er soll mehr Gutes von mir wissen, als er weiß. Ich hab' Ihnen von diesen weltlichen Dingen geschrieben; um Ihnen davon zu schreiben, und uns au courant des Lebens zu setzen; das geht seinen Gang fort; wir mögen in uns hegen, was wir wollen. Apropos, Jean Paul ist hier. Noch hab' ich ihn nicht gesehen. Ich will ihn sehen; aber ich muß ihn nicht sehen. Einen nur mußt' ich sehen. Ich muß mir den Richter immer schmutzig denken! -- weil er keinen Geschmack hat. Denken Sie nur nicht, daß ich ihn nicht liebe. Au contraire, diesen Winter lacht' und weint' ich nur mit ihm. Adieu! und -- wär's wohl möglich, daß ich mit meiner, grad' meiner Laune den Richter nicht goutirte? Adieu. Leben Sie recht wohl!
Alles grüßt. Nun ist's als hätte man einen Pfropf her- ausgezogen, und die Liebe kommt stromweise.
An Gustav von Brinckmann, in Hamburg.
Berlin, Juni 1800.
Bester Freund, ich fange indeß hierauf an zu schreiben, weil ich noch kein Papier habe. Dieses Blättchen von Herz hat er hier bei mir geschrieben; was er mir sagen wollte, ward während des Sagens zu weitläufig, und da ergriff er diese Manier. Wa er keine Vorurtheile hat, ist er ordentlich göttlich, und liebenswürdig- vernünftig und gelassen. Folgen Sie ihm ja diesmal. Zufrieden, Lieber? Eine Last ist mir vom Herzen -- aber zufrieden? -- so ist man, ich fühle -- gleich wieder eine neue. Schreiben Sie nur nicht, lie-
er ſoll mehr Gutes von mir wiſſen, als er weiß. Ich hab’ Ihnen von dieſen weltlichen Dingen geſchrieben; um Ihnen davon zu ſchreiben, und uns au courant des Lebens zu ſetzen; das geht ſeinen Gang fort; wir mögen in uns hegen, was wir wollen. Apropos, Jean Paul iſt hier. Noch hab’ ich ihn nicht geſehen. Ich will ihn ſehen; aber ich muß ihn nicht ſehen. Einen nur mußt’ ich ſehen. Ich muß mir den Richter immer ſchmutzig denken! — weil er keinen Geſchmack hat. Denken Sie nur nicht, daß ich ihn nicht liebe. Au contraire, dieſen Winter lacht’ und weint’ ich nur mit ihm. Adieu! und — wär’s wohl möglich, daß ich mit meiner, grad’ meiner Laune den Richter nicht goutirte? Adieu. Leben Sie recht wohl!
Alles grüßt. Nun iſt’s als hätte man einen Pfropf her- ausgezogen, und die Liebe kommt ſtromweiſe.
An Guſtav von Brinckmann, in Hamburg.
Berlin, Juni 1800.
Beſter Freund, ich fange indeß hierauf an zu ſchreiben, weil ich noch kein Papier habe. Dieſes Blättchen von Herz hat er hier bei mir geſchrieben; was er mir ſagen wollte, ward während des Sagens zu weitläufig, und da ergriff er dieſe Manier. Wa er keine Vorurtheile hat, iſt er ordentlich göttlich, und liebenswürdig- vernünftig und gelaſſen. Folgen Sie ihm ja diesmal. Zufrieden, Lieber? Eine Laſt iſt mir vom Herzen — aber zufrieden? — ſo iſt man, ich fühle — gleich wieder eine neue. Schreiben Sie nur nicht, lie-
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[201/0215]
er ſoll mehr Gutes von mir wiſſen, als er weiß. Ich hab’
Ihnen von dieſen weltlichen Dingen geſchrieben; um Ihnen
davon zu ſchreiben, und uns au courant des Lebens zu ſetzen;
das geht ſeinen Gang fort; wir mögen in uns hegen, was
wir wollen. Apropos, Jean Paul iſt hier. Noch hab’ ich ihn
nicht geſehen. Ich will ihn ſehen; aber ich muß ihn nicht
ſehen. Einen nur mußt’ ich ſehen. Ich muß mir den Richter
immer ſchmutzig denken! — weil er keinen Geſchmack hat.
Denken Sie nur nicht, daß ich ihn nicht liebe. Au contraire,
dieſen Winter lacht’ und weint’ ich nur mit ihm. Adieu! und
— wär’s wohl möglich, daß ich mit meiner, grad’ meiner
Laune den Richter nicht goutirte? Adieu. Leben Sie recht
wohl!
Alles grüßt. Nun iſt’s als hätte man einen Pfropf her-
ausgezogen, und die Liebe kommt ſtromweiſe.
An Guſtav von Brinckmann, in Hamburg.
Berlin, Juni 1800.
Beſter Freund, ich fange indeß hierauf an zu ſchreiben,
weil ich noch kein Papier habe. Dieſes Blättchen von Herz
hat er hier bei mir geſchrieben; was er mir ſagen wollte,
ward während des Sagens zu weitläufig, und da ergriff er
dieſe Manier. Wa er keine Vorurtheile hat, iſt er ordentlich
göttlich, und liebenswürdig- vernünftig und gelaſſen.
Folgen Sie ihm ja diesmal. Zufrieden, Lieber? Eine Laſt
iſt mir vom Herzen — aber zufrieden? — ſo iſt man, ich
fühle — gleich wieder eine neue. Schreiben Sie nur nicht, lie-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/215>, abgerufen am 20.11.2024.
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