Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Blick auf den ferneren Verlauf seines Lebens,
welchem jenseits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis
sich glücklich eröffnete.

9.

Also von Karlsruhe aus wäre die erste Nachricht meiner
wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn,
liebe Freundin, ist Ihr Correspondent in Olmütz? Warum hat er
mich nicht besucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde
sehen durfte? Oder ist's wohl gar der gute Rosenfels gewesen,
der Ihnen die erste frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir
darüber, denn ich bin recht sehr neugierig, das zu wissen! --

Daß ich nicht bei Ihnen sein kann! Ich hätte Ihnen so
viel zu erzählen! Meine Plane haben sich seit 1793 nicht ge¬
ändert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen,
um der Schlechtigkeit einiger einzelner Menschen willen. In
Hamburg, wo ich schon vorhatte, was in Mähren fehlgeschlagen
ist, wurde ich von einem Manne, der Aufsehen in der literari¬
schen Welt macht, auf's schändlichste hintergangen. Lafayette
hatte dann von neuem dringende Briefe geschrieben. Der Mini¬
ster der Vereinigten Staaten interessirte sich für die Sache. Er
und Viele glaubten, ich sei der Einzige aus ihrer Bekanntschaft,
der nützlich werden könne; sie forderten mich auf! -- Ich liebte
Lafayette, ich hatte durch die fehlgeschlagene Reise nach Berlin
noch mehr Enthusiasmus für seine Freiheit bekommen. Ich hielt
die Handlung, wozu man mich aufforderte, -- eben der Frucht¬
losigkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬
vatrache, Furcht, sich ein Dementi zu geben, und eine thörichte
Politik ihn verfolgte, weil seine Gefangenschaft an und für sich
höchst ungerecht war, -- weil man mit der größten Verletzung

einen Blick auf den ferneren Verlauf ſeines Lebens,
welchem jenſeits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis
ſich gluͤcklich eroͤffnete.

9.

Alſo von Karlsruhe aus waͤre die erſte Nachricht meiner
wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn,
liebe Freundin, iſt Ihr Correſpondent in Olmuͤtz? Warum hat er
mich nicht beſucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde
ſehen durfte? Oder iſt's wohl gar der gute Roſenfels geweſen,
der Ihnen die erſte frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir
daruͤber, denn ich bin recht ſehr neugierig, das zu wiſſen! —

Daß ich nicht bei Ihnen ſein kann! Ich haͤtte Ihnen ſo
viel zu erzaͤhlen! Meine Plane haben ſich ſeit 1793 nicht ge¬
aͤndert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen,
um der Schlechtigkeit einiger einzelner Menſchen willen. In
Hamburg, wo ich ſchon vorhatte, was in Maͤhren fehlgeſchlagen
iſt, wurde ich von einem Manne, der Aufſehen in der literari¬
ſchen Welt macht, auf's ſchaͤndlichſte hintergangen. Lafayette
hatte dann von neuem dringende Briefe geſchrieben. Der Mini¬
ſter der Vereinigten Staaten intereſſirte ſich fuͤr die Sache. Er
und Viele glaubten, ich ſei der Einzige aus ihrer Bekanntſchaft,
der nuͤtzlich werden koͤnne; ſie forderten mich auf! — Ich liebte
Lafayette, ich hatte durch die fehlgeſchlagene Reiſe nach Berlin
noch mehr Enthuſiasmus fuͤr ſeine Freiheit bekommen. Ich hielt
die Handlung, wozu man mich aufforderte, — eben der Frucht¬
loſigkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬
vatrache, Furcht, ſich ein Dementi zu geben, und eine thoͤrichte
Politik ihn verfolgte, weil ſeine Gefangenſchaft an und fuͤr ſich
hoͤchſt ungerecht war, — weil man mit der groͤßten Verletzung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0108" n="94"/>
einen Blick auf den ferneren Verlauf &#x017F;eines Lebens,<lb/>
welchem jen&#x017F;eits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis<lb/>
&#x017F;ich glu&#x0364;cklich ero&#x0364;ffnete.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#b">9</hi>.<lb/></head>
              <dateline rendition="#right">Leipzig, den 10. Augu&#x017F;t 1795.</dateline><lb/>
              <p>Al&#x017F;o von Karlsruhe aus wa&#x0364;re die er&#x017F;te Nachricht meiner<lb/>
wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn,<lb/>
liebe Freundin, i&#x017F;t Ihr Corre&#x017F;pondent in Olmu&#x0364;tz? Warum hat er<lb/>
mich nicht be&#x017F;ucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde<lb/>
&#x017F;ehen durfte? Oder i&#x017F;t's wohl gar der gute Ro&#x017F;enfels gewe&#x017F;en,<lb/>
der Ihnen die er&#x017F;te frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir<lb/>
daru&#x0364;ber, denn ich bin recht &#x017F;ehr neugierig, das zu wi&#x017F;&#x017F;en! &#x2014;</p><lb/>
              <p>Daß ich nicht bei Ihnen &#x017F;ein kann! Ich ha&#x0364;tte Ihnen &#x017F;o<lb/>
viel zu erza&#x0364;hlen! Meine Plane haben &#x017F;ich &#x017F;eit <hi rendition="#b">1793</hi> nicht ge¬<lb/>
a&#x0364;ndert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen,<lb/>
um der Schlechtigkeit einiger einzelner Men&#x017F;chen willen. In<lb/>
Hamburg, wo ich &#x017F;chon vorhatte, was in Ma&#x0364;hren fehlge&#x017F;chlagen<lb/>
i&#x017F;t, wurde ich von einem Manne, der Auf&#x017F;ehen in der literari¬<lb/>
&#x017F;chen Welt macht, auf's &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te hintergangen. Lafayette<lb/>
hatte dann von neuem dringende Briefe ge&#x017F;chrieben. Der Mini¬<lb/>
&#x017F;ter der Vereinigten Staaten intere&#x017F;&#x017F;irte &#x017F;ich fu&#x0364;r die Sache. Er<lb/>
und Viele glaubten, ich &#x017F;ei der Einzige aus ihrer Bekannt&#x017F;chaft,<lb/>
der nu&#x0364;tzlich werden ko&#x0364;nne; &#x017F;ie forderten mich auf! &#x2014; Ich liebte<lb/>
Lafayette, ich hatte durch die fehlge&#x017F;chlagene Rei&#x017F;e nach Berlin<lb/>
noch mehr Enthu&#x017F;iasmus fu&#x0364;r &#x017F;eine Freiheit bekommen. Ich hielt<lb/>
die Handlung, wozu man mich aufforderte, &#x2014; eben der Frucht¬<lb/>
lo&#x017F;igkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬<lb/>
vatrache, Furcht, &#x017F;ich ein Dementi zu geben, und eine tho&#x0364;richte<lb/>
Politik ihn verfolgte, weil &#x017F;eine Gefangen&#x017F;chaft an und fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;t ungerecht war, &#x2014; weil man mit der gro&#x0364;ßten Verletzung<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0108] einen Blick auf den ferneren Verlauf ſeines Lebens, welchem jenſeits des Weltmeers ein neuer Wirkungskreis ſich gluͤcklich eroͤffnete. 9. Leipzig, den 10. Auguſt 1795. Alſo von Karlsruhe aus waͤre die erſte Nachricht meiner wiedererlangten Freiheit nach Bremen gekommen! Und wer denn, liebe Freundin, iſt Ihr Correſpondent in Olmuͤtz? Warum hat er mich nicht beſucht, da ich doch in den letzten vierzehn Tagen Freunde ſehen durfte? Oder iſt's wohl gar der gute Roſenfels geweſen, der Ihnen die erſte frohe Nachricht gab? Schreiben Sie mir daruͤber, denn ich bin recht ſehr neugierig, das zu wiſſen! — Daß ich nicht bei Ihnen ſein kann! Ich haͤtte Ihnen ſo viel zu erzaͤhlen! Meine Plane haben ſich ſeit 1793 nicht ge¬ aͤndert. Mit den Memoiren ging's nicht, konnte es nicht gehen, um der Schlechtigkeit einiger einzelner Menſchen willen. In Hamburg, wo ich ſchon vorhatte, was in Maͤhren fehlgeſchlagen iſt, wurde ich von einem Manne, der Aufſehen in der literari¬ ſchen Welt macht, auf's ſchaͤndlichſte hintergangen. Lafayette hatte dann von neuem dringende Briefe geſchrieben. Der Mini¬ ſter der Vereinigten Staaten intereſſirte ſich fuͤr die Sache. Er und Viele glaubten, ich ſei der Einzige aus ihrer Bekanntſchaft, der nuͤtzlich werden koͤnne; ſie forderten mich auf! — Ich liebte Lafayette, ich hatte durch die fehlgeſchlagene Reiſe nach Berlin noch mehr Enthuſiasmus fuͤr ſeine Freiheit bekommen. Ich hielt die Handlung, wozu man mich aufforderte, — eben der Frucht¬ loſigkeit aller andern angewandten Mittel wegen, weil nur Pri¬ vatrache, Furcht, ſich ein Dementi zu geben, und eine thoͤrichte Politik ihn verfolgte, weil ſeine Gefangenſchaft an und fuͤr ſich hoͤchſt ungerecht war, — weil man mit der groͤßten Verletzung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/108
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/108>, abgerufen am 22.12.2024.