einen Blick auf den ferneren Verlauf seines Lebens, welchem jenseits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis sich glücklich eröffnete.
9.
Leipzig, den 10. August 1795.
Also von Karlsruhe aus wäre die erste Nachricht meiner wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn, liebe Freundin, ist Ihr Correspondent in Olmütz? Warum hat er mich nicht besucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde sehen durfte? Oder ist's wohl gar der gute Rosenfels gewesen, der Ihnen die erste frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir darüber, denn ich bin recht sehr neugierig, das zu wissen! --
Daß ich nicht bei Ihnen sein kann! Ich hätte Ihnen so viel zu erzählen! Meine Plane haben sich seit 1793 nicht ge¬ ändert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen, um der Schlechtigkeit einiger einzelner Menschen willen. In Hamburg, wo ich schon vorhatte, was in Mähren fehlgeschlagen ist, wurde ich von einem Manne, der Aufsehen in der literari¬ schen Welt macht, auf's schändlichste hintergangen. Lafayette hatte dann von neuem dringende Briefe geschrieben. Der Mini¬ ster der Vereinigten Staaten interessirte sich für die Sache. Er und Viele glaubten, ich sei der Einzige aus ihrer Bekanntschaft, der nützlich werden könne; sie forderten mich auf! -- Ich liebte Lafayette, ich hatte durch die fehlgeschlagene Reise nach Berlin noch mehr Enthusiasmus für seine Freiheit bekommen. Ich hielt die Handlung, wozu man mich aufforderte, -- eben der Frucht¬ losigkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬ vatrache, Furcht, sich ein Dementi zu geben, und eine thörichte Politik ihn verfolgte, weil seine Gefangenschaft an und für sich höchst ungerecht war, -- weil man mit der größten Verletzung
einen Blick auf den ferneren Verlauf ſeines Lebens, welchem jenſeits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis ſich gluͤcklich eroͤffnete.
9.
Leipzig, den 10. Auguſt 1795.
Alſo von Karlsruhe aus waͤre die erſte Nachricht meiner wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn, liebe Freundin, iſt Ihr Correſpondent in Olmuͤtz? Warum hat er mich nicht beſucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde ſehen durfte? Oder iſt's wohl gar der gute Roſenfels geweſen, der Ihnen die erſte frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir daruͤber, denn ich bin recht ſehr neugierig, das zu wiſſen! —
Daß ich nicht bei Ihnen ſein kann! Ich haͤtte Ihnen ſo viel zu erzaͤhlen! Meine Plane haben ſich ſeit 1793 nicht ge¬ aͤndert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen, um der Schlechtigkeit einiger einzelner Menſchen willen. In Hamburg, wo ich ſchon vorhatte, was in Maͤhren fehlgeſchlagen iſt, wurde ich von einem Manne, der Aufſehen in der literari¬ ſchen Welt macht, auf's ſchaͤndlichſte hintergangen. Lafayette hatte dann von neuem dringende Briefe geſchrieben. Der Mini¬ ſter der Vereinigten Staaten intereſſirte ſich fuͤr die Sache. Er und Viele glaubten, ich ſei der Einzige aus ihrer Bekanntſchaft, der nuͤtzlich werden koͤnne; ſie forderten mich auf! — Ich liebte Lafayette, ich hatte durch die fehlgeſchlagene Reiſe nach Berlin noch mehr Enthuſiasmus fuͤr ſeine Freiheit bekommen. Ich hielt die Handlung, wozu man mich aufforderte, — eben der Frucht¬ loſigkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬ vatrache, Furcht, ſich ein Dementi zu geben, und eine thoͤrichte Politik ihn verfolgte, weil ſeine Gefangenſchaft an und fuͤr ſich hoͤchſt ungerecht war, — weil man mit der groͤßten Verletzung
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einen Blick auf den ferneren Verlauf ſeines Lebens,
welchem jenſeits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis
ſich gluͤcklich eroͤffnete.
9.
Leipzig, den 10. Auguſt 1795.
Alſo von Karlsruhe aus waͤre die erſte Nachricht meiner
wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn,
liebe Freundin, iſt Ihr Correſpondent in Olmuͤtz? Warum hat er
mich nicht beſucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde
ſehen durfte? Oder iſt's wohl gar der gute Roſenfels geweſen,
der Ihnen die erſte frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir
daruͤber, denn ich bin recht ſehr neugierig, das zu wiſſen! —
Daß ich nicht bei Ihnen ſein kann! Ich haͤtte Ihnen ſo
viel zu erzaͤhlen! Meine Plane haben ſich ſeit 1793 nicht ge¬
aͤndert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen,
um der Schlechtigkeit einiger einzelner Menſchen willen. In
Hamburg, wo ich ſchon vorhatte, was in Maͤhren fehlgeſchlagen
iſt, wurde ich von einem Manne, der Aufſehen in der literari¬
ſchen Welt macht, auf's ſchaͤndlichſte hintergangen. Lafayette
hatte dann von neuem dringende Briefe geſchrieben. Der Mini¬
ſter der Vereinigten Staaten intereſſirte ſich fuͤr die Sache. Er
und Viele glaubten, ich ſei der Einzige aus ihrer Bekanntſchaft,
der nuͤtzlich werden koͤnne; ſie forderten mich auf! — Ich liebte
Lafayette, ich hatte durch die fehlgeſchlagene Reiſe nach Berlin
noch mehr Enthuſiasmus fuͤr ſeine Freiheit bekommen. Ich hielt
die Handlung, wozu man mich aufforderte, — eben der Frucht¬
loſigkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬
vatrache, Furcht, ſich ein Dementi zu geben, und eine thoͤrichte
Politik ihn verfolgte, weil ſeine Gefangenſchaft an und fuͤr ſich
hoͤchſt ungerecht war, — weil man mit der groͤßten Verletzung
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/108>, abgerufen am 21.11.2024.
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