vor die Säue geworfen: ich versteh' wohl was gut ist, und mir Gutes zu thun, ist ein Vergnügen. Bei Dankbarkeit denkt man nichts; ich läugne sie auch immer: empfinden und verstehen bis auf's geringste Undchen, was einer thut, das wäre Dankbarkeit, und ist so selten zu finden, wie Apolls Schönheit, und auch von der wird gesagt, sie existirt nicht. -- Ich finde den ersten Theil von Hume nicht uninteressant, grade wie ein Volk entsteht, weiß ich gern, und daraus denk' ich mir seine Art und Weise, die es noch hat; und durch sein Land und seine Lage; das spätere Setzen eines Volks ist sich gleicher; sind die Menschen civilisirt, so sehen sie sich immer ähnlicher; und die spätere Geschichte will ich nur wissen, weil sie andere Leute wissen, und sie einmal existirt, über die denk' ich nicht so viel. --
An David Veit, in Jena.
Berlin, den 1. Juni 1795.
Ich schreib' Ihnen gleich Antwort, weil sie dann immer besser wird, als wenn ich erst warte, und weil ich Ihnen den andern Monat gar nicht schreiben werde wegen Freienwalde. Vorgestern nahm ich hier das letzte Bad; weil ich es vor Schwäche nicht aushalte. Sie werden das an meiner alterir- ten Handschrift bemerken können. Die Verse an den alten Mann sind ohne allen Vergleich besser als die andern, -- ich spreche hier wie's mir vorkömmt, -- sie sind ein Ganzes, Ein Gedanke, und auch der Ton, in dem sie gehen, gefällt mir besser als der andere. -- Daß Sie für Latrobe nichts Besse-
vor die Säue geworfen: ich verſteh’ wohl was gut iſt, und mir Gutes zu thun, iſt ein Vergnügen. Bei Dankbarkeit denkt man nichts; ich läugne ſie auch immer: empfinden und verſtehen bis auf’s geringſte Undchen, was einer thut, das wäre Dankbarkeit, und iſt ſo ſelten zu finden, wie Apolls Schönheit, und auch von der wird geſagt, ſie exiſtirt nicht. — Ich finde den erſten Theil von Hume nicht unintereſſant, grade wie ein Volk entſteht, weiß ich gern, und daraus denk’ ich mir ſeine Art und Weiſe, die es noch hat; und durch ſein Land und ſeine Lage; das ſpätere Setzen eines Volks iſt ſich gleicher; ſind die Menſchen civiliſirt, ſo ſehen ſie ſich immer ähnlicher; und die ſpätere Geſchichte will ich nur wiſſen, weil ſie andere Leute wiſſen, und ſie einmal exiſtirt, über die denk’ ich nicht ſo viel. —
An David Veit, in Jena.
Berlin, den 1. Juni 1795.
Ich ſchreib’ Ihnen gleich Antwort, weil ſie dann immer beſſer wird, als wenn ich erſt warte, und weil ich Ihnen den andern Monat gar nicht ſchreiben werde wegen Freienwalde. Vorgeſtern nahm ich hier das letzte Bad; weil ich es vor Schwäche nicht aushalte. Sie werden das an meiner alterir- ten Handſchrift bemerken können. Die Verſe an den alten Mann ſind ohne allen Vergleich beſſer als die andern, — ich ſpreche hier wie’s mir vorkömmt, — ſie ſind ein Ganzes, Ein Gedanke, und auch der Ton, in dem ſie gehen, gefällt mir beſſer als der andere. — Daß Sie für Latrobe nichts Beſſe-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0151"n="137"/>
vor die Säue geworfen: ich verſteh’ wohl was gut iſt, und<lb/><hirendition="#g">mir</hi> Gutes zu thun, iſt ein Vergnügen. Bei Dankbarkeit<lb/>
denkt man nichts; ich läugne ſie auch immer: empfinden und<lb/>
verſtehen bis auf’s geringſte Undchen, was einer thut, das<lb/>
wäre Dankbarkeit, und iſt ſo ſelten zu finden, wie Apolls<lb/>
Schönheit, und auch von der wird geſagt, ſie exiſtirt nicht. —<lb/>
Ich finde den erſten Theil von Hume nicht unintereſſant, grade<lb/>
wie ein Volk entſteht, weiß ich gern, und daraus denk’ ich<lb/>
mir ſeine Art und Weiſe, die es noch hat; und durch ſein<lb/>
Land und ſeine Lage; das ſpätere Setzen eines Volks iſt ſich<lb/>
gleicher; ſind die Menſchen civiliſirt, ſo ſehen ſie ſich immer<lb/>
ähnlicher; und die ſpätere Geſchichte will ich nur wiſſen, weil<lb/>ſie andere Leute wiſſen, und ſie einmal exiſtirt, über die denk’<lb/>
ich nicht ſo viel. —</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An David Veit, in Jena.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 1. Juni 1795.</hi></dateline><lb/><p>Ich ſchreib’ Ihnen gleich Antwort, weil ſie dann immer<lb/>
beſſer wird, als wenn ich erſt warte, und weil ich Ihnen den<lb/>
andern Monat gar nicht ſchreiben werde wegen Freienwalde.<lb/>
Vorgeſtern nahm ich hier das letzte Bad; weil ich es vor<lb/>
Schwäche nicht aushalte. Sie werden das an meiner alterir-<lb/>
ten Handſchrift bemerken können. Die Verſe an den alten<lb/>
Mann ſind ohne allen Vergleich beſſer als die andern, — ich<lb/>ſpreche hier wie’s mir vorkömmt, —ſie ſind ein Ganzes, Ein<lb/>
Gedanke, und auch der Ton, in dem ſie gehen, gefällt mir<lb/>
beſſer als der andere. — Daß Sie für Latrobe nichts Beſſe-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[137/0151]
vor die Säue geworfen: ich verſteh’ wohl was gut iſt, und
mir Gutes zu thun, iſt ein Vergnügen. Bei Dankbarkeit
denkt man nichts; ich läugne ſie auch immer: empfinden und
verſtehen bis auf’s geringſte Undchen, was einer thut, das
wäre Dankbarkeit, und iſt ſo ſelten zu finden, wie Apolls
Schönheit, und auch von der wird geſagt, ſie exiſtirt nicht. —
Ich finde den erſten Theil von Hume nicht unintereſſant, grade
wie ein Volk entſteht, weiß ich gern, und daraus denk’ ich
mir ſeine Art und Weiſe, die es noch hat; und durch ſein
Land und ſeine Lage; das ſpätere Setzen eines Volks iſt ſich
gleicher; ſind die Menſchen civiliſirt, ſo ſehen ſie ſich immer
ähnlicher; und die ſpätere Geſchichte will ich nur wiſſen, weil
ſie andere Leute wiſſen, und ſie einmal exiſtirt, über die denk’
ich nicht ſo viel. —
An David Veit, in Jena.
Berlin, den 1. Juni 1795.
Ich ſchreib’ Ihnen gleich Antwort, weil ſie dann immer
beſſer wird, als wenn ich erſt warte, und weil ich Ihnen den
andern Monat gar nicht ſchreiben werde wegen Freienwalde.
Vorgeſtern nahm ich hier das letzte Bad; weil ich es vor
Schwäche nicht aushalte. Sie werden das an meiner alterir-
ten Handſchrift bemerken können. Die Verſe an den alten
Mann ſind ohne allen Vergleich beſſer als die andern, — ich
ſpreche hier wie’s mir vorkömmt, — ſie ſind ein Ganzes, Ein
Gedanke, und auch der Ton, in dem ſie gehen, gefällt mir
beſſer als der andere. — Daß Sie für Latrobe nichts Beſſe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/151>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.