver-<lb/>ſtändigkeit auf; daß du von <hirendition="#g">geforderten</hi> Briefen von mir<lb/>
gar nichts haſt. Vorgehen thut hier <hirendition="#g">nichts</hi>; und das Alte<lb/>
faßt mich ſo mit <hirendition="#g">Ekel</hi>, daß jeder Gaſt mich aushauen würde<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[256/0270]
Klima, wäre ſtark, um fleißig zu ſein! weiter giebt’s nichts.
Alles andere wird und muß immer erbärmlich werden. Zu
falſch, zu künſtlich, oder zu ſehr der Nothdurſt iſt es aufge-
ſtellt. —
— Warum ſoll man nicht außer ſich ſein? Das ſind
ſchöne Parentheſen im Leben, die weder uns noch Andern ge-
hören: ſchöne nenn’ ich ſie; weil ſie uns eine Freiheit geben,
die wir und die uns bei geſundem Verſtande niemand ein-
räumen würde. Würde ein Menſch ſich entſchließen, ein
Nervenfieber zu nehmen? und doch kann es uns das Leben
retten. Es kommt aber von ſelbſt. —
— Ich liebe den Zorn; übe ihn, aber protegire ihn auch.
Drei Dinge nur ſind nie im Stande mich zu affiziren, näm-
lich, wenn man mir ſagt, ich ſei gemein, affektirt, oder dumm.
Die drei glaub’ ich niemals; und bin ich nicht ſehr ſchlechter
Laune, ſo muß ich immer darüber lachen. —
An Frau von Boye, in Paris.
Berlin, den 10. December 1802.
Deine Drohungen nur, und das lebhafte Vergnügen, von
einer Art Statthalter, wie du biſt, aus meinem verwirrten Po-
ris Nachricht zu bekommen, können mich nur bewegen, die
ſchreckliche Handlung, die zerſtörende für mich, des Schreibens
zu begehen. Laß dir aber geſagt ſein! und faſſe es mit Ver-
ſtändigkeit auf; daß du von geforderten Briefen von mir
gar nichts haſt. Vorgehen thut hier nichts; und das Alte
faßt mich ſo mit Ekel, daß jeder Gaſt mich aushauen würde
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/270>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.