Stärke. Übrigens suchen Sie, mein Herr, mir den ascendant schon abzulauern: daß Sie sich so sehr schwach gegen mich stellen, mich so hoch über sich setzen; dadurch machen Sie mich zum Idole, und sich zum lebenden Menschen, dem es unter andern auch wohl thut, sich zu sammlen, zu bewundren, zu fürchten, zu beten. Ist nun der kleine Hausgott nicht von Gold oder Marmor, und glaubt in seiner gehirnlosen Brust seiner eignen Anbetung, so wird er sein eigner -- und noch Andrer Narr. Ich habe mich, in der großen allgemeinen Weltnoth, einem Gotte ganz gewidmet; und so oft ich noch gerettet worden bin, so ist es der, der mich gerettet hat, die Wahrheit. Auch von Ihnen soll sie mich diesmal retten: denn sie ist's, die mich zwingt, und mir zuredet, aufrichtig gegen Sie zu sein. Diese Aufrichtigkeit muß Sie beruhigen, befriedigen und verstummen machen. Oder ich bin wirklich werth, in einem Kapellchen zu stehen, und die Augen vor mei- ner eignen Glorie zu schließen. Votre amie la plus bete.
R. L.
An Gustav von Brinckmann.
Berlin, den 19. März 1795.
Falsch, grundfalsch -- angenommen Sie hätten mehr als Sie wissen daraus gelernt -- daß Sie aus diesem Buch et- was hätten erfahren können, was Sie nicht wüßten; es müßte denn Geschichte sein. Falsch, grundfalsch, daß ich die vier Bände nicht durchlesen werde; denn ich werde gewiß etwas daraus lernen. Falsch, grundfalsch, daß Sie nicht glauben
an
Stärke. Übrigens ſuchen Sie, mein Herr, mir den ascendant ſchon abzulauern: daß Sie ſich ſo ſehr ſchwach gegen mich ſtellen, mich ſo hoch über ſich ſetzen; dadurch machen Sie mich zum Idole, und ſich zum lebenden Menſchen, dem es unter andern auch wohl thut, ſich zu ſammlen, zu bewundren, zu fürchten, zu beten. Iſt nun der kleine Hausgott nicht von Gold oder Marmor, und glaubt in ſeiner gehirnloſen Bruſt ſeiner eignen Anbetung, ſo wird er ſein eigner — und noch Andrer Narr. Ich habe mich, in der großen allgemeinen Weltnoth, einem Gotte ganz gewidmet; und ſo oft ich noch gerettet worden bin, ſo iſt es der, der mich gerettet hat, die Wahrheit. Auch von Ihnen ſoll ſie mich diesmal retten: denn ſie iſt’s, die mich zwingt, und mir zuredet, aufrichtig gegen Sie zu ſein. Dieſe Aufrichtigkeit muß Sie beruhigen, befriedigen und verſtummen machen. Oder ich bin wirklich werth, in einem Kapellchen zu ſtehen, und die Augen vor mei- ner eignen Glorie zu ſchließen. Votre amie la plus bête.
R. L.
An Guſtav von Brinckmann.
Berlin, den 19. März 1795.
Falſch, grundfalſch — angenommen Sie hätten mehr als Sie wiſſen daraus gelernt — daß Sie aus dieſem Buch et- was hätten erfahren können, was Sie nicht wüßten; es müßte denn Geſchichte ſein. Falſch, grundfalſch, daß ich die vier Bände nicht durchleſen werde; denn ich werde gewiß etwas daraus lernen. Falſch, grundfalſch, daß Sie nicht glauben
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Stärke. Übrigens ſuchen Sie, mein Herr, mir den ascendant
ſchon abzulauern: daß Sie ſich ſo ſehr ſchwach gegen mich
ſtellen, mich ſo hoch über ſich ſetzen; dadurch machen Sie
mich zum Idole, und ſich zum lebenden Menſchen, dem es
unter andern auch wohl thut, ſich zu ſammlen, zu bewundren,
zu fürchten, zu beten. Iſt nun der kleine Hausgott nicht
von Gold oder Marmor, und glaubt in ſeiner gehirnloſen
Bruſt ſeiner eignen Anbetung, ſo wird er ſein eigner — und
noch Andrer Narr. Ich habe mich, in der großen allgemeinen
Weltnoth, einem Gotte ganz gewidmet; und ſo oft ich
noch gerettet worden bin, ſo iſt es der, der mich gerettet hat,
die Wahrheit. Auch von Ihnen ſoll ſie mich diesmal retten:
denn ſie iſt’s, die mich zwingt, und mir zuredet, aufrichtig
gegen Sie zu ſein. Dieſe Aufrichtigkeit muß Sie beruhigen,
befriedigen und verſtummen machen. Oder ich bin wirklich
werth, in einem Kapellchen zu ſtehen, und die Augen vor mei-
ner eignen Glorie zu ſchließen. Votre amie la plus bête.
R. L.
An Guſtav von Brinckmann.
Berlin, den 19. März 1795.
Falſch, grundfalſch — angenommen Sie hätten mehr als
Sie wiſſen daraus gelernt — daß Sie aus dieſem Buch et-
was hätten erfahren können, was Sie nicht wüßten; es müßte
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Bände nicht durchleſen werde; denn ich werde gewiß etwas
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/142>, abgerufen am 21.12.2024.
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