Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.
Dies ist der Stand der Wissenschaft, der nützlichen Thätigkeit, des wetteifernden Kunstfleißes; durch ihn ging beiden jenen Par¬ theien der Zeitabschnitt ihrer Unentbehrlichkeit auch nothwendig, aber nur allmählig zu Ende. Hieraus wird demnach sichtbar, welcher Art die neue Ausbildung Europa's sein konnte. Nur ein Geistesanbau der Menschen, wie sie waren und sein wollten; ein Fortschreiten durch Betriebsamkeit, Wissenschaften und Künste. Wer dieser nicht bedurfte, wer sie verachtete oder mißbrauchte, blieb wer er war; an eine durch Erziehung, Gesetze und Grund¬ verfassung der Länder allgemein durchgreifende Bildung sämmt¬ licher Völker und Stände war damals noch nicht zu gedenken .... und wann wird daran zu gedenken sein? Indessen geht die Ver¬ nunft, und die verstärkte gemeinschaftliche Thätigkeit der Men¬ schen, ihren unaufhaltbaren Gang fort, und siehet's eben als ein gutes Zeichen an, wenn auch das Beste nicht zu frühe reifet. Herder. III. Künstlermährchen aus der Urzeit, wie noch kürzlich ein sechsundsechzigjähriger Graubart es humoristisch nachzuerzählen vermochte. 1815. ? "renascentur quae jam cecidere, --" Nachdem jenes Altmütterchen, das im Munde ihrer
Dies iſt der Stand der Wiſſenſchaft, der nützlichen Thätigkeit, des wetteifernden Kunſtfleißes; durch ihn ging beiden jenen Par¬ theien der Zeitabſchnitt ihrer Unentbehrlichkeit auch nothwendig, aber nur allmählig zu Ende. Hieraus wird demnach ſichtbar, welcher Art die neue Ausbildung Europa's ſein konnte. Nur ein Geiſtesanbau der Menſchen, wie ſie waren und ſein wollten; ein Fortſchreiten durch Betriebſamkeit, Wiſſenſchaften und Künſte. Wer dieſer nicht bedurfte, wer ſie verachtete oder mißbrauchte, blieb wer er war; an eine durch Erziehung, Geſetze und Grund¬ verfaſſung der Länder allgemein durchgreifende Bildung ſämmt¬ licher Völker und Stände war damals noch nicht zu gedenken .... und wann wird daran zu gedenken ſein? Indeſſen geht die Ver¬ nunft, und die verſtärkte gemeinſchaftliche Thätigkeit der Men¬ ſchen, ihren unaufhaltbaren Gang fort, und ſiehet's eben als ein gutes Zeichen an, wenn auch das Beſte nicht zu frühe reifet. Herder. III. Kuͤnſtlermaͤhrchen aus der Urzeit, wie noch kuͤrzlich ein ſechsundſechzigjaͤhriger Graubart es humoriſtiſch nachzuerzaͤhlen vermochte. 1815. ? „renascentur quae jam cecidere, —“ Nachdem jenes Altmuͤtterchen, das im Munde ihrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <note place="end"> <p><pb facs="#f0200" n="186"/> Dies iſt der Stand der Wiſſenſchaft, der nützlichen Thätigkeit,<lb/> des wetteifernden Kunſtfleißes; durch ihn ging beiden jenen Par¬<lb/> theien der Zeitabſchnitt ihrer Unentbehrlichkeit auch nothwendig,<lb/> aber nur allmählig zu Ende. Hieraus wird demnach ſichtbar,<lb/> welcher Art die neue Ausbildung Europa's ſein konnte. Nur ein<lb/> Geiſtesanbau der Menſchen, wie ſie waren und ſein wollten; ein<lb/> Fortſchreiten durch Betriebſamkeit, Wiſſenſchaften und Künſte.<lb/> Wer dieſer nicht bedurfte, wer ſie verachtete oder mißbrauchte,<lb/> blieb wer er war; an eine durch Erziehung, Geſetze und Grund¬<lb/> verfaſſung der Länder allgemein durchgreifende Bildung ſämmt¬<lb/> licher Völker und Stände war damals noch nicht zu gedenken ....<lb/> und wann wird daran zu gedenken ſein? Indeſſen geht die Ver¬<lb/> nunft, und die verſtärkte gemeinſchaftliche Thätigkeit der Men¬<lb/> ſchen, ihren unaufhaltbaren Gang fort, und ſiehet's eben als<lb/> ein gutes Zeichen an, wenn auch das Beſte nicht zu frühe reifet.</p><lb/> <p rendition="#right">Herder.</p><lb/> </note> </div> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">III</hi>.<lb/><hi rendition="#g">Kuͤnſtlermaͤhrchen aus der Urzeit,</hi><lb/> wie noch kuͤrzlich ein ſechsundſechzigjaͤhriger Graubart<lb/> es humoriſtiſch nachzuerzaͤhlen vermochte.<lb/><hi rendition="#b">1815</hi>.<lb/></head> <cit> <quote> <hi rendition="#right">? „<hi rendition="#aq">renascentur quae jam cecidere</hi>, —“</hi><lb/> </quote> </cit> <p>Nachdem jenes Altmuͤtterchen, das im Munde ihrer<lb/> ſpaͤtern Abkoͤmmlinge, wenn nicht vielmehr Abartlinge,<lb/> heutigen Tages nur ſchlechthin noch Natur betitelt wird,<lb/> ſich bereits durch kraͤftige und liebliche Vollendung ſo<lb/> mancher Menſchenform hinlaͤnglich in der Bildhauerei ver¬<lb/> ſucht hatte, fing die Gute auch an zu mahlen; Haut,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0200]
Dies iſt der Stand der Wiſſenſchaft, der nützlichen Thätigkeit,
des wetteifernden Kunſtfleißes; durch ihn ging beiden jenen Par¬
theien der Zeitabſchnitt ihrer Unentbehrlichkeit auch nothwendig,
aber nur allmählig zu Ende. Hieraus wird demnach ſichtbar,
welcher Art die neue Ausbildung Europa's ſein konnte. Nur ein
Geiſtesanbau der Menſchen, wie ſie waren und ſein wollten; ein
Fortſchreiten durch Betriebſamkeit, Wiſſenſchaften und Künſte.
Wer dieſer nicht bedurfte, wer ſie verachtete oder mißbrauchte,
blieb wer er war; an eine durch Erziehung, Geſetze und Grund¬
verfaſſung der Länder allgemein durchgreifende Bildung ſämmt¬
licher Völker und Stände war damals noch nicht zu gedenken ....
und wann wird daran zu gedenken ſein? Indeſſen geht die Ver¬
nunft, und die verſtärkte gemeinſchaftliche Thätigkeit der Men¬
ſchen, ihren unaufhaltbaren Gang fort, und ſiehet's eben als
ein gutes Zeichen an, wenn auch das Beſte nicht zu frühe reifet.
Herder.
III.
Kuͤnſtlermaͤhrchen aus der Urzeit,
wie noch kuͤrzlich ein ſechsundſechzigjaͤhriger Graubart
es humoriſtiſch nachzuerzaͤhlen vermochte.
1815.
? „renascentur quae jam cecidere, —“
Nachdem jenes Altmuͤtterchen, das im Munde ihrer
ſpaͤtern Abkoͤmmlinge, wenn nicht vielmehr Abartlinge,
heutigen Tages nur ſchlechthin noch Natur betitelt wird,
ſich bereits durch kraͤftige und liebliche Vollendung ſo
mancher Menſchenform hinlaͤnglich in der Bildhauerei ver¬
ſucht hatte, fing die Gute auch an zu mahlen; Haut,
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